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Terror in Europa
"IS nutzt Interessenkonflikte seiner Gegner"

Er sei skeptisch, was die militärische Bekämpfung des Islamischen Staates betreffe, sagte der Islamwissenschaftler Wilfried Buchta im DLF. Das könnte Jahre oder gar Jahrzehnte dauern und damit zu einem Generationenprojekt werden. Umso wichtiger sei es, im Westen den Aufbau eines "mit der Demokratie kompatiblen Euroislams" zu fördern.

Wilfried Buchta im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 17.01.2016
    Bewaffnete Polizisten stehen am 31.12.2015 am gesperrten Hauptbahnhof in München, nachdem es eine Warnung vor einem Terroranschlag gegeben hatte.
    Bewaffnete Polizisten stehen am 31.12.2015 am gesperrten Hauptbahnhof in München, nachdem es eine Warnung vor einem Terroranschlag gegeben hatte. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Im heutigen Islam gebe es eine Sinn- und Legitimationskrise: Die islamische Welt und deren Bewohner lebten in einem dauernden Konflikt zwischen der sie umgebenden Welt des Westens, welche die islamische Ordnung zu zersetzen drohe, und den islamischen Normen und archaischen Gesellschaftskonzepten, die weiter fortbestünden. Dadurch entsteht ein großer Dissenz in der Gesellschaft. "Viele kommen mit dem Konflikt nicht zurecht und schließen sich islamistischen Gruppierungen an, die einfache Lösungen bieten", sagte der Islamwissenschaftler Wilfried Buchta im Deutschlandfunk.
    Auch die enormen Bevölkerungswachstumsraten von zwei bis drei Prozent führten zu schwierigen wirtschaftlichen Existenzbedingungen in den einzelnen Ländern.
    "Es gibt keine einfachen Lösungen"

    "Der Islamische Staat kann nicht so einfach aus der Welt geschaffen werden, schon gar nicht militärisch." Die Anti-IS-Allianz sei gelähmt durch gegenläufige Interessen ihrer wichtigsten Mitglieder. Dazu gehöre die wachsende Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, aber auch die Interessen Russlands und der Türkei mit Blick auf Syrien seien nicht konvertibel. Dadurch entstünden Machtvakuums, die der IS zur Festigung seiner Macht sehr gut nutze.
    Im Westen sei der Aufbau eines mit der Demokratie kompatiblen Euroislams notewendig. Es brauche islamische Theologen, die die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie predigten und ihre Gläubigen davon überzeugten. Auf der anderen Seite müsste man gegenüber Salafisten hart vorgehen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, gefährdeten muslimischen Jugendlichen neue Perspektiven aufzuzeigen.
    Die Terrorgefahr sei durch das Engagement Deutschlands größer geworden. Er rechne in den nächsten Monaten mit Anschlägen in Deutschland - trotz umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen.
    Sie können das Interview mindestens sechs Monate nachhören.