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Teure Nachtruhe

Keine Flüge zwischen 23 Uhr und 5 Uhr am Frankfurter Flughafen - so hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Das Urteil wird primär die Fluggesellschaften belasten. Gesamtwirtschaftlich bleiben die Auswirkungen eher gering.

Von Brigitte Scholtes |
    Die wirtschaftlichen Folgen des Nachtflugverbots in Frankfurt muss man differenziert betrachten. Denn nicht alle sind gleichermaßen betroffen, sagt Eric Heymann, Luftverkehrsexperte der Deutschen Bank Research:

    "Für die betroffenen Unternehmen bedeutet das eine dauerhafte Anpassung an diese neue Situation, das heißt, die Fluggesellschaften, die bislang auf Flüge in der Nacht gehofft haben, müssen sich nach anderen Flughäfen oder anderen Transportmöglichkeiten umschauen. Und für den Flughafen selbst bedeutet das nun Rechtssicherheit, dass die Situation nun auch so beschlossen ist, wie sie in den letzten Monaten ohnehin schon vorzufinden war. Gesamtwirtschaftlich ist das etwas, was für Deutschland insgesamt in jedem Fall wenig Auswirkungen haben dürfte."

    Am stärksten wird die Lufthansa die wirtschaftlichen Auswirkungen zu spüren bekommen. Entsprechend spricht Lufthansa-Chef Christoph Franz auch von einem schweren Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eines der größten Drehkreuze Europas werde nun im internationalen Wettbewerb zurückfallen. Lufthansa transportiert 80 Prozent seiner Fracht von Frankfurt aus – und das nicht nur in reinen Frachtmaschinen, sondern den größten Teil im Laderaum von Passagierflugzeugen. Dieser Wettbewerbsvorteil werde zwar jetzt schrumpfen, hatte Finanzvorstand Stefan Gemkow Mitte März gesagt:

    "Aber Frankfurt ist deutlich effizienter als andere Frachtstandorte, insbesondere deswegen, weil wir ja den Zusammenhang zwischen den Frachten in den Passagierflugzeugen und den Frachtern haben. Und diesen Zusammenhang auseinanderzureißen ist deutlich schädlicher als sich im Wachstum zu beschränken."

    Das Nachtflugverbot werde die Lufthansa 40 Millionen Euro jährlich kosten, hatte das Unternehmen vorgerechnet.

    Für den Flughafen selbst ist ein anderer Aspekt des Leipziger Urteils wichtig: Stefan Schulte, der Vorstandschef des Flughafenbetreibers Fraport, hält es für "eine gute Entscheidung für den Luftverkehrsstandort Frankfurt". Denn mit dem Urteil ist auch der eigentliche Ausbau des Flughafens höchstrichterlich bestätigt worden. Das Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr müsse nun akzeptiert werden. Für den Flughafen seien Nachtflüge nicht so wichtig, meint auch Jochen Rothenbacher von Equinet:

    "Aus Sicht des Flughafens selbst sind die Nachtflüge nicht besonders profitabel und damit auch nicht besonders wichtig für die ökonomische Entwicklung des Flughafens an sich."

    Geld verdienen Flughäfen nämlich weniger mit den Gebühren, die sie von den Fluggesellschaften kassieren, als vielmehr mit dem Einzelhandelsgeschäft.

    Neben den Frachtflügen sind vor allem Charterflüge vom Nachtflugverbot betroffen, erklärt Eric Heymann von der Deutsche Bank Research.

    "In diesen Tagesrandzeiten hat man im Sommer gern Flüge angeboten, um zum Beispiel mehrere Umläufe einer Maschine gewährleisten zu können. Wenn das jetzt nicht mehr möglich ist, werden sich die betreffenden Fluggesellschaften entweder auch nach anderen Flughäfen umschauen müssen oder andere Flugrouten, also ihr Flugangebot ändern müssen. Für den klassischen Linienverkehr sind die Auswirkungen hingegen relativ limitiert."

    Den Rang als Deutschlands größte Arbeitsstätte mit 75.000 Beschäftigten wird Frankfurt durch das Urteil wohl nicht verlieren.

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