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Terror in Nigeria
Boko Haram bedroht die ganze Region

Es vergeht kein Tag, an dem die radikalislamische Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria nicht mit Anschlägen Schlagzeilen macht. Nach dem jüngsten Blutbad in einer Stadt im entlegenen Nordosten des Landes gehen die Behörden von vielen, möglicherweise Hunderten Toten aus. Während Nigerias Präsident auf Wahlkampftour geht und seine Armee keine Antwort auf die bestens ausgerüsteten Terroristen findet, arbeitet Boko Haram weiter an einem Kalifat - und hat längst auch die Nachbarländer im Visier.

Von Alexander Göbel | 09.01.2015
    Der Terror wird niemals enden: Das ist die Botschaft von Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau in dem neuen Video, das gerade im Internet aufgetaucht ist. Pünktlich zum Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs in Afrikas bevölkerungsreichstem Land. Nigeria steht noch immer unter dem Eindruck des Blutbads, das die Terroristen gerade im entlegenen Nordosten des Landes angerichtet haben, an der Grenze zum Nachbarland Tschad. 16 Ortschaften sollen vollständig niedergebrannt sein, viele Menschen wurden auf der Flucht von Boko-Haram-Kämpfern erschossen. Die Rede ist von Hunderten Opfern. Die Menschen waren schutzlos, denn die Soldaten waren vorher aus einem Militärcamp geflohen.
    "Es gibt keine Koordination zwischen den Sicherheitsbehörden, es ist unfassbar." Sagt Senator Kabiru Ibrahim Gaya aus Kano. Wenn in den Kasernen jemand "Boko Haram" schreit, lassen die Soldaten alles stehen und liegen - und hauen ab. Es muss Insider geben, die die Militäroperationen sabotieren!
    Militär von Boko Haram infiltriert?
    Nigeria bekommt den Terror nicht in den Griff, kein Tag vergeht ohne Anschläge. Hinweise gibt es darauf, dass die Armee von Boko Haram infiltriert wird. Aber auch darauf, dass viele Offiziere in der Armee, aber auch Politiker, nicht wollen, dass der Terror jemals endet. Ohne die kontinuierliche Bedrohung durch Boko Haram würden eben nicht Milliarden Naira für die Rüstung ausgegeben, ein Fünftel des gesamten Staatshaushalts. Das viele Geld, das die Regierung für die Armee ausgibt, versickert auf dem Weg zu den Soldaten in tausend dunklen Kanälen. Auch deshalb haben die USA ihre Anti-Terror-Zusammenarbeit mit dem nigerianischen Militär stark reduziert. Keiner weiß, wer es noch ernst meint in Nigeria, mit dem Kampf gegen Boko Haram.
    Senator Gaya: "Wir haben so viele Möglichkeiten, die Terroristen anzugreifen. Mit Bodentruppen, mit der Luftwaffe. Wir wissen, wo sie sind. Aber Boko-Haram- Konvois können trotzdem stundenlang durch die Gegend fahren, ohne dass sie angegriffen werden! Es gibt offenbar Leute, die eine andere, teuflische Agenda haben - auch, damit die Wahlen platzen und hier Bürgerkrieg ausbricht."
    Die Präsidentschaftswahlen: Geplant sind sie für Mitte Februar, Goodluck Jonathan will sich im Amt bestätigen lassen. Aber viele fragen sich: Wie rechtskräftig wäre eine Wahl - wenn im Norden Dutzende Bezirke in drei Bundesstaaten nicht wählen können, weil Boko Haram sie unter Kontrolle hat. "Begonnen hat es mit einem Messer in der Hand", sagt Ignatius Kaigama, Erzbischof von Jos. "Und heute ist Boko Haram ausgerüstet wie eine Armee!"
    Boko Haram schielt auf die gesamte Region
    Wole Soyinka, Nigerias Literaturnobelpreisträger, wundert sich darüber schon lange nicht mehr. "Ich halte die Antwort der Regierung für völlig unzureichend", sagt Soyinka der BBC. "Diese Regierung ist zu langsam, tut zu wenig, und das gilt auch für die Vorgänger-Regierungen. So viele Fehler wurden gemacht, so lange Zeit. So viele doppelte Standards, so viel Verrat, so viel Korruption. Und jetzt muss sich niemand wundern, dass viele Menschen glauben: Wir brechen auseinander, wir sind keine Nation mehr!"
    Das Terrorvirus infiziert auch die Nachbarländer, Boko Haram beschränkt sich nicht mehr auf Nigeria. Immer häufiger verüben die radikalen Islamisten auch Anschläge im Norden von Kamerun. Nach dem Überfall auf eine Militärbasis kurz vor dem Jahreswechsel setzte Kamerun zum ersten Mal seine Luftwaffe ein, um Boko Haram zurückzudrängen. In der Videobotschaft warnt denn auch Abubakar Shekau den Präsidenten von Kamerun: Paul Biya werde den Terror ebenso zu spüren bekommen wie sein Amtskollege in Nigeria. Kameruns Präsident will alles tun, um seinem Land ein importiertes Drama zu ersparen. Fest steht: Ob Nigeria, Kamerun, Niger, Tschad: Boko Haram, der Ableger von Al Kaida, schielt längst auf die gesamte Region.