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Teure Gleichberechtigung

Kurz vor Weihnachten löste ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Versicherungsbranche ein kleine Beben aus: Männer und Frauen müssen bei der Kalkulation von Versicherungsbeiträgen gleich behandelt werden. Bei den sogenannten Unisex-Tarifen werden wahrscheinlich Männlein und Weiblein draufzahlen.

Von Verena Kemna | 29.04.2011
    Bisher konnten Versicherungsmathematiker bei der Berechnung von Policen mit Stornowahrscheinlichkeiten, Kopfpauschalen und Sterbetafeln kalkulieren. Da Frauen laut Statistik etwa sieben Jahre länger leben, müssen sie in der Regel für Renten- Kranken- oder auch Unfallversicherungen mehr bezahlen als Männer. Noch, denn nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes müssen Versicherer Mann und Frau gleichstellen. Spätestens im Dezember des nächsten Jahres sollen die neuen so genannten Unisex Tarife eingeführt werden. Für die Aktuare, die Versicherungs- und Finanzmathematiker in Deutschland, der Beginn eines neuen Zeitalters. Wenn geschlechtsspezifische Merkmale als Risikofaktoren wegfallen, was soll an deren Stelle treten und mit welchen Folgen ? Es wird Gewinner und Verlierer geben, meint Michael Renz, Experte für Lebensversicherungen.

    "Eine Lebensversicherung gegen den Tod, also eine Risikoversicherung, die ist für Frauen preiswerter weil Frauen, über die gesamte Zeit gesehen, weniger häufig sterben als Männer und für Männer entsprechend teurer. Also wenn wir dort jetzt identische Rechnungsgrundlagen, also einen Durchschnitt anwenden würden, hieße das, dass die Risikoabsicherung im Todesfall für die Frauen teurer werden würde, für die Männer preiswerter. "

    Bei der privaten Rentenversicherung dagegen profitieren die Frauen. Ein Rechenbeispiel zeigt es: Bei einem Kaufpreis von 100.000 Euro würde sich nach der bisherigen, geschlechterspezifischen Berechnung für einen Mann eine monatliche Rente von etwa 700 Euro ergeben. Eine Frau dagegen würde wegen der längeren Lebenserwartung nur etwa 600 Euro Monatsrente beziehen. Fallen dagegen geschlechterspezifische Lebenserwartungen als Berechnungsgrundlage weg, kommen Männer und Frauen auf eine Monatsrente von etwa 660 Euro. Ein schlechtes Geschäft für Männer, die wahrscheinlich auf solche Produkte verzichten werden.

    Für die Versicherer eine Herausforderung, je nachdem ob mehr Frauen oder Männer zu ihren Klienten zählen.

    "Das kann zunächst mal bedeuten, dass die Tarife von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein können. Bislang war es in der Regel so, dass sie davon ausgehen konnten, dass sie als Mann oder Frau für das gleiche Risiko auch einen sehr vergleichbaren Preis gezahlt haben. Das wird sich dann schon unterscheiden und das sind genau die Schwierigkeiten, dies sich nachher in den Unternehmen für die zutreffende Kalkulation stellen. "

    Neben Mischkalkulationen wird vor allem das Alter als Risikofaktor künftig eine entscheidende Rolle spielen. Eine technisch mögliche, aber mangels verlässlicher statistischer Daten noch ungenaue Kalkulation, meint Michael Renz.

    "Wenn ich als Mann in den nächsten Monaten beabsichtige, eine Rentenversicherung zu kaufen, würde ich das jetzt tun, denn das Gesetz wirkt sich nicht auf bestehende Verträge aus. Also da gilt es, jetzt einzukaufen, die sind jetzt wirklich günstiger, die werden für Männer teurer werden. Bei der Risikoabsicherung ist es genau anders rum, da würde ich empfehlen, dass die Frauen jetzt einkaufen, also einen Kauf nicht hinaus schieben. "

    Stichtag für die neuen Unisex Tarife bei Versicherungen ist der 1. Dezember 2012.