Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Test eines Malaria-Impfstoffs
"Mindestens 75-prozentigen Schutz erreichen"

Von einem im Feldversuch getesteten Impfstoff gegen Malaria erhofft sich der Tübinger Tropenmediziner Benjamin Mordmüller einen mindestens ein Jahr hochgradig anhaltenden Schutz. Dass dabei nun die Technik der Lebendbakterien genutzt werden könne, sei dem technischen Fortschritt zu verdanken, sagte er im Dlf.

Benjamin Mordmüller im Gespräch mit Ralf Krauter | 29.08.2017
    This female Anopheles gambiae mosquito-one of several species that can carry deadly malaria-surely used her sophisticated sniffing ability to find a place to eat. Foto: NNS /Landov dpa
    Mücke der Gattung Anopheles Gambiae, eine der vielen Arten, die Malaria übertragen kann. (picture alliance / dpa / NNS /Landov)
    Ralf Krauter: Was ist das für ein Vakzin, das Schulindern in Lambarene gespritzt werden soll?
    Benjamin Mordmüller: Der Impfstoff ist der Parasit selbst, also Plasmodium falciparum. Das ist der Parasit, der die wichtigste und vor allen Dingen in der Gegend am weitesten verbreitete Art der Malaria auslöst. Und wir benutzen den Parasiten selber in einer abgeschwächten Form als Impfstoff.
    Krauter: Wie genau wird dieser Feldversuch ablaufen? Das heißt, die Schulkinder melden sich freiwillig und bekommen das dann gespritzt?
    Mordmüller: Die Studie wird zwei Phasen haben. In der ersten Phase werden wir schauen, wie gut verträglich der in dieser Population ist von Schulkindern. Und wir werden auch ein bisschen schauen im Vorschulkindalter. Da gucken wir, ob die Ergebnisse, die wir bei erwachsenen Probanden hier in Deutschland hatten, ob wir die da von der Sicherheit und der Verträglichkeit, ob das auch genauso passt. Wenn wir dann die richtige Dosis haben und damit zufrieden sind, dann werden wir die Wirksamkeit überprüfen, in dem wir eben diese größere Gruppe von etwa 400 Kindern impfen werden. Und dann gucken, ob die vor der Malaria, die dort ja sehr, sehr häufig auftritt, beschützt sind.
    Krauter: Sie infizieren diese Kinder ja letztlich mit Malaria, geben deswegen zusätzlich noch das Medikament Chloroquin dazu, das seit Jahrzehnten bei der Malariaprophylaxe und Therapie zum Einsatz kommt. Soll das dann verhindern, dass die Krankheit tatsächlich ausbricht?
    Mordmüller: Genau. Wir haben im Prinzip drei Arme. Wir werden einen Teil der Kinder mit einem sogenannten Placebo impfen – das ist die Kontrollgruppe –, dann wird ein anderer Teil der Kinder dieses, was Sie beschrieben haben, bekommen, also quasi eine Infektion unter dem Schutz von Chloroquin. Und eine dritte Gruppe wird den Impfstoff bekommen, der durch Bestrahlung attenuiert, also abgeschwächt wird, also damit auch kein Malaria mehr auslösen kann, weil er sich nicht mehr vermehren kann. Bei dem Chloroquin, da ist das Prinzip, dass der Parasit in der Leber sich entwickeln kann. Dieses Chloroquin wirkt nur im Blut. Und der Parasit hat zuerst eine Phase von ungefähr einer Woche, in der er sich in der Leber vermehrt. Die Phase ist vollkommen harmlos und ungefährlich für jeden, der Malaria bekommt. Erst, wenn der eben ins Blut übergeht, da wird es dann eben kritisch. Und da wird dann auch die Symptome ... und die Komplikation der Malaria können da ausbrechen. Insofern, was wir machen ist, wir nutzen sozusagen den natürlichen Lebenszyklus des Parasiten aus und hemmen ihn erst da, wo er krank macht.
    Krauter: Sie haben genau zu dieser Form der Therapie im Frühjahr eine Studie veröffentlicht. Da kamen Sie zu dem Schluss, dass der nicht abgeschwächte Lebendimpfstoff in Kombination mit der Chloroquingabe bei neun von zehn Probanden zu einer Immunisierung gegen Malaria führt. Wie stehen denn die Chancen, so eine Erfolgsquote jetzt auch im echten Malariagebiet wie Lambaréné in Gabun zu erreichen?
    "Mindestens 75-prozentigen Schutz erreichen"
    Mordmüller: Wir hatten neun Probanden in der Gruppe, die dann mit der Impfung, die wir jetzt auch anwenden werden in Lambaréné, so geimpft wurden, und da waren alle geschützt. Also wir waren da selber sehr froh natürlich und auch überrascht. Das sind dann quasi 100 Prozent Schutz, allerdings ist das eben eine ganz kleine Gruppe, von der man natürlich nicht auf die ganz große Menge schließen kann. Was wir erwarten, ist, dass wir 75-prozentigen Schutz erreichen. Also das sind unsere Kalkulationen, die basieren darauf, dass wir einen mindestens 75-prozentigen Schutz erreichen. Das ist auch das, was die WHO vorgibt als - sie nennen das Prefered Product Characteristic - was sie erwarten von einem Impfstoff der nächsten Generation gegen Malaria.
    Krauter: Kann man schon sagen, wie lang dieser Schutz anhält?
    Mordmüller: Das können wir noch nicht genau sagen. Das überprüfen wir gerade hier auch in Tübingen an den Probanden, wie lange das hält. Unser Ziel ist es, dass der Schutz mindestens ein Jahr hochgradig hält. Wahrscheinlich wird er irgendwann, wie bei fast allen Impfstoffen, dann abnehmen über die Zeit. Was wir erreichen wollen, ist ein Schutz von mindestens einem Jahr, wenn es geht, natürlich länger. Was wir gesichert wissen ist, dass es auf jeden Fall drei Monate hält. Das haben wir richtig geprüft durch Kontrollinfektionen. Immunologische Untersuchungen legen nahe, dass wir das schaffen können mit dem über einem Jahr.
    Krauter: Nun ist die prinzipielle Idee, so eine Impfung auf Basis lebensfähiger, nicht abgeschwächter Malariaerreger zu probieren ja schon über 100 Jahre alt. Warum gelingt es denn erst jetzt, das tatsächlich in der Praxis erproben zu können?
    Mordmüller: Das ist im Prinzip ein technologischer Fortschritt, wie das so oft ist bei solchen Fortschritten in der Medizin, den wir da ausnutzen können. Es war bisher nicht möglich, diesen Parasiten in der Form, in der wir ihn benutzen, im Sporozoiten-Stadium – das ist das Stadium, was auch die Mücke in sich trägt – denn so aufzureinigen, dass er als Medikament gegeben erden kann. Es gibt sehr, sehr strenge Auflagen, die an Medikamente gestellt werden, wie sie hergestellt werden und wie sie präpariert werden, und wie sie dann gegeben werden, vor allen Dingen, wenn es sich um Medikamente handelt, die man parenteral, also die man irgendwie injiziert. Das war bisher nicht möglich. Das ist jetzt in den letzten Jahren möglich geworden hauptsächlich durch die Aktivitäten von Herrn Stephen Hoffman, das ist ein Malariaforscher aus den USA, der sich das auf die Fahnen geschrieben hat und eine kleine Firma gegründet hat, wo er versucht, das eben so zu machen. Vorher mussten wir Mücken benutzen, infizierte Mücken, und das war durch die Dosis, die wir geben müssen, einfach nicht praktikabel. Um einen vernünftigen Impfschutz zu bekommen, der mehr als 50 Prozent ist, muss man ungefähr tausend Mückenstiche über sich ergehen lassen, und das ist nichts, was man freiwillig macht.
    Krauter: Ja, da klingt das andere dann doch attraktiver! Wie lange wird der Test in Lambaréné laufen, und welche Antworten erhoffen Sie sich davon?
    "Die Kinder sind streng überwacht"
    Mordmüller: Also noch mal zu den Mückenstichen: Es ist wirklich bei manchen Leuten sehr schlecht verträglich. Man gibt das immer 200er-Schritten, und dann kriegt man sehr dicke Unterarme, wenn man das macht. Der Test wird etwa drei Jahre laufen. Wir wollen alle Kinder zwei Jahre mindestens nach der letzten Impfung nachverfolgen. Am wichtigsten ist uns natürlich, zu sehen, ob das sicher und gut verträglich ist. Und dann zählen wir auch die Infektionen mit Malaria. Die Kinder sind allerdings so streng überwacht – das wissen wir aus früheren Studien auch –, da wird niemand eine Komplikation oder eine schwere Malaria bekommen. Es wird aber eine Vielzahl von Infektionen geben, die zum Teil auch asymptomatisch sind. Die werden wir alle zählen und dann schauen und hoffen, dass in den Armen, in den Gruppen, die geimpft worden sind, weniger sind als die, die ein Placebo bekommen haben.
    Krauter: Welche Hoffnung setzen Sie in den abgeschwächten Impfstoff?
    Mordmüller: Wir wissen, dass der auch ganz gut funktioniert. Allerdings bisher ist die Wirkdauer, also eben genau das, was man eben will, dass es über ein Jahr da ist, die ist wahrscheinlich jetzt etwas kürzer. Und wir müssen sehr, sehr viel höher dosieren den Impfstoff. Also wir müssen sehr viel mehr von diesen Sporozoiten geben. Das liegt daran, dass der sich in der Leber auch nicht mehr ganz entwickeln kann. Der kann gerade noch die Leberzelle infizieren, aber dann stirbt er nach wenigen Tagen ab. Dadurch ist die Impfantwort/Immunantwort gegen diesen Impfstoff eben wesentlich geringer. Also wir glauben, dass das auch funktioniert, aber dass die Dosis und damit natürlich auch der Preis von diesem Impfstoff sehr viel höher sein wird.
    Krauter: Das heißt, für die große Anwendung wäre das dann vielleicht dann doch nicht so interessant.
    Mordmüller: Vielleicht in einem anderen Rahmen. Dieser andere Impfstoff, also wo man gleichzeitig Chloroquin ... oder wir untersuchen natürlich auch andere Medikamente, die man da einsetzen könnte zurzeit, das wäre eigentlich sehr, sehr gut für solche endemischen Gebiete, weil man dann gleichzeitig die schon vorhandene Malaria therapiert bei den zu Impfenden und zusätzlich diesen Impfschutz daraufsatteln kann. Das wäre eigentlich gerade für diese Region ein sehr, sehr praktischer Ansatz. Es gibt schon Überlegungen, solche sogenannten Massenbehandlungen da durchzuführen. Und das könnte man kombinieren mit solchen Interventionen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.