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Terror in Frankreich
Behörden fahnden nach möglicher Komplizin

Die drei mutmaßlichen Terroristen, die die beiden Anschläge in Frankreich verübt haben, sind tot, eine mögliche Komplizin ist dagegen weiter auf der Flucht - Hayat Boumeddiene. Sie war die Lebensgefährtin des Attentäters Amedy Coulibaly und soll sich laut Medienberichten in die Türkei abgesetzt haben.

10.01.2015
    Die gesuchte Hayat Boumeddiene
    Die gesuchte Hayat Boumeddiene (afp / Französische Polizei)
    Nach der 26-Jährigen wird wegen der tödlichen Schüsse auf eine Polizistin am Donnerstag in Montrouge südlich von Paris gefahndet. Die Ermittler vermuten jedoch, dass die junge Frau auch an der Geiselnahme in dem Supermarkt am Freitag beteiligt war - allerdings wurde weder ihre Leiche entdeckt, noch befand sie sich unter den Verletzten. Tausende Beamte sind im Einsatz, um sie ausfindig zu machen. Die Polizei warnt, die Gesuchte sei "bewaffnet und gefährlich".
    Kontakt zwischen den Attentätern
    Coulibaly war am Freitag ebenso wie die beiden Charlie Hebdo-Attentäter Chérif und Said Kouachi von der Polizei getötet worden. Boumeddiene soll engen Kontakt zu Chérif Kouachis Frau Izzana Hamyd gehabt haben, die bereits am Mittwoch in Polizeigewahrsam genommen wurde. Nach Angaben der Ermittler führten die beiden Frauen im vergangenen Jahr mehr als 500 Telefongespräche.
    Boumeddiene stammt aus schwierigen familiären Verhältnissen. Ihre Mutter starb, als Hayat sechs Jahre alt war, danach wuchsen sie und ihre sechs Geschwister unter staatlicher Obhut auf, da sich ihr Vater nicht um die Kinder kümmern konnte. Die 26-Jährige gilt als sehr religiös. Laut Medienberichten verlor sie ihren Job als Kassiererin, weil sie darauf bestand, einen Nikab zu tragen. Ein solcher Schleier verdeckt das Gesicht fast vollständig.
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    Gleichzeitig gehen die Ermittlungen zu den Hintergründen des Angriffs auf die Redaktion von Charlie Hebdo und den späteren Geiselnahmen weiter. Im Moment versuchten die Ermittler festzustellen, ob die getöteten Angreifer Teil eines größeren extremistischen Netzwerks gewesen seien, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve. Fünf Personen sind im Zusammenhang mit der Untersuchung in Haft, gegen mehrere Familienmitglieder der Terroristen wird ermittelt.
    Die beiden Brüder Said und Chérif Kouachi, die für die Tat gegen Charlie Hebdo verantwortlich sein sollen, waren den Anti-Terror-Behörden wohlbekannt. Chérif war bereits 2008 verurteilt worden, weil er sich Extremisten im Irak anschließen wollte. Sein Bruder Said kämpfte nach Angaben aus dem Jemen dort bis 2012 für die Al-Kaida. Beide standen auf der US-Flugverbotsliste. Die beiden Brüder sollen Coulibaly gekannt haben. Die drei Männer sollen über gemeinsame Zeiten im Gefängnis in Kontakt gekommen sein.
    "Äußerste Wachsamkeit" vor der Großkundgebung in Paris
    Innenminister Cazeneuve rief nach einer Krisensitzung der Regierung seine Landsleute zu "äußerster Wachsamkeit" auf - auch mit Blick auf die geplante Großkundgebung gegen Terror am Sonntag in Paris. Zu der Demonstration werden neben dem französischen Präsidenten François Hollande auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron erwartet. Die höchste Terrorwarnstufe, die seit dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo am Mittwoch im Großraum Paris gilt, werde beibehalten, sagte Cazeneuve.
    Der Triumphbogen in Paris mit dem Schriftzug "Paris ist Charlie"
    Der Triumphbogen in Paris mit dem Schriftzug "Paris ist Charlie" (imago stock&people)
    Bereits am Samstag haben hunderttausende Demonstranten an die insgesamt 17 Todesopfer erinnert. In zahlreichen Städten im ganzen Land gingen mehr als 300.000 Menschen auf die Straße. Allein in der 80.000-Einwohner-Stadt Pau im Südwesten Frankreichs beteiligten sich nach Polizeiangaben 40.000 Menschen an einer Kundgebung zu Ehren der Anschlagsopfer. 80.000 Teilnehmer kamen in Toulouse im Süden des Landes zusammen, 75.000 Teilnehmer wurden in der westfranzösischen Stadt Nantes gezählt. Auch in mehreren anderen Städten gab es Kundgebungen.
    Zeichner von Charlie Hebdo distanziert sich von "neuen Freunden"
    Der niederländische Zeichner Willem, der für Charlie Hebdo arbeitete, wies derweil einige Solidaritätsbekundungen zurück. "Wir haben viele neue Freunde wie den Papst, Königin Elizabeth oder Putin. Da muss ich lachen", sagte er der niederländischen Zeitung "Volkskrant". Mit einem Hinweis auf Unterstützungsbekundungen des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders sagte Willem, "wir kotzen auf all die Leute, die plötzlich sagen, unsere Freunde zu sein".
    Über die Vorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, sagte der 73-jährige Karikaturist, sie sei "entzückt, wenn Islamisten irgendwo herumschießen". Der Zeichner betonte die Wichtigkeit, Charlie Hebdo weiter zu veröffentlichen. "Sonst haben sie gewonnen", warnte Willem mit Blick auf die Islamisten.
    Anteilnahme aus der arabischen Welt
    Muslimische Länder haben sich derweil solidarisch mit Frankreich gezeigt. Zeitungen kritisierten die von Islamisten verursachte Gewalt. Die überregionale arabische Tageszeitung "Al-Sharq al-Awsat" schrieb von einem "Tag des Horrors", die ägyptische "Masry al-Youm" titelte: "Frankreich nimmt Rache für die Opfer". Andere Zeitungen druckten als Zeichen der Solidarität Karikaturen, die sich mit den Angriffen auseinandersetzen.
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach seinem Amtskollegen Hollande am Freitag sein "erneutes aufrichtiges Beileid im Namen Ägyptens" aus. Auch der irakische Schiitenprediger Muktada al-Sadr verurteilte die Angriffe als "nicht der Ethik des Islam" entsprechend. Der Chef der schiitischen Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah, sagte, Terroristen hätten dem Islam mehr geschadet als jeder andere in der Geschichte. "Sie haben den Propheten Gottes und die islamische Welt beleidigt".
    Extremisten hingegen bejubeln die Ereignisse. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnet den Anschlag in Paris als Beginn einer Terrorreihe mit weiteren Angriffen in Europa und den USA. Die Gruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) drohte Frankreich ebenfalls mit weiteren Anschlägen.
    (nch/kis)