Von den drei Jahren, die Betsy Udink in Pakistan verbringt, bleibt ihr ein Tag unvergesslich. Der Tag, an dem sie das Frauengefängnis in Peshawar besucht. Was sie hier sieht, hört und riecht, verdeutlicht ihr die Gewalt gegen Frauen in Pakistan eindrucksvoller, als sämtliche Berichte und Vorträge zu diesem Thema. Die Briten haben die Baracke 1850 für 32 Insassen gebaut.
Heute drängen sich hier neben Flöhen und Ratten 78 Frauen und 14 Kinder. Vorhänge schirmen die Latrine gegen Blicke ab, jedoch der Gestank dringt ungehindert hindurch. Bei 70 der 78 Frauen lautet die Anklage Ehebruch oder unzüchtiges Verhalten. Gulnaz z.B. hat man bereits als Kind mit einem Schuster verheiratet. Nach ungezählten Ehejahren wirft er sie aus dem Haus.
""Dreimal rief er: ‚Ich verstoße dich!’, und nach den Vorschriften des Islam war er damit von ihr geschieden. Sie durfte ihre Kinder nicht mehr sehen, und jedes Mal, wenn sie es versuchte, jagte er sie weg, beschimpfte sie oder schlug sie zusammen.""
Widerwillig nimmt ein Onkel die verstoßene Frau auf. Für ihn bedeutet sie nur ein zusätzlicher Mund, der gefüttert werden muss. Schließlich erklärt sich ein Bekannter des Onkels bereit, Gulnaz als zweite Ehefrau zu nehmen.
""Er brauchte sie nur zu ernähren und zu kleiden und außerdem konnte er mit ihr Sex haben, wann immer er wollte.""
Als Gulnaz von ihrem zweiten Mann ein Mädchen bekommt, erscheint der erste Mann, der sie verstoßen hatte, wieder auf der Bildfläche.
""Er beschuldigte sie der ‚Zina’, des Ehebruchs, und behauptete, er sei nie von ihr geschieden worden. Was für einen eindeutigeren Beweis für ihren Ehebruch gab es als das Kind, das sie geboren hatte?""
Der erste Mann hatte die Verstoßung nicht beim Standesamt gemeldet und Gulnaz, die weder lesen noch schreiben kann, hatte nicht daran gedacht, sich nach der Registrierung der Scheidung zu erkundigen. Als ihr erster Mann sie anklagt, wird Gulnaz verhaftet.
""Sie wurde aufgrund der ‚Hudud-Verordnungen’ ins Gefängnis gebracht, die auf 1400 Jahre alten Regeln des Koran basieren. Die ‚Hudud-Verordnungen’, die in das pakistanische Gesetzbuch aufgenommen sind, bestrafen eine Frau, die beim Ehebruch oder unzüchtigen Handlungen ertappt wird, mit Auspeitschen. Heute werden Frauen nicht mehr ausgepeitscht, dafür erwartet die vor Gericht gezerrte Ehebrecherin eine lange Haftstrafe. Unter der islamischen Gesetzgebung sind Frauen und Minderheiten nicht mehr als Untergebene. Der Status von Frauen ist auf das absolute Minimum reduziert: Zuerst sind sie Eigentum ihres Vaters und anschließend ihres Ehemanns. In der Islamischen Republik Pakistan ist das Klima gegenüber Frauen so Hass erfüllt und diskriminierend, dass besitzbewusste und rachsüchtige Väter und Ehemänner mit der größten Leichtigkeit ihre Töchter und Frauen unter der Vortäuschung von ‚Zina’ jahrelang im Gefängnis leiden lassen können.""
An ihrem Tag im Frauengefängnis erfährt Betsy Udink von einem Dutzend Frauen-Schicksale, eins grausamer als das andere. Immer wieder kommt sie auf Gulnaz zurück, die bereits seit mehr als vier Jahren apathisch auf dem gestampften Lehmboden sitzt und auf ihren Prozess wartet. Neben ihr sitzt ein Mädchen, 13 oder 14 Jahre alt, deren Persönlichkeit und Lebenswille längst gebrochen wurden.
""In ihrem Gesicht ist kein Fünkchen Hoffnung zu entdecken. Die schwarzen Augen sind niedergeschlagen. Sie zieht eine Schulter ein bisschen höher als die andere, als warte sie darauf, den Schlag auf ihren Kopf, den Stock auf ihren Rücken aufzufangen. Die Haltung eines Menschen, der sein Leben lang misshandelt wurde.""
Ein großes Kapitel widmet die Autorin den Ehrenmorden. Während der drei Jahre, die die Journalistin, Roman- und Sachbuchautorin in Pakistan verbringt, liest sie täglich in den Zeitungen, dass Angehörige eine Frau umgebracht haben, weil sie die Familienehre verletzt hätte.
Selbst in gebildeten Familien kommt dies vor, wie Betsy Udink am Fall von Afsheen schildert. Die Studentin verliebt sich in einen ihrer Familie nicht genehmen Kommilitonen, weigert sich, einen von der Familie ausgesuchten Mann zu heiraten und wird daher von ihrem Großvater und ihrem Onkeln bestialisch abgeschlachtet.
""Für einen Ehrenmord kauft man keinen Mörder, es ist eine Sache der Familie. Ein richtiger Mann schlachtet die ungehorsame Frau in seiner Familie selbst, wie ein richtiger Mann auch am Morgen des islamischen Opferfestes eine Ziege, ein Kamel oder einen Ochsen schlachtet. Mit dem Tod ist die Strafe noch nicht zu Ende. Die Leiche darf auf keinem Friedhof beigesetzt werden, sie wird irgendwo verscharrt oder in den Fluss geworfen. Der Mutter, den Schwestern, Cousinen und Tanten ist es verboten zu trauern. Es ist eine Terrorherrschaft der Männer.""
Über den Fall Afsheen berichten die Zeitungen landesweit, bis sich schließlich der pakistanische Präsident General Musharraf höchstpersönlich mit dem Mord befasst und den Auftrag erteilt, die Täter vor Gericht zu bringen. Seitdem ist es still um den Mord geworden. Der Fall wird nicht vor Gericht verhandelt, weil der Vater der Frau den Mördern vergeben hat, also dem Großvater und dem Onkel von Afsheen.
""In das pakistanische Gesetz wurden zwei Bestimmungen aus dem Koran aufgenommen, die gewissermaßen als Freibrief dienen können, Mädchen zu ermorden, die eine moralische Grenze verletzt haben. Es handelt sich um die so genannte ‚Qisas’, Vergeltung, sowie ‚Diyat’, das Blutgeld. Die andere Seite der Vergeltung, die Vergebung, fällt ebenfalls unter ‚Qisas’. Als Folge der islamischen ‚Qisas’- und ‚Diyat’-Bestimmungen ist der Ehrenmord nunmehr eine Familienangelegenheit geworden. Nach der Hinrichtung ist es die Familie, die als Richter auftritt, den Henker freispricht und bestimmt, dass der Mörder dem Erben, dem Wächter der ermordeten Frau, kein Blutgeld zahlen muss. Der Staat kann durch das islamische Gesetz nicht als Ankläger auftreten.""
Mädchen und Frauen werden in Pakistan in allen Lebensbereichen diskriminiert. Sie bekommen schlechteres Essen, schlechtere medizinische Versorgung und schlechtere Bildung, und viele bekommen erst gar nicht die Chance zu leben, weil sie bereits als Föten abgetrieben werden. Als Folge davon fehlen in Pakistan Millionen von Frauen.
""Gesellschaften mit einem Männerüberschuss können nur durch ein autoritäres Regime in Schach gehalten werden, das rücksichtslos die Gewalt im eigenen Land unterdrückt. In einem Land mit Männerüberschuss ist keine Demokratie möglich. Ein solches Land wird mehr innere Konflikte kennen, mehr sektiererische Gewalt, mehr Hexenjagden auf Minderheiten.""
Besty Udink zeigt viele dunkle Seiten der pakistanischen Gesellschaft. Sie berichtet von den zahllosen Knaben, die in den Koranschulen sexuell missbraucht werden, von Morden an Mitarbeitern einer christlichen Organisation, die Leibeigene freikauft. Sie beschreibt, wie die Blasphemiegesetze genutzt werden, um Nachbarn ins Gefängnis zu bringen und sich deren Hab und Gut anzueignen, und sie schildert die Unterdrückung islamischer Sekten, die von den Mehrheitsmuslimen nicht anerkannt werden.
Die Reportagen sind anschaulich geschrieben und bieten einen lebendigen Zugang zur gegenwärtigen pakistanischen Gesellschaft. Allerdings sind einige Schwächen des Buches nicht zu übersehen. So weckt der Buchtitel "Allah & Eva – Der Islam und die Frauen" Erwartungen, die das Buch nicht erfüllt. Obwohl Betsy Udink auch in Saudi Arabien und im Libanon gelebt hat, und viele Vergleichsmöglichkeiten hätte, bleibt sie eine Analyse der Stellung der Frau im Islam schuldig.
Der Leser erfährt nicht, warum gerade in Pakistan Frauen so diskriminiert werden. Betsy Udink lässt auch die Frauen, über die sie berichtet, nie selbst zu Wort kommen. Ihre Schicksale werden aus der Perspektive der Europäerin referiert, doch wie sie selbst ihr Leben und ihr Leiden deuten, erfährt der Leser nicht.
Ebenso verhält es sich auch mit den Frauen, die sich bei den islamischen Fundamentalisten engagieren, und aus der Sicht von Betsy Udink damit zur Unterdrückung ihres eigenen Geschlechts beitragen. Welche Lebenswege sind sie gegangen? Was hat ihr Denken geprägt? Darüber kann man als Leser nur rätseln, ebenso über die Beweggründe der Männer, ihre Frauen so zu unterdrücken.
Eine Ursache für diesen Mangel mag darin liegen, dass Betsy Udink außer Englisch keine der Sprachen Pakistans spricht und auf Übersetzer angewiesen war. Die drei Jahre hat sie auch nicht in erster Linie wegen ihrer Recherchen in Pakistan verbracht, sondern weil ihr Mann dort als niederländischer Botschafter postiert war. Dennoch, trotz der genannten Schwächen hat Betsy Udink ein lesenswertes Buch mitgebracht.
Betsy Udink: Allah & Eva. Der Islam und die Frauen.
Aus dem Niederländischen von Anna Berger, C.H. Beck, München. 234 Seiten, 19,90 Euro.
Heute drängen sich hier neben Flöhen und Ratten 78 Frauen und 14 Kinder. Vorhänge schirmen die Latrine gegen Blicke ab, jedoch der Gestank dringt ungehindert hindurch. Bei 70 der 78 Frauen lautet die Anklage Ehebruch oder unzüchtiges Verhalten. Gulnaz z.B. hat man bereits als Kind mit einem Schuster verheiratet. Nach ungezählten Ehejahren wirft er sie aus dem Haus.
""Dreimal rief er: ‚Ich verstoße dich!’, und nach den Vorschriften des Islam war er damit von ihr geschieden. Sie durfte ihre Kinder nicht mehr sehen, und jedes Mal, wenn sie es versuchte, jagte er sie weg, beschimpfte sie oder schlug sie zusammen.""
Widerwillig nimmt ein Onkel die verstoßene Frau auf. Für ihn bedeutet sie nur ein zusätzlicher Mund, der gefüttert werden muss. Schließlich erklärt sich ein Bekannter des Onkels bereit, Gulnaz als zweite Ehefrau zu nehmen.
""Er brauchte sie nur zu ernähren und zu kleiden und außerdem konnte er mit ihr Sex haben, wann immer er wollte.""
Als Gulnaz von ihrem zweiten Mann ein Mädchen bekommt, erscheint der erste Mann, der sie verstoßen hatte, wieder auf der Bildfläche.
""Er beschuldigte sie der ‚Zina’, des Ehebruchs, und behauptete, er sei nie von ihr geschieden worden. Was für einen eindeutigeren Beweis für ihren Ehebruch gab es als das Kind, das sie geboren hatte?""
Der erste Mann hatte die Verstoßung nicht beim Standesamt gemeldet und Gulnaz, die weder lesen noch schreiben kann, hatte nicht daran gedacht, sich nach der Registrierung der Scheidung zu erkundigen. Als ihr erster Mann sie anklagt, wird Gulnaz verhaftet.
""Sie wurde aufgrund der ‚Hudud-Verordnungen’ ins Gefängnis gebracht, die auf 1400 Jahre alten Regeln des Koran basieren. Die ‚Hudud-Verordnungen’, die in das pakistanische Gesetzbuch aufgenommen sind, bestrafen eine Frau, die beim Ehebruch oder unzüchtigen Handlungen ertappt wird, mit Auspeitschen. Heute werden Frauen nicht mehr ausgepeitscht, dafür erwartet die vor Gericht gezerrte Ehebrecherin eine lange Haftstrafe. Unter der islamischen Gesetzgebung sind Frauen und Minderheiten nicht mehr als Untergebene. Der Status von Frauen ist auf das absolute Minimum reduziert: Zuerst sind sie Eigentum ihres Vaters und anschließend ihres Ehemanns. In der Islamischen Republik Pakistan ist das Klima gegenüber Frauen so Hass erfüllt und diskriminierend, dass besitzbewusste und rachsüchtige Väter und Ehemänner mit der größten Leichtigkeit ihre Töchter und Frauen unter der Vortäuschung von ‚Zina’ jahrelang im Gefängnis leiden lassen können.""
An ihrem Tag im Frauengefängnis erfährt Betsy Udink von einem Dutzend Frauen-Schicksale, eins grausamer als das andere. Immer wieder kommt sie auf Gulnaz zurück, die bereits seit mehr als vier Jahren apathisch auf dem gestampften Lehmboden sitzt und auf ihren Prozess wartet. Neben ihr sitzt ein Mädchen, 13 oder 14 Jahre alt, deren Persönlichkeit und Lebenswille längst gebrochen wurden.
""In ihrem Gesicht ist kein Fünkchen Hoffnung zu entdecken. Die schwarzen Augen sind niedergeschlagen. Sie zieht eine Schulter ein bisschen höher als die andere, als warte sie darauf, den Schlag auf ihren Kopf, den Stock auf ihren Rücken aufzufangen. Die Haltung eines Menschen, der sein Leben lang misshandelt wurde.""
Ein großes Kapitel widmet die Autorin den Ehrenmorden. Während der drei Jahre, die die Journalistin, Roman- und Sachbuchautorin in Pakistan verbringt, liest sie täglich in den Zeitungen, dass Angehörige eine Frau umgebracht haben, weil sie die Familienehre verletzt hätte.
Selbst in gebildeten Familien kommt dies vor, wie Betsy Udink am Fall von Afsheen schildert. Die Studentin verliebt sich in einen ihrer Familie nicht genehmen Kommilitonen, weigert sich, einen von der Familie ausgesuchten Mann zu heiraten und wird daher von ihrem Großvater und ihrem Onkeln bestialisch abgeschlachtet.
""Für einen Ehrenmord kauft man keinen Mörder, es ist eine Sache der Familie. Ein richtiger Mann schlachtet die ungehorsame Frau in seiner Familie selbst, wie ein richtiger Mann auch am Morgen des islamischen Opferfestes eine Ziege, ein Kamel oder einen Ochsen schlachtet. Mit dem Tod ist die Strafe noch nicht zu Ende. Die Leiche darf auf keinem Friedhof beigesetzt werden, sie wird irgendwo verscharrt oder in den Fluss geworfen. Der Mutter, den Schwestern, Cousinen und Tanten ist es verboten zu trauern. Es ist eine Terrorherrschaft der Männer.""
Über den Fall Afsheen berichten die Zeitungen landesweit, bis sich schließlich der pakistanische Präsident General Musharraf höchstpersönlich mit dem Mord befasst und den Auftrag erteilt, die Täter vor Gericht zu bringen. Seitdem ist es still um den Mord geworden. Der Fall wird nicht vor Gericht verhandelt, weil der Vater der Frau den Mördern vergeben hat, also dem Großvater und dem Onkel von Afsheen.
""In das pakistanische Gesetz wurden zwei Bestimmungen aus dem Koran aufgenommen, die gewissermaßen als Freibrief dienen können, Mädchen zu ermorden, die eine moralische Grenze verletzt haben. Es handelt sich um die so genannte ‚Qisas’, Vergeltung, sowie ‚Diyat’, das Blutgeld. Die andere Seite der Vergeltung, die Vergebung, fällt ebenfalls unter ‚Qisas’. Als Folge der islamischen ‚Qisas’- und ‚Diyat’-Bestimmungen ist der Ehrenmord nunmehr eine Familienangelegenheit geworden. Nach der Hinrichtung ist es die Familie, die als Richter auftritt, den Henker freispricht und bestimmt, dass der Mörder dem Erben, dem Wächter der ermordeten Frau, kein Blutgeld zahlen muss. Der Staat kann durch das islamische Gesetz nicht als Ankläger auftreten.""
Mädchen und Frauen werden in Pakistan in allen Lebensbereichen diskriminiert. Sie bekommen schlechteres Essen, schlechtere medizinische Versorgung und schlechtere Bildung, und viele bekommen erst gar nicht die Chance zu leben, weil sie bereits als Föten abgetrieben werden. Als Folge davon fehlen in Pakistan Millionen von Frauen.
""Gesellschaften mit einem Männerüberschuss können nur durch ein autoritäres Regime in Schach gehalten werden, das rücksichtslos die Gewalt im eigenen Land unterdrückt. In einem Land mit Männerüberschuss ist keine Demokratie möglich. Ein solches Land wird mehr innere Konflikte kennen, mehr sektiererische Gewalt, mehr Hexenjagden auf Minderheiten.""
Besty Udink zeigt viele dunkle Seiten der pakistanischen Gesellschaft. Sie berichtet von den zahllosen Knaben, die in den Koranschulen sexuell missbraucht werden, von Morden an Mitarbeitern einer christlichen Organisation, die Leibeigene freikauft. Sie beschreibt, wie die Blasphemiegesetze genutzt werden, um Nachbarn ins Gefängnis zu bringen und sich deren Hab und Gut anzueignen, und sie schildert die Unterdrückung islamischer Sekten, die von den Mehrheitsmuslimen nicht anerkannt werden.
Die Reportagen sind anschaulich geschrieben und bieten einen lebendigen Zugang zur gegenwärtigen pakistanischen Gesellschaft. Allerdings sind einige Schwächen des Buches nicht zu übersehen. So weckt der Buchtitel "Allah & Eva – Der Islam und die Frauen" Erwartungen, die das Buch nicht erfüllt. Obwohl Betsy Udink auch in Saudi Arabien und im Libanon gelebt hat, und viele Vergleichsmöglichkeiten hätte, bleibt sie eine Analyse der Stellung der Frau im Islam schuldig.
Der Leser erfährt nicht, warum gerade in Pakistan Frauen so diskriminiert werden. Betsy Udink lässt auch die Frauen, über die sie berichtet, nie selbst zu Wort kommen. Ihre Schicksale werden aus der Perspektive der Europäerin referiert, doch wie sie selbst ihr Leben und ihr Leiden deuten, erfährt der Leser nicht.
Ebenso verhält es sich auch mit den Frauen, die sich bei den islamischen Fundamentalisten engagieren, und aus der Sicht von Betsy Udink damit zur Unterdrückung ihres eigenen Geschlechts beitragen. Welche Lebenswege sind sie gegangen? Was hat ihr Denken geprägt? Darüber kann man als Leser nur rätseln, ebenso über die Beweggründe der Männer, ihre Frauen so zu unterdrücken.
Eine Ursache für diesen Mangel mag darin liegen, dass Betsy Udink außer Englisch keine der Sprachen Pakistans spricht und auf Übersetzer angewiesen war. Die drei Jahre hat sie auch nicht in erster Linie wegen ihrer Recherchen in Pakistan verbracht, sondern weil ihr Mann dort als niederländischer Botschafter postiert war. Dennoch, trotz der genannten Schwächen hat Betsy Udink ein lesenswertes Buch mitgebracht.
Betsy Udink: Allah & Eva. Der Islam und die Frauen.
Aus dem Niederländischen von Anna Berger, C.H. Beck, München. 234 Seiten, 19,90 Euro.