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Teure Knochen

Fossilien sind wertvoll für Forscher. Doch zunehmend interessieren sich auch finanzkräftige Privatsammler für die seltenen Stücke. In großen Auktionshäusern wechseln Dinosaurierskelette für Millionenbeträge den Besitzer. Museen und Universitäten können da kaum mehr mithalten, die teuren Knochen sind für die Wissenschaft verloren. Wo so viel Geld zu holen ist, sorgen unseriöse Machenschaften für zusätzlichen Unmut. Gefälschte Daten, illegaler Fossilienhandel und nachgebaute Versteinerungen sind im "Geschäft mit der Urzeit" an der Tagesordnung.

Von Michael Stang | 01.05.2008
    Paris, im Auktionshaus Christies. Eric Mickeler schlendert in der marmornen Vorhalle hin und her. Von allen Seiten betrachtet er das Prunkstück der anstehenden Versteigerung, einen nahezu vollständigen Triceratops.

    "”It’s very cheap.”"

    Ein dreihörniger Riese mit imposantem Nackenschild, 7,5 Meter lang und vier Meter hoch. Der Dinosaurier aus der Kreidezeit füllt fast den ganzen Raum. In wenigen Wochen soll er für gutes Geld versteigert werden.

    "”Nein, das ist wirklich ein Schnäppchen. Wissen Sie, es ist erst der zweite Dinosaurier, der überhaupt bei einer Auktion versteigert wird. So einen guten Preis bekommen Sie nirgends auf der Welt. Sein Markwert liegt noch viel höher, bei über einer Million Euro. Und hier gibt es ihn für unter eine Million. Die Schätzung liegt gerade einmal bei rund 500.000 Euro. Das ist deutlich unter einer Million.""

    "Teure Knochen
    Das Geschäft mit der Urzeit
    Von Michael Stang"

    "Yes, I am Mr. Geneste."

    Éric Geneste – weißes Jackett und Bluejeans - stützt sich auf einen Gehstock mit silbernem Griff. Das edle Stück ist für den Franzosen eher Statussymbol als Gehhilfe. Er steht in einem Kellerraum im Untergeschoss des Auktionshauses Christies in Paris – eine Etage unterhalb des Triceratops. Hier lagern knapp 200 Fossilien, Meteoriten und Mineralien. In wenigen Wochen sollen sie für spektakuläre Summen den Besitzer wechseln. Geneste:

    "”Sehen Sie sich zum Beispiel diesen Fisch an. Wenn Sie heute so etwas in Italien finden, wandert dieses Fossil direkt in den Tresor einer nationalen Behörde, so selten und wertvoll sind diese Exemplare. Man kann als Privatsammler heute nur noch Stücke kaufen, die im 18. oder 19. Jahrhundert entdeckt wurden, bei heutigen Funden ist so etwas unmöglich.""

    Einige der Fossilien stammen aus der berühmten norditalienischen Fundstätte Monte Bolca. Heute greifen dort Denkmalschutzverordnungen. Die sorgen dafür, dass wichtige Fossilien nicht einfach wie Kunst verkauft werden. Frühere Funde macht das umso wertvoller. Versteinerte Fische, deren Wert auf weit über 100.000 Euro geschätzt wird, stehen hier nahezu beiläufig im Holzregal. Daneben Ammoniten, Trilobiten, das Skelett eines Höhlenbären, eine Bernsteinsteinsammlung. Geneste:

    "Schauen Sie sich das an. Wir haben auch viele Dinosauriereier. Das hier stammt von Titanosaurus, die sind äußerst selten. Sehen sie sich die Schale an, einfach perfekt. Hier klebt noch der alte Zettel drauf, auf dem steht "Sphere mysterieuse", mysteriöser Ball. Damals wussten die Menschen noch nicht, dass es ein Dinosaurier-Ei ist, es ist sehr ungewöhnlich.”"

    Das Dinosaurierei ist kaum größer als eine Bowlingkugel und soll bei der Versteigerung 20.000 bis 30.000 Euro bringen. Sein Besitzer trennt sich gerne von dem seltenen Stück, schließlich sind die Preise für Fossilien in den vergangenen Jahren geradezu explodiert.

    "”The market makes the prize!”"

    Der Markt bestimmt den Preis, sagt die für diese Versteigerung zuständige Auktionatorin Sylvie Robaglia. In Zeiten schwankender Aktienkurse und zunehmender Rezessionsangst mutiert der Fossilienmarkt zu einem Geldmarkt mit beachtlichen Wachstumschancen. - Eine Entwicklung mit Risiken.

    Fossilienfälschen für Anfänger - Heute: eine Fischechse. Kosten: 10 Euro. Verkaufswert: 50 Euro. Material: Speckstein, Leim und Sprühlack. Am besten ein geeignetes Foto als Vorlage verwenden. Die Knochen einzeln schnitzen oder als Relief freilegen. Dabei an logische Größenverhältnisse denken! Alles auf eine Steinplatte kleben und mit dunklem Sprühlack färben. Noch mit grobem Werkzeug "Präparationsspuren" erzeugen. Fertig! Achten Sie beim Verkauf darauf, dass Ihr Käufer nicht vom Fach ist.

    Wo Geld oder Ruhm im Spiel ist, liegen unlautere Mittel nicht fern. Und deshalb ist auch die Paläontologie seit ihren Anfängen nicht nur für spektakuläre Fossilien bekannt, sondern auch für spektakuläre Fälschungen. Berühmtestes Beispiel: die so genannten Würzburger Lügensteine. Geschnitzt aus Muschelkalk machten die Reliefe Anfang des 18. Jahrhunderts Furore, weil damals noch niemand wusste, wie organische Materialien versteinern: eine Spinne im Netz oder eine Biene im Anflug auf eine Blüte - aus heutiger Sicht plumpe Betrügereien. Aber nicht nur Unwissenheit erleichtert Fälschern ihr Spiel, sagt der Leiter des Senckenbergmuseums in Frankfurt, Bernd Herkner.

    ""Es ist so, dass die meisten Fehler von Leuten, die ein Fossil kaufen, gemacht werden, ist einfach der, dass der Fossilienhändler diesen Fund spektakulär darstellt, einzigartig darstellt. Die Chance, da jetzt den ganz großen Wurf zu kriegen, vernebelt da offensichtlich die klare Denkweise."

    Blindem Enthusiasmus unterliegen vor allem Privatpersonen. Herkner:

    "Häufig kommen Besucher zu uns, die irgendetwas gekauft haben bei Auslandsreisen und das sind manchmal komplett gefälschte Fossilien oder auch zusammengesetzte Fossilien. An diese Leute kann man natürlich so etwas viel leichter loswerden als an ein Museum."

    Je spektakulärer, seltener, wissenschaftlich bedeutender, größer und vollständiger ein Fossil ist, desto mehr muss der Käufer auf den Tisch legen. Selbst angebliche Zertifikate, die die Echtheit des Fossils belegen sollen, werden gefälscht. Herkner:

    "Deswegen muss man natürlich aufpassen, von wem man seine Expertise holt."

    Auch das Senckenbergmuseum bekommt regelmäßig zweifelhafte Offerten. Dabei sind Trends unverkennbar. Da sich etwa nach der Öffnung Chinas die dortige Paläontologie rasant entwickelte und seitdem regelmäßig spektakuläre Funde der Fachwelt präsentiert werden, kommen seit ein paar Jahren vermehrt auch manipulierte Stücke von dort. Bernd Herkner selbst wurde in Frankfurt ein solches Stück über einen Händler angeboten.

    "Das Fossil sah erst einmal interessant aus, es sollte eine Mixtur aus Vogelmerkmalen und Dinosauriermerkmalen sein, war ungefähr 60 bis 80 cm groß, also ein recht kleines Tier. Wäre spektakulär gewesen von der Merkmalzusammensetzung, und nachdem wir das Röntgenbild gesehen haben, haben wir gesehen: Das ist eine Mixtur von verschiedenen Fossilien, aber auch heutigen Tierknochen und war im Prinzip alles Fake."

    Obwohl diese Fälschung erst im Röntgenbild aufflog, war sie für Bernd Herkner und seine Kollegen noch relativ leicht zu enttarnen. Der Grund: der Aufwand für eine Fälschung muss immer in Relation zum Erlös stehen. Herkner:

    "Aber es ist so, dass auf dem Markt das wirklich etwas anders ist wie auf dem Kunstmarkt. Es geht nicht um die Beträge, in den seltensten Fällen geht es um Millionen Beträge, eher geht es vielleicht mal um 1000, 2000, 3000, 4000 Euro, selten um mehr."

    Da bislang kein finanzkräftiger Markt für Fossilien existierte, blieben die meisten Fälschungen amateurhaft. Dafür lohnte sich ein großer Fälscheraufwand einfach nicht. - Dies könnte sich jedoch bald ändern. Herkner:

    "Wenn ein Fälscher sich mehr Zeit nehmen würde, könnte man natürlich auch das so hinkriegen, dass auch ein Wissenschaftler vielleicht gefoppt wird dabei, das kann durchaus sein."

    In Paris will das Auktionshaus Christie’s mit der bevorstehenden Versteigerung die Preisspirale für spektakuläre Versteinerungen weiter kräftig nach oben drehen. Alle Objekte – allen voran der Triceratops im Obergeschoss - tragen mittlerweile eine Nummer, erzählen Sylvie Robaglia und Éric Geneste. Links im ersten Regal stehen die preisgünstigen Objekte, sie kommen in wenigen Tagen als erstes unter den Hammer. Nummer eins bis zehn sind Ammoniten, versteinerte spiralförmige Schalen ausgestorbener Kopffüßer, die mit den heutigen Kalmaren verwandt sind. Der Schätzwert bewegt sich zwischen 1200 Euro bis 15.000 Euro. Rechts im Regal warten in schuhkartongroßen Vitrinen filigrane Trilobiten. Einige der fossilen Dreilappkrebse "klettern" auf einem Stück Felsen. Die dünnen Beinchen der 400 Millionen Jahre alten Tiere sind makellos erhalten. Sie stammen alle aus russischen oder marokkanischen Steinbrüchen – behaupten zumindest die gewichtigen Dokumente. Geneste:

    "”Es ist perfekt, ein absolut perfektes Fossil. Wir haben es sogar mit ultraviolettem Licht untersucht, um eventuelle Klebe- oder Bruchspuren aufzudecken, aber da ist nichts, es ist perfekt.”"

    Bevor die Fossilien zur Auktion zugelassen wurden, musste neben der Klärung der Besitzverhältnisse sichergestellt werden, dass die Fossilien überhaupt verkauft werden dürfen. Auch wurden die Stücke selbst unter die Lupe genommen und auf ihre Echtheit überprüft - Éric Geneste kann nicht verhehlen, dass er und seine Kollegen erheblich unter Druck stehen.

    "”Bei so einer Versteigerung erwarten die Leute natürlich etwas Besonderes. Wir müssen immer spektakulärere Stücke bieten, die alle Erwartungen übertreffen. Und wir haben es wieder geschafft. Vergangenes Jahr waren die Käufer schon aus dem Häuschen. Was meinen sie, wie es dieses Jahr wird, wenn sie den vollständigen Triceratops zu sehen bekommen? Das ist unglaublich.”"

    Dabei besteht das Skelett des Triceratops nur zu etwa 70 Prozent aus Originalknochen. Die fehlenden 30 Prozent wurden mit Kunstharz ergänzt, allerdings so, dass man die vervollständigten Stellen nicht erkennen kann - Der Schein bleibt gewahrt. Solche Ergänzungen müssen natürlich korrekt deklariert sein und deshalb hat Éric Geneste alle Stücke daraufhin überprüfen lassen. Allerdings, so räumt er ein, waren die Kriterien weniger hart als in der Wissenschaft üblich. Seine Käufer sähen ihr ersteigertes Prunkstück eher als Statussymbol denn als Belegexemplar für eine Evolutionshypothese. In Europa sind Fossilienversteigerungen noch etwas völlig Neues. Mit dem Triceratops steht erst zum zweiten Mal überhaupt ein ganzer Dinosaurier zum öffentlichen Verkauf. 1997 wurde das Skelett eines T-Rex namens Sue verkauft. Der größte und vollständigste Raubsaurier, der je gefunden wurde, wechselte damals für 8,36 Millionen US-Dollar den Besitzer. Mithilfe privater Sponsoren – unter anderem durch eine amerikanische Filmproduktionsfirma und einen Hamburgerbrötchenproduzenten - gelang es dem Chicago Field Museum, diese Summe aufzubringen. Und so blieb Sue der Wissenschaft erhalten statt in den Tiefen einer Privatsammlung zu verschwinden.

    Fossilienfälschen für Fortgeschrittene - Heute: ein Trilobit. Kosten:100 Euro. Verkaufswert: 500 bis 5.000 Euro. Material: mehrere Original-Trilobiten nebst Bruchstücken. Zudem Gips und Kunstharz. Modellieren Sie an die echten Körper zuerst filigrane Beine und aufwendige Hörner, diese sind fast nie erhalten. Tiere auf einen Untergrund kleben, damit das Fossil in einer Bewegung aufgefangen wird. Merke: je vollständiger und spektakulärer das geschönte Fossil ist, desto höher liegt sein Verkaufswert. Lassen Sie Bruchspuren erkennbar, damit der Trilobit nicht zu perfekt wirkt. Sonst schöpft der Käufer Verdacht.

    "Wir hatten mal Trilobiten angeboten gehabt und zwar Stielaugentrilobiten und die sahen wunderbar aus. Jetzt ist es aber so, dass natürlich diese Stielaugen bei den fossilen Trilobiten sehr leicht abbrechen, entweder bei der Bergung oder schon vorher, das heißt also, wenn ich so eine Struktur wunderbar erhalten habe, dann greife ich zumindest mal zur Lupe und guck das an, ja? Und wenn dann der entsprechende Verkäufer sehr selbstsichere Miene macht, dann greift man mal zum Feuerzeug, ja? Wenn das nämlich Kunststoff ist, wird diese Miene sich sehr schnell verdunkeln."

    Solche Beispiele kennt Eberhard Frey zu Genüge: ergänzte oder auch vollständig gefälschte Fossilien. Da die Gewinnspanne deutlich höher liegt, wenn besondere Strukturen erhalten sind, wird bei fehlenden Partien gerne mit allen möglichen Mitteln und Materialien nachgeholfen, sagt der Leiter der zoologischen Abteilung des Naturkundemuseums in Karlsruhe. Frey:
    "Die meisten Fälschungen sind mit Kunststoff oder mit Gips gemacht. Gips ist ja ein dankbares Material, weil es sich gut schnitzen lässt, aber hauptsächlich werden Kunststoffe benutzt, die mit Gesteinsmehl versetzt werden, damit sie röntgendicht werden. Da werden Epoxidharze benutzt, es werden Epoxidpasten benutzt, Fimo wird benutzt. Also diese Knetmasse, die beim Backen hart wird. Alles, was sich gut formen und schneiden lässt."

    Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sogar feinste Farbunterschiede oder winzige Veränderungen auf der Oberfläche versteinerter Knochen, die eine natürliche Porosität zeigen sollen, gibt es mittlerweile. Frey:

    "Die guten Fälscher kriegen das hin."

    Um die Manipulation trotzdem zu entdecken, unterzieht Eberhard Frey das Objekt verschiedenen Tests.

    "Dann fasse ich es an. Fühlt sich das wärmer an als das ein Stein tut? Wie ist die Porosität? Wenn ich da kratze, was kommt drunter heraus? Und da gibt’s wirklich so gute, dass wenn man da kratzt, da kommt so Gesteinsmehl raus, ja? Aber wenn man dann beim Kratzen gleich riecht, kann es sein, dass man dann noch Epoxid oder Polyester riecht. Und das ist manchmal nicht so einfach. Oft kann man es nur überprüfen, wenn man ein Stück abschlägt. Am Bruch sieht man sofort, ob das ein Stein oder ein Kunststoff ist. Und wenn es gar nicht bricht, ist es sowieso Kunststoff."

    Um aufwendig präparierte Fossilien zu enttarnen, reichen Lupe, Hammer, Feuerzeug und Mikroskop nicht mehr. Bei Stücken, für die mehrere Zehntausend oder sogar Hunderttausend Euro verlangt werden, werden mittlerweile aufwendige Untersuchungsmethoden wie Röntgenanalysen hinzugezogen. So konnten schon mehrfach professionelle Fälschungen enttarnt werden, etwa das angebliche Fossil eines Urpferdchens aus der Grube Messel bei Darmstadt. Frey:

    "Das war ein röntgensicheres Urpferd, wo also die Knochenfüllungen mit Gesteinsmehl so röntgendicht gemacht wurden, dass die im Röntgen wirklich als Skelett zu sehen waren. Sehr, sehr viel Aufwand. Die Fälschung war schon fast mehr wert als ein echtes. Geplatzt ist die Geschichte, weil die Zähne keine Wurzeln hatten. Weil die kann man nicht hineinmachen hinterher."

    Kriminelle Handlungen im Fossilien-Business nehmen zu – neben Fälschungen gibt es auch widerrechtliche Aneignungen, - mancher Fossiliensammler zahlt für spektakuläre Stücke jeden Preis. Frey:

    "Raubgräberei ist durchaus ein reelles Risiko, das gibt also Fossiliensammlergruppen, die kennen da nichts. Die sprengen sich durch die Fundstellen durch, gehen mit großem Gerät rein, zerstören dabei viel Material, nur um ein paar wenige, teure Sachen oder Raritäten zu finden."

    Die zunehmende kriminelle Energie macht den Forschern zu schaffen. Und es ist nicht ihr einziges Problem. Je höher sich die Preisspirale dreht, desto eher ziehen Museen und Forschungsinstitute den Kürzeren. Das Naturkundemuseum Karlsruhe kann da mit seinem Jahresbudget von 5000 Euro für Fossilienankäufe nicht wirklich mithalten. Damit der Wissenschaft nicht noch weitere Versteinerungen verloren gehen, halten sich die Paläontologen wie Eberhard Frey an eine ungeschriebene Regel:

    "Es gibt nämlich auch das Beispiel, dass Privatleute sagen ‚Oh, das ist eine neue Art, kannst Du die mal beschreiben?’ Und dann wird die neue Art beschrieben und ist die gleich doppelt so teuer wie vorher, weil es ist ein Papier dabei. Deshalb gibt es eine goldene Regel "Keine Stücke beschreiben, die nicht offiziell im Museum liegen."

    Damit soll sichergestellt werden, dass sämtliche in der Wissenschaft beschriebenen Fossilien für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Manche der neu entdeckten Fossilien gehen dann der Wissenschaft zwar auch verloren, haben für finanzstarke Privatsammler aber nicht den großen Reiz.

    Zurück in Paris im Auktionshaus Christies.

    "”My name is Fleur de Nicolay and I am a specialist of the sale of Natural history on April 16th.”"

    Fleur de Nicolay ist – wie alle Christie's-Mitarbeiter – sehr gespannt, welche der zu versteigernden Fossilien Höchstpreise erzielen werden. Alles misst sich an dem Erfolg aus dem vergangenen Jahr. Damals wurden zum ersten Mal überhaupt in Europa Fossilien versteigert, darunter auch ein vollständiges Mammut. De Nicolay:

    "”Die erzielten Preise waren verrückt. Beispielsweise wurde ein Mineral – ein Achat – für 50.000 Euro versteigert, weil zwei Bieter es unbedingt haben wollten. Es gab viele Überraschungen, etwa dass das Mammut für über 300.000 Euro wegging. Schließlich nimmt es doch sehr viel Platz ein, wenn man es zu Hause irgendwo hinstellen will. Ich denke, dass auch dieses Jahr wieder viele Leute kommen werden, allein wegen des Triceratops.”"

    Dass bei einer privaten Auktion auch Fossilien versteigert werden, die damit der Wissenschaft verloren gehen, sieht Fleur de Nicolay nicht als Problem:

    "Es ist doch eine öffentliche Versteigerung, bei der jeder mitbieten kann, das gilt natürlich auch für Museen. Sie können sogar ein Vorkaufsrecht erwerben und bei der Versteigerung sagen ‚Das Gebot ist für das Museum für Naturgeschichte’. Natürlich waren die Gebote beim letzten Mal enorm und vor allem die französischen Museen konnten nicht mitbieten, aber vielleicht haben sie dieses Jahr ja mehr Geld zur Verfügung.”"

    Mehr Geld, mehr Bieter - das ist das Ziel von Christies. Der Sprung von Amerika nach Europa ist geschafft. Ähnliche Auktionen auch in anderen europäischen Ländern will der Pressesprecher nicht ausschließen. De Nicolay:

    "”Ich denke, wir werden erst einmal langsam mit der jährlichen Auktion in Paris fortfahren und dann die Ergebnisse abwarten, aber prinzipiell ist alles möglich.”"

    Nicht nur Trilobiten seien der Wissenschaft wohlbekannt, sondern auch große Dinosaurier wie der Triceratops. Kein Grund also für die Wissenschaft, laut aufzuschreien oder gar von einem Ausverkauf der Wissenschaft zu sprechen, sagt Éric Geneste. Außerdem profitiere die Wissenschaft sogar von dieser Entwicklung. Geneste:

    ""Ich glaube, man muss zwei Sachen im Auge behalten. 1. es ist ein öffentlicher Verkauf. Alle Museen wissen Bescheid, was verkauft wird. Zum zweiten können die Museen natürlich mitbieten. Sie können sich einfach Sponsoren suchen und das Fossil ersteigern. Und dann gibt es noch einen dritten Punkt: Wir sprechen hier von Transparenz und offener Marktwirtschaft. Museen können wie jede Privatperson Stücke kaufen und auch wieder verkaufen. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Das ist doch eine eindeutige Verbesserung.”"

    Zudem profitiere die Wissenschaft auch von dieser Entwicklung, auch wenn Museen und Forscher das bislang noch nicht einsehen wollen, sagt Sylvie Robaglia.

    "”Bislang gibt es noch keinen privaten Markt für Fossilien außerhalb der Museen. Private Sammler sind daher kaum motiviert, wertvolle Fossilien zu sammeln. Museen wollen das nicht vermischen, sondern ihre Führungsposition behalten."

    Geneste:

    "Wenn man Fossilien haben möchte, muss man Ausgrabungen machen. Mit den finanziellen Mitteln eines Museums dauert so etwas Jahre. Öffnen sich jedoch alle einem freien Markt, geht es schneller. Private Sammler schätzen dann den Wert wichtiger Fossilien und graben vorsichtig, denn sie sehen ihren Profit. Wenn auf der ganzen Welt alle Privatsammler ihre Stücke zum Verkauf anböten, das wäre doch großartig für die Wissenschaft. Und auch die Sammler und Museen würden profitieren. Wenn dieser Markt aber nicht existiert, gibt es gar nichts.”"

    Profiteure sehen anders aus.

    ""Also, wir haben ungefähr 100.000 Einzelstücke, wenn man das zählt."

    Rainer Schoch – schwarze Jeans und dunkles Hemd - verbringt einen Großteil seiner Zeit im Keller des Stuttgarter Naturkundemuseums. Neu sind lediglich die langen Reihen mit Archivschränken, das Mobiliar dagegen wirkt zusammengewürfelt und ähnlich fossil wie Schochs Sammlung. Doch darüber will er sich nicht beklagen:

    "Die deutschen Museen haben relativ viel Geld noch, aber trotzdem ist das nichts im Vergleich zu dem, was zum Beispiel ein Scheich in den Emiraten hat oder ein japanischer Börsenmakler oder was auch immer, also alles Leute, die ja natürlich auch sammeln und die einfach viel mehr Geld aufbieten können und die damit natürlich auch die Preise in die Höhe treiben."

    Der Paläontologe verfolgt die Preistreiberei schon seit langem mit Sorge. Öffentliche Einrichtungen können immer häufiger nur noch zusehen, wenn wichtige Funde an solventere Käufer gehen. Schoch:

    "Der größte Raubdinosaurier, der bisher gefunden wurde, der ist in einem privaten Museum in Arabien gelandet und der ist also für die Wissenschaft nicht zugänglich."

    Aber nicht nur das beunruhigt Rainer Schoch. Wo es auf der einen Seite Fossilien gibt, die die Forscher nicht haben können, tummeln sich auf der anderen Seite Fossilien, die sie nicht haben wollen. Gefälschte Versteinerungen schaffen es manchmal unerkannt bis in die Fachliteratur. Schoch:

    "Das kommt vor, keine Frage. Das ist sicher nicht der Normalfall, aber es kommt vor und wir sind da aber als Paläontologen immer sehr zuversichtlich, denn alles, was man braucht, um so etwas zu klären, sind neue Funde und deswegen sind also auch solche Rätsel letzten Endes auflösbar."

    Auf Dauer setzen sich Fälschungen in der Forschung nicht fest, doch ein Störfaktor sind sie allemal. In Paläontologenkreisen kursiert der Spruch "Stammbäume sind wie Blumensträuße – hübsch anzusehen, doch schnell verwelkt". Mittlerweile werden Fossilien gezielt ausgegraben, so dass sich strittige Theorien nur selten auf ein einzelnes Fossil stützen, das im schlimmsten Fall eine Fälschung sein könnte. Dabei geht es nicht nur um komplette Fälschungen. Schoch:

    "Fälschen fängt viel früher an. Das fängt eigentlich ganz banal an. Man findet ein Teilskelett, da fehlt ein bisschen was an der Wirbelsäule, dann ist die Hemmschwelle nicht so hoch, Wirbel einfach zu ergänzen beispielsweise, allein um das Stück schöner zu machen."

    Die Gesetzgebung ist dabei nicht sonderlich hilfreich. Selten werden Fälschungen juristisch geahndet, denn oft wurde der Händler selbst betrogen. Und nicht einmal dieselben Gesetze gelten überall. Das fängt in Deutschland schon auf föderaler Ebene an: In einigen Bundesländern ist die Suche nach Fossilien verboten, in anderen wiederum erlaubt. Schoch:

    "In Baden-Württemberg gibt es ein Denkmalschutzgesetz, das auch die Fossilien betrifft, und da ist es so, dass vor allem eben Saurierfossilien als schützenswert gelten, das ist ein Gesetz, das in den 70er Jahren in Kraft getreten ist und das vorschreibt, dass Wissenschaftler wichtige Saurierfunde prüfen müssen."

    Findet ein Sammler ein Fossil, muss er es in Baden-Württemberg von einem Sachverständigen wie Rainer Schoch untersuchen lassen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. a) der Fund ist wissenschaftlich uninteressant. Dann kann der Finder sein Stück behalten und es gegebenenfalls auch verkaufen. b) der Fund fällt unter das so genannte Schatzregal. Schoch:

    "Ein Fund, der unter das Schatzregal fällt und von uns als wissenschaftlich herausragender Fund erkannt wird, der gehört dem Land und muss in einer öffentliche Sammlung letzten Endes untergebracht sein, das kann zum Beispiel sein das staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart, das kann das Karlsruher Museum sein, das kann die Universitätssammlung in Tübingen sein."

    Diese harte Regelung hat sich in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren als effektives Mittel gegen Raubgräberei und illegalen Fossilienhandel erwiesen. In anderen Bundesländern dagegen gibt es nach wie vor einen regelrechten Ausverkauf wichtiger Fossilien, weil jeder nach Lust und Laune suchen und verkaufen kann. Schoch:

    "Deutschland ist sicher eines der Länder, in dem sehr viele Fossilien gefunden werden, die ins Ausland verkauft werden. Es ist nicht immer legal, es ist nur sehr schwer, das nachzuweisen im Einzelfall."

    Fossilienfälschen für Profis – Heute: ein Urpferdchen. Kosten: 5000 Euro. Verkaufswert: mehrere 10.000 Euro. Material: Originalknochen aus der Grube Messel, zudem Epoxidharze, Polyester und Gesteinsmehl. Viele Originalknochen im Verbund lassen. Poröse Knochen mit Kunststoff tränken und alles auf eine Platte aufziehen. Ergänzen Sie fehlende Knochen mit dem professionellen Füllmaterial und vermengen sie dieses mit Gesteinsmehl - das macht das Fossil röntgendicht. Anschießend alles aufwendig kolorieren. Fertigen sie noch ein Röntgenbild in niedriger Auflösung an, bei dem man das Knocheninnere nur schwer auf seine Echtheit überprüfen kann. Fertig!

    Paris, 16. April 2008. Knapp 200 Fossilien, Mineralien und Meteoriten werden versteigert – zu Höchstpreisen. Der Schädel eines Mosasauriers aus Marokko kommt für 34.000 Euro unter den Hammer, er wurde vorab auf 20.000 Euro geschätzt. Frey:

    "Also die Teuerungsrate bei Fossilien macht uns natürlich, wenn wir ankaufen wollen, schwer zu schaffen. Ich würde sagen, kein deutsches Institut allein kann es sich erlauben, den fossilen Archaeopteryx zu kaufen, der komplett erhalten ist mit Federn, weil der Preis, der Handelswert einfach absurd hoch ist und es keine Töpfe für uns gibt, so etwas anzukaufen."

    Ein makelloser Mammutschädel samt Stoßzähnen, der im aufgetauten Permafrost Sibiriens entdeckt wurde, wechselt für 64.000 Euro den Besitzer. Die Auktionatoren hatten ihn vorab auf 30.000 Euro geschätzt. Ob unter den versteigerten Stücken Fälschungen sind, ist nicht eindeutig geklärt – deshalb auch nicht ausgeschlossen. Frey:

    "Die Fälscherei rentiert sich eigentlich nur, wenn es um Raritäten geht, wo wirklich mit einem Satz viel Geld rumkommt."

    Die versteinerten Überreste eines seltenen Exemplars eines Korallenfisches aus Italien bringen 70.000 Euro. Herkner:

    "In dem Moment, in dem es in Privatbesitz ist, haben wir keinen Zugang mehr, da gab es also auch schon spektakuläre Fälle, wo auch Fossilien verschwunden sind und die dann nie wieder zugänglich gewesen sind, an denen man als Wissenschaftler gerne noch weiter dran gearbeitet hätte. Das ist natürlich ein Verlust oft für die Wissenschaft."

    Ein 33 Zentimeter hohes und zwei Kilogramm schweres Ei eines ausgestorbenen Riesenvogels wird für 70.000 Euro versteigert. Die Schätzung lag bei 25.000 Euro. Schoch:

    "Natürlich blutet einem das Herz, wenn man das sieht."

    Das Vorzeigestück der Fossilienversteigerung am 16.April 2008, das zu 70 Prozent original erhaltene, 7,5 Meter lange und vier Meter hohe Skelett eines Triceratops wird die Überraschung des Tages: Der Dinosaurier findet keinen Käufer. Das einzige Gebot kommt anonym und liegt unter dem Mindestgebot. Doch Christies verhandelt hinter den Kulissen weiter. Einen Tag später, am 17. April, gehört der dreihörnige Riese einem US-amerikanischen Privatsammler. Überweisen wird er dafür 500 000 Euro.