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Terrorbekämpfung auf europäischer Ebene

Die europäischen Institutionen in Brüssel und die nationalen Parlamente in den Mitgliedsstaaten haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Gesetze verabschiedet, die den Kampf gegen den Terror intensivieren sollen. In Deutschland bekam zum Beispiel das Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen bei seinen Ermittlungen. Vor allem von Einwanderern und Asylbewerbern werden mehr Informationen gespeichert als zuvor.

Von Ruth Reichstein |
    " Der Terrorismus bleibt eine ernsthafte Bedrohung, "

    sagt Gijs de Vries, seit 2004 Terrorbeauftragter des Europäischen Rates.


    " Wir haben nach den Attentaten in London im vergangenen Jahr gesehen, dass die Briten einige weitere Attentatsversuche verhindern konnten. Die Bedrohung bleibt also bestehen, und ich befürchte, dass wir noch eine ganze Weile damit leben müssen. "

    Die jüngsten Ereignisse in London sind für den Niederländer de Vries nur ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig die Koordination der Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene ist.

    " Wir sind nicht die vereinigten Staaten von Europa. Wir haben kein europäisches FBI, mit europäischen Agenten, die von Land zu Land rennen. Wir haben keine europäische CIA, wir haben nationale Polizei und nationale Geheimdienste. Aber wir können natürlich nicht erfolgreich gegen den Terror kämpfen, wenn diese Beamten nur im eigenen Land arbeiten. "

    Deshalb haben die europäischen Institutionen in Brüssel und die nationalen Parlamente in den Mitgliedsstaaten in den vergangenen Jahren zahlreiche Gesetze verabschiedet, die den Kampf gegen den Terror intensivieren sollen. In Deutschland bekam zum Beispiel das Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen bei seinen Ermittlungen. Vor allem von Einwanderern und Asylbewerbern werden mehr Informationen gespeichert als zuvor. Außerdem gibt es in der Europäischen Union immer mehr Behörden, die gegen die Terroristen vorgehen sollen. Eine davon ist Europol in Den Haag. Hier laufen alle Informationen der nationalen Polizeidienststellen und Geheimdienste zusammen. Zur Zeit unterstützen die Europolbeamten rund 20 laufende Verfahren in der Terrorbekämpfung. Dafür wurde eine eigene Anti-Terroreinheit gebildet. Die Mitarbeiter sammeln und analysieren ununterbrochen alle Informationen, die sie aus den Mitgliedsstaaten bekommen. Europol-Chef Max-Peter Ratzel:

    " Das andere ist, dass wir gelegentlich Hinweise bekommen, die relativ konkret sind. Die nicht unbedingt heißen: Meier und Müller machen morgen in Berlin am Ku'damm einen Anschlag, aber doch relativ konkret sind. Und dass wir dann über die Datenbanken bei uns Abgleiche machen und diesen Hinweis mit dem zusätzlichen Datenbankabgleich an den Staat steuern, wo wir denken, dass er hinpasst. Oder, wenn wir das nicht genau einordnen können, halt an alle Staaten steuern. Und die müssen dann kucken, ob beispielsweise bestimmte Örtlichkeiten in ihr Repertoire passen würden. "

    Ob auch bei dem jüngsten Einsatz in London Informationen von Europol geholfen haben, ist noch nicht bekannt. Nur ungern gibt Ratzel Details an die Öffentlichkeit. Zu sensibel, manchmal auch zu brisant, sind die Informationen, die in Den Haag zusammenlaufen. Noch dürfen die Europolbeamten nicht selbständig ermitteln, sondern nur eingreifen, wenn die Nationalstaaten ausdrücklich darum bitten. Das passierte zum Beispiel nach den letzten Anschlägen in London vor einem Jahr. Ein Verbindungsmann von Europol reiste sofort in die britische Hauptstadt. In Den Haag arbeiteten die Kollegen rund um die Uhr. Die Europolmitarbeiter analysierten die Bekennerschreiben und sorgten dafür, dass alle Informationen an alle anderen 24 Mitgliedsstaaten weitergegeben wurden. Doch Europol ist nur ein Beispiel für den Antiterrorkampf in der Europäischen Union. Kürzlich haben die Innen- und Justizminister die so genannte Vorratsdatenspeicherung beschlossen. In Zukunft werden alle Informationen über Handy- und Internetverbindungen mindestens sechs Monate und bis zu zwei Jahre lang gespeichert. Die Polizei kann darauf bei ihren Ermittlungen zurückgreifen. Ein weiteres, immer noch umstrittenes Instrument, ist der europäische Haftbefehl, der Auslieferungen von einem EU-Staat in den anderen erheblich vereinfachen soll. Trotz dieser Vernetzungen ist der EU-Terrorbeauftragte Gijs de Vries noch nicht zufrieden mit der europäischen Zusammenarbeit.