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Teufel oder Belzebub?

Umwelt. - "Gib mir einen Tanker voll Eisen – und ich gebe Dir eine neue Eiszeit!" Diesen Satz prägte der Ozeanograph John Martin von den Moss Landing Marine Laboratories in Kalifornien vor fast einem Vierteljahrhundert. Die Idee: Das Eisen düngt die Meere, das Phytoplankton wuchert und bindet dadurch Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Ob dies tatsächlich als Waffe im Kampf gegen die Klimaerwärmung taugt, darum tobt ein heftiger Streit.

Von Dagmar Röhrlich | 12.06.2008
    Rund ein Dutzend Mal sind Forschungsschiffe mit einem Vorrat an flüssigem Eisensulfat an Bord ausgelaufen, um die Ozeane zu düngen – und meistens wucherten die Algen. Die Frage ist jedoch: Sinken die Pflanzen nach dem Absterben in die Tiefsee ab und schaffen das Kohlendioxid damit für eine Weile aus dem Kreislauf Meer-Atmosphäre heraus? Oder bleiben sie in der Nähe der Oberfläche und werden dort gefressen? Dadurch wäre nichts gewonnen. Bisherige Experimente waren nicht dafür ausgelegt, dass Schicksal der Algenblüte zu verfolgen:

    "”Es sah allerdings in vielen Versuchen so aus, als ob der bei den Algenblüten zusätzlich gebundene Kohlenstoff so schnell wieder in der Atmosphäre landet, dass wir so gut wie gar keinen Effekt haben. Nur bei einem einzigen Versuch scheinen größere Mengen Plankton in die Tiefsee abgesunken zu sein.""
    Peter Croot vom IFM-Geomar in Kiel. Bekannt ist jedoch, dass bei natürlichen Algenblüten ein großer Teil des in Biomasse umgesetzten Kohlendioxids tatsächlich in der Tiefsee landet. Wo der Unterschied zu suchen sein könnte, zeigt eine Untersuchung vor den Kerguëlen–Inseln im südlichen Indischen Ozean.

    "Wir wissen, dass es in jedem Jahr vor den Kerguëlen-Inseln große Algenblüten gibt. Dort wallt nährstoffreiches Wasser auf, das Eisen aus dem Meeresboden aufgenommen hat, und dieses Eisen regt das Algenwachstum an. Bis zu diesem Punkt ist also alles wie bei einer künstlichen Algenblüte. Interessanterweise konnten wir nachweisen, dass der natürliche Prozess erstens sehr viel besser düngt und zweitens nach dem Absterben der Blüte sehr viel Kohlenstoff in tiefe Wasserschichten schafft. Der natürliche Prozess war um den Faktor zehn bis 100 effizienter als der künstliche."
    Ein Grund sei, dass die Pflanzen die anorganischen Eisenverbindungen weniger gut aufnehmen könnten, erklärt Stéphane Blain von der Université Pierre et Marie Curie in Paris. Um eine Düngung zu erreichen, würden deshalb große Mengen ins Meer gekippt. Blain:

    "Bei dem natürlichen Prozess vor den Kerguëlen-Inseln sehen wir, dass die Versorgung mit Eisenverbindungen kontinuierlich ist, dass sie sehr fein verteilt sind und von unten her zum Plankton geliefert werden, während die künstliche Düngung von oben erfolgt. Außerdem handelt es sich bei dem natürlichen Prozess um organische Verbindungen. Die kann das Phytoplankton sehr viel leichter nutzen."

    Von dem beim Phytoplankton beliebten Gemisch organischer Eisenverbindungen ist bislang nur bekannt, dass seine Zusammensetzung komplex ist. Warum genau die Algen auf das Eisensulfat aus der chemischen Industrie so viel schlechter reagieren als auf die organischen Eisenverbindungen, ist noch ein Rätsel. Solange das natürliche Geschehen nicht genau bekannt ist, scheint die Eisensulfatdüngung keine Lösung zu sein. Dazu kommen ökologische Bedenken: Im tropischen Pazifik reagierten die Ökosysteme auf die Eisengaben im experimentellen Maßstab sofort:

    "Den Ozean zu düngen, das ist, als ob man die afrikanische Savanne in einen Dschungel verwandeln würde. Schon bei unserem ersten Experiment geschah etwas sehr Auffälliges. Wir düngten einen tiefblauen Ozean, und Raubfische wie der Mahi-Mahi schwammen um unser Schiff und jagten. Aber kaum hatten wir das Experiment begonnen, explodierte das Algenwachstum und das Wasser wurde grün und trüb. Die Mahi-Mahi waren verschwunden, stattdessen waren überall Schildkröten."

    Düngt man die Meere in großem Maßstab, um den Klimawandel abzupuffern, werden sich die Veränderungen durch das gesamte Ökosystem hinauf fortsetzen.
    Die Folgen sind noch nicht einmal abzuschätzen, urteilt Ken Johnson vom Monterey Bay Aquarium Research Institute. Deshalb müssten die Forschungen weiter laufen, auch wenn viele Meeresforscher der Eisendüngung kritisch gegenüberstehen. Johnson:

    "”Weil die Menschen über das Kohlendioxid besorgt sind, werden wir darüber nachdenken müssen: Werden die Probleme übermächtig, drängt man uns einfach in die Ecke.""