Es gibt nur wenige Epochen, die frei waren von organisiertem Schrecken und kollektiver Ängstigung. Dass eine marodierende Vernichtungsgewalt jederzeit und unvermittelt auf Individuen und Familien niederbrechen kann, das galt für die Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit ebenso wie für die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts. Die Furchtbarkeiten des Dreißigjährigen Kriegs erzeugten dasselbe Gefühl wie diejenigen der Französischen Revolution. Wir werden vielleicht dahin kommen festzustellen, dass am 11. September vor fünf Jahren bloß eine historische Ausnahmeperiode zu Ende ging, eine Phase relativer Ruhe und Sicherheit – zumindest in den Ländern des freien Westens.
Aber dann muss man sogleich differenzieren: Denn in London beispielsweise gab es schon vor zwanzig Jahren Bombenanschläge der IRA, und in Paris jene islamistischen Métro-Attentate, die das öffentliche Leben bereits derart konditionierten, dass sich die Menschen anders bewegten und anders ansahen als sonst. Die Stimmung in den Städten war von jener seltsamen Gefasstheit gekennzeichnet, die sich inzwischen alle Flugreisenden antrainieren. Auch heute spürt man die Gefahr vor allem durch ihre Abwehrmaßnahmen. Längst haben wir uns an die surrealistische Choreographie der Sicherheitskontrollen gewöhnt: das Durchleuchten des Gepäcks, den Gang durch ein piepsendes Tor, das Abgetastet-Werden, das Ausziehen der Schuhe, das Einziehen der Nagelfeile, den Komisston des tödlich gelangweilten Personals. So verschwindet der Terror scheinbar in Anti-Terror-Routinen, von denen jeder weiß, dass sie im Zweifelsfall nichts nützen.
Denn im Zweifelsfall kommen die Täter mit Flüssigsprengstoff in Shampooflaschen an Bord. Dass dies jetzt offenbar vereitelt werden konnte, lag ja nicht an den so genannten Sicherheitsmaßnahmen, sondern an geheimpolizeilicher Aufklärungsarbeit im Vorfeld. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden sich jedoch auf die Alltagspraxis in grotesker Weise auswirken, denn die Begriffsbestimmung der Waffe ufert aus ins Unendliche. Nachdem schon jeder Korkenzieher und jede Nagelschere sicherheitstechnisch den Status von Maschinenpistolen erhalten haben, dehnt sich der Kosmos der bedrohlichen Dinge künftig auf jede Zahnpastatube und jede Colaflasche aus. Wenn die Intelligenz der Camouflage darin liegt, das Gefährliche wie Harmloses aussehen zu lassen, dann muss fortan auch alles Harmlose unter Verdacht gestellt werden: die Babymilch im Fläschchen genauso wie die Wollfäden im Pullover.
Die funktionelle Umwidmung ziviler Gegenstände zu einem perfiden Todesarsenal ist vielleicht einer der nachhaltigsten Effekte der jetzt erreichten Schreckensstufe. Man wird bei allem, was flüssig ist, von nun an öfter an Flugzeugexplosionen denken, und da die entsprechenden Bilder, ohne die der Terror nicht wirken kann, bereits in unseren Köpfen gespeichert sind, haben die Terroristen immerhin dies erreicht: Unser Verhältnis zu unserer eigenen Umwelt hat sich verändert.
Wie aber kann man sagen, dass dies der nachhaltigste Effekt ihres unheilvollen Treibens sei, wo es doch im Zweifelsfall um eine Menge Menschenleben geht? Ganz einfach: So wie die Vergangenheit lehrt, dass Terror fast immer an der Tagesordnung war, so zeigt sie auch, wie wirkungslos er im Sinne politischer Weltveränderungen blieb. Die brutalsten Terrorgruppen, die teuflischsten Mörderbanden halten zwar Staat und Gesellschaft jeweils eine zeitlang in Atem, aber sie erreichen gar nichts, und sobald sie von der Bühne abgetreten sind, verschwinden sie fast spurlos aus der Geschichte.
Aber dann muss man sogleich differenzieren: Denn in London beispielsweise gab es schon vor zwanzig Jahren Bombenanschläge der IRA, und in Paris jene islamistischen Métro-Attentate, die das öffentliche Leben bereits derart konditionierten, dass sich die Menschen anders bewegten und anders ansahen als sonst. Die Stimmung in den Städten war von jener seltsamen Gefasstheit gekennzeichnet, die sich inzwischen alle Flugreisenden antrainieren. Auch heute spürt man die Gefahr vor allem durch ihre Abwehrmaßnahmen. Längst haben wir uns an die surrealistische Choreographie der Sicherheitskontrollen gewöhnt: das Durchleuchten des Gepäcks, den Gang durch ein piepsendes Tor, das Abgetastet-Werden, das Ausziehen der Schuhe, das Einziehen der Nagelfeile, den Komisston des tödlich gelangweilten Personals. So verschwindet der Terror scheinbar in Anti-Terror-Routinen, von denen jeder weiß, dass sie im Zweifelsfall nichts nützen.
Denn im Zweifelsfall kommen die Täter mit Flüssigsprengstoff in Shampooflaschen an Bord. Dass dies jetzt offenbar vereitelt werden konnte, lag ja nicht an den so genannten Sicherheitsmaßnahmen, sondern an geheimpolizeilicher Aufklärungsarbeit im Vorfeld. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden sich jedoch auf die Alltagspraxis in grotesker Weise auswirken, denn die Begriffsbestimmung der Waffe ufert aus ins Unendliche. Nachdem schon jeder Korkenzieher und jede Nagelschere sicherheitstechnisch den Status von Maschinenpistolen erhalten haben, dehnt sich der Kosmos der bedrohlichen Dinge künftig auf jede Zahnpastatube und jede Colaflasche aus. Wenn die Intelligenz der Camouflage darin liegt, das Gefährliche wie Harmloses aussehen zu lassen, dann muss fortan auch alles Harmlose unter Verdacht gestellt werden: die Babymilch im Fläschchen genauso wie die Wollfäden im Pullover.
Die funktionelle Umwidmung ziviler Gegenstände zu einem perfiden Todesarsenal ist vielleicht einer der nachhaltigsten Effekte der jetzt erreichten Schreckensstufe. Man wird bei allem, was flüssig ist, von nun an öfter an Flugzeugexplosionen denken, und da die entsprechenden Bilder, ohne die der Terror nicht wirken kann, bereits in unseren Köpfen gespeichert sind, haben die Terroristen immerhin dies erreicht: Unser Verhältnis zu unserer eigenen Umwelt hat sich verändert.
Wie aber kann man sagen, dass dies der nachhaltigste Effekt ihres unheilvollen Treibens sei, wo es doch im Zweifelsfall um eine Menge Menschenleben geht? Ganz einfach: So wie die Vergangenheit lehrt, dass Terror fast immer an der Tagesordnung war, so zeigt sie auch, wie wirkungslos er im Sinne politischer Weltveränderungen blieb. Die brutalsten Terrorgruppen, die teuflischsten Mörderbanden halten zwar Staat und Gesellschaft jeweils eine zeitlang in Atem, aber sie erreichen gar nichts, und sobald sie von der Bühne abgetreten sind, verschwinden sie fast spurlos aus der Geschichte.