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Terror in Paris
Kommt der NATO-Bündnisfall?

Nach den Terrorangriffen in Paris schließen Sicherheitsexperten ein härteres Vorgehen gegen die Terrormilizen IS nicht aus. Ob dafür der NATO-Bündnisfall erklärt wird, ist fraglich. Einen solchen hatte es zuvor erst einmal gegeben.

Von Kai Küstner | 14.11.2015
    Soldaten patrouillieren durch die Straßen von Paris.
    Soldaten patrouillieren durch die Straßen von Paris. (Olivier Corsan, dpa picture-alliance)
    Frankreichs Staatspräsident Hollande spricht von einem 'Kriegsakt' – doch bedeutet die Terrorserie von Paris, dass sich damit auch das Verteidigungs-Bündnis, dem Frankreich angehört, im Krieg befindet? Automatisch auf keinen Fall: Paris müsste dafür zunächst eine NATO-Sondersitzung beantragen. Einstimmig müssten dann die Partnerländer beschließen, dass Artikel 5 greift. Das ist der wohl berühmteste Paragraf im Regelwerk der Allianz. Artikel 5 besagt: "Ein Angriff auf ein NATO-Land ist als Angriff auf alle NATO-Staaten zu verstehen."
    Entscheidung noch offen
    Auf Nachfrage, ob der Bündnisfall unmittelbar bevorstehe, schweigt man sich im Brüsseler Hauptquartier bislang aus. Doch NATO-Offizielle, die nicht genannt werden wollen, halten dies derzeit eher für unwahrscheinlich. Noch jedenfalls haben die Franzosen nicht offiziell um Beistand gebeten.
    Tut Paris dies, würde das Bündnis, schon um sich solidarisch mit dem vom Terror ins Mark getroffenen Land zu zeigen, wohl kaum seine Unterstützung verweigern. Doch in NATO-Kreisen fragt man sich, was mit einem Eingreifen des Bündnisses selbst in Syrien gewonnen wäre: Alle 28 NATO-Staaten sind auf die eine oder andere Weise bereits in den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat verwickelt – auch wenn nicht alle selber Luftangriffe fliegen wie die USA und Frankreich.
    Erst ein einziger Bündnisfall
    Der Bündnisfall wurde in der NATO-Geschichte überhaupt erst ein einziges Mal ausgerufen - nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Damals war es nicht ein Staat, der den USA den Krieg erklärte, sondern die Terrororganisation Al Kaida, die versuchte, möglichst viele Amerikaner in den Tod zu reißen. Insofern scheint die Situation von damals jener von heute zu ähneln. Die USA hatten daraufhin Afghanistan angegriffen, weil die Taliban-Regierung dort Osama bin Laden und Al-Kaida-Terroristen Unterschlupf gewährt hatte. Auch die NATO war und ist in Afghanistan engagiert.
    Viel dürfte nun auch von den Ermittlungsergebnissen abhängen und von der Frage, welche direkten Verbindungslinien sich für das Massaker von Paris nach Syrien ziehen lassen. Sicherheitsexperten schließen ein härteres Vorgehen gegen die mordenden Terrormilizen vom "Islamischen Staat" nicht aus. Ob dafür der NATO-Bündnisfall erklärt wird, ist fraglich. Spanien hatte 2004 darauf verzichtet nach den Anschlägen auf Vorortzüge in Madrid mit über 190 Toten. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hatte unmittelbar nach den Angriffen von Paris erklärt: der Terrorismus werde es nie schaffen, die Demokratie zu besiegen.