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Testlager in Granit

Umwelt. - Schweden hatte eigentlich beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. Doch nun gibt es Pläne für neue AKWs. Auch für den Atommüll scheint eine Lösung gefunden: Tief im Granitfelsen soll der Atommüll gelagert werden.

Von Christine Westerhaus | 09.02.2009
    Mit dem Fahrstuhl geht es auf dem schnellsten Weg hinab in das Hard Rock Labor.

    "Wir fahren von oben bis unten in 90 Sekunden."

    Über eine riesige Stahltür öffnet sich das Tunnelsystem in 340 Metern Tiefe. Eine zweispurige Straße führt hier durch den Fels. Brita Freudenthal, Mitarbeiterin der Firma, die das unterirdische Labor betreibt:

    "Der Tunnel war in 1995 fertig, so wie wir es jetzt sehen. Wir bauen noch neue Tunnel, neue Nischen und entwickeln unsere Arbeit. Wir finden: Aha, das müssen wir auch noch untersuchen, oh nein, das müssen wir auch wissen und es kommt ja immer mehr. Es ist so wie Kochen, weißt du, man lernt immer mehr, desto mehr man kocht. Wir sagen: Das ist unsere große Küche wo wir alles experimentiert."

    Die Experimente im Äspö-Labor haben ein ehrgeiziges Ziel: Der radioaktive Abfall muss mindestens 100.000 Jahre lang unbeschadet im Granit lagern können. Erst dann hat seine Strahlung so weit abgenommen, dass sie nicht mehr gefährlich ist. Die Behälter, in die der radioaktive Abfall eingeschlossen wird, müssen also so gebaut werden, dass sie Eiszeiten und mögliche Erdbeben unbeschadet überstehen. Solche Veränderungen werden im Tunnel simuliert. Auch das Verhalten des Atommülls wird nachgeahmt. Beispielsweise wird untersucht, was passiert, wenn sich Gas im Behälter ansammelt. Dies geschieht, wenn Wärme entwickelnder Abfall dort gelagert wird.

    "Wir haben hier ein Loch, es ist acht Meter tief, wo wir eine Kapsel gestellt haben und die Kapsel mit Gas gefüllt und Bentonit drum herum, ein Deckel drauf. Und dann haben wir so bleiben lassen, bis es explodiert ist, um zu sehen, was passiert dann. Und nichts ist passiert! Ich weiß, man saß dort mit Schokoladekuchen und Kaffee und wollte feiern und dann hat es "Buff" gemacht."

    Und es gab keine richtige Explosion wie die Wissenschaftler erwartet hatten. In Schweden sollen die abgebrannten Brennstäbe in Kanister mit einem inneren Eisen-Gerüst eingeschlossen werden. Die Behälter selbst sind von einer fünf Zentimeter dicken Kupferschicht umgeben. Um die Kanister vor Gebirgsbewegungen und Korrosion zu schützen, werden sie in eine Schicht aus Bentonit-Ton eingebettet. Dieses Puffermaterial bindet Wasser und quillt dabei auf. Das ist wichtig, weil Wasser der größte Feind in einem Endlager ist. Denn nur über das Grundwasser können radioaktive Partikel wieder an die Oberfläche und damit in die Nähe des Menschen gelangen. Gleichzeitig schließt Bentonit möglicherweise frei werdende Schadstoffe ein. Das soll verhindern, dass sie aus dem Endlager gelangen können. Sollten die Radionuklide doch einmal aus den Kanistern entweichen, ist es wichtig, ihren Weg durch das feuchte Gestein vorhersagen zu können. Auch dies wird untersucht.

    "Hier haben wir ein deutsches Experiment, wo man untersucht hat, wie sich radioaktive Partikel in Wasser bewegen. Wie schnell, wie hoch und wie ab bis nach unten. Man hat gefärbte Partikel ins Gestein geschossen, also richtig mit Pistole fast. So dass man sieht: Wo gehen sie hin, wie lange dauert es, wie kommen sie zurück, hängen sie an den Felsen an oder bewegen sie sich nur in Flüssigkeit."

    Die meisten radioaktiven Partikel werden an die Kristallstruktur des Felsens gebunden, gelangen also nach bisherigem Kenntnisstand nicht ins Grundwasser. Allerdings könnten auch Mikroorganismen Radionuklide mobil machen, befürchten Forscher. Professor Karsten Pedersen, Mikrobiologe am Institut für Zell- und Molekularbiologie der Universität Göteborg:

    "Mikroorganismen brauchen Vitamine und Spurenelemente wie wir, um zu überleben. Deswegen haben sie bestimmte Moleküle, die Spurenelemente für sie einfangen. Diese Moleküle könnten allerdings auch Radionuklide anstelle der Spurenelemente aufnehmen und dadurch werden die Radionuklide in Bewegung gesetzt. Sie werden dann nicht mehr vom Gestein aufgenommen, sondern bleiben im Grundwasser und werden mit ihm weggespült."

    Sollten die Bakterien tatsächlich Radionuklide aufnehmen und ins Grundwasser gelangen, könnten sie für die belebte Umwelt gefährlich werden. Bisher wissen die Forscher nur, dass die Bakterien die bindenden Moleküle unter Laborbedingungen produzieren. Ob sie es auch im Äspö-Tunnel tun, wird derzeit untersucht.