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Schäfer-Gümbel hofft auf sechsstündige Nachtruhe am Frankfurter Flughafen

Der hessische SPD-Landesvorsitzende, Thorsten Schäfer-Gümbel, geht davon aus, dass in Leipzig heute zugunsten der Nachtruhe am Frankfurter Flughafen entschieden werde "und der fortgesetzte Wortbruch der Landesregierung damit auch gestoppt wird". Grundsätzlich müsse in Zukunft mehr für den aktiven Lärmschutz getan werden.

Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit Silvia Engels | 04.04.2012
    Silvia Engels: Dürfen Nachts am Frankfurter Flughafen Maschinen starten und landen und wenn ja, in welchen zeitlichen Grenzen? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig muss heute genau diese Frage entscheiden. Die CDU/FDP-geführte hessische Landesregierung hat geklagt, die Flughafenbetreiber hoffen darauf, in der Nacht fliegen zu dürfen, und die Gegner wollen am liebsten ein noch strengeres Nachtflugverbot.
    Der hessische Ministerpräsident Bouffier will sich erst nach dem Urteil heute Vormittag äußern und am Telefon begrüßen wir deshalb gerne den hessischen SPD-Landesvorsitzenden und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Guten Morgen!

    Thorsten Schäfer-Gümbel: Schönen guten Morgen!

    Engels: Welches Urteil wünschen Sie sich denn heute vom Bundesverwaltungsgericht?

    Schäfer-Gümbel: Nun ja, genau das, was sich eben im Vorbericht schon angedeutet hat, dass zunächst die Nachtruhe am Frankfurter Flughafen so, wie es damals das Verfahren der Mediation vorgesehen hat, durchgesetzt wird und der fortgesetzte Wortbruch der Landesregierung damit auch gestoppt wird.

    Engels: Sechs Stunden absolute Nachtruhe würde das heißen. Nun hat sich ja der künftige Oberbürgermeister von Frankfurt, Peter Feldmann von der SPD, auch damit überraschend durchsetzen können, weil er sich sogar für acht Stunden Nachtruhe eingesetzt hat. Ziehen Sie da mit?

    Schäfer-Gümbel: Es war eines von vielen Themen, die Peter Feldmann stark gemacht hat und damit sicherlich auch seinen Erfolg begründet hat. Wir haben uns aber von Anfang an auf das Mediationsergebnis konzentriert und auch verständigt, weil wir ja auf der anderen Seite auch den Airlines, die ja auch Akteur sind, sagen müssen, wie ihre Rahmenbedingungen sind. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, die Mediationsnacht gilt, und es muss in den beiden Nachtrandstunden, also zwischen 22 und 23 Uhr und zwischen fünf und sechs Uhr, eine klare Entlastungssituation geben. Das scheint, das Bundesverwaltungsgericht jetzt auch so zu sehen. Das ist natürlich ein guter Tag, wenn es so käme. Wir werden allerdings genau hinschauen müssen, was das Gericht heute wirklich beschließt.

    Engels: Aber zeigt nicht der ja wirklich überraschende Sieg von Peter Feldmann bei der Oberbürgermeisterwahl von Frankfurt für die SPD, dass man mit einer Positionierung gegen Flughäfen und für mehr Nachtruhe Wahlen gewinnt, weil die Bürger das wollen?

    Schäfer-Gümbel: Das wesentliche Thema von Peter Feldmann war das des sozialen Zusammenhalts. Er hat das an verschiedenen Themen deutlich gemacht und er hat auch das Thema Frankfurter Flughafen zum Thema gehabt. Es gibt wirklich eine Vielzahl von Themen, die zu diesem Erfolg geführt haben. Das ändert nichts daran, dass es eine enorme Belastung für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bereichen, die durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens betroffen sind, gibt. Deswegen hat es natürlich auch eine Rolle dabei gespielt. Sie müssen aber gleichzeitig sehen, dass wir natürlich auch nur das umsetzen können, was vorentschieden wurde, und jetzt muss man klar sehen: das Verwaltungsgericht in Kassel hat den Planfeststellungsbeschluss und die darauf aufbauende Betriebsgenehmigung ausdrücklich positiv beschieden. Das heißt, es gibt dort auch Rechte dritter, und da können sie nicht einfach so tun, als gäbe es das Urteil nicht. Deswegen ist die Position, die man vielleicht politisch vertreten kann, 22 bis sechs, nicht einfach umsetzbar, zumal es Konsequenzen für den Flughafen haben würde, für das Betriebskonzept. Man kann zu der Position kommen. Wir haben uns aber von Anfang an darauf konzentriert, dass der einmal gefundene Kompromiss – und Sie müssen ja sehen: da ist ein jahrelanger Dialog vorher in der Region gewesen, der zum Mediationsergebnis geführt hat mit seinen fünf Eckpunkten, Ja zum Ausbau, Ja zur Nachtruhe, aktiver Lärmschutz, passiver Lärmschutz und regionaler Dialog -, dass dieses Paket nicht einfach auflösbar ist, und das ist etwas, was wir sowohl in Richtung der Airlines formulieren als auch in Richtung der Bürgerinitiativen. Das zentrale Problem ist, dass dieses Mediationsergebnis, das Versprechen an die Region, was kommt an Entlastung mit dem Ausbau, dass genau dieses Paket zum Start der Landebahn nicht umgesetzt wurde. Auch deswegen gibt es die Verärgerung in der Region.

    Engels: Nun bemängeln ja auch viele Anwohner in Frankfurt am Main, dass die Lärmbelästigung durch die neue Start- und Landebahn Nordwest, die Sie auch angesprochen haben, viel stärker angestiegen sei, als die Experten ursprünglich vermutet hatten. Muss da die Politik, muss da nicht auch die SPD bereit sein nachzubessern?

    Schäfer-Gümbel: Also wir haben im hessischen Landtag durchgesetzt, gemeinsam dann am Ende auch mit Union und FDP und Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei, also einmütig, dass es vor dem Hintergrund auch der neuen Erkenntnisse aus Gesundheitsstudien eine Gesundheitsstudie für die Gesamtlärmbelastung in der Region gibt. Das ist eine Studie, die ist insgesamt auf fünf Jahre angelegt, die im ersten Jahr noch vor dem Ausbau war, die zeigen soll, welche Veränderungen es gibt, damit man auf dieser Grundlage nachsteuern kann. Sie müssen ja objektive Kriterien auch dafür haben, wenn sie in einen Rechtsrahmen eingreifen, und deswegen stellen wir uns der Situation sehr wohl und wir haben auch gesagt, diese Studie muss jetzt konsequent vorangetrieben werden, und wir haben auch gesagt, wir müssen ein Zwischenergebnis bekommen dieser Studie, um möglicherweise früher nachsteuern zu können, weil wir natürlich nicht das einfach laufen lassen möchten.

    Engels: Was halten Sie von der Diskussion, die ja auch läuft, dass man generell in Deutschland niedrigere Grenzwerte für die Höhe der Lärmbelästigung durch Fluglärm festlegen sollte?

    Schäfer-Gümbel: Wir müssen erstens mal im Luftverkehrsrecht festlegen, dass Lärm eines der wesentlichen Kriterien in der Abwägung wird für alle Infrastrukturentscheidungen. Das ist ja im Moment kein gleichrangiges Kriterium. Das ist ja ein Teil des Problems. Und zweitens muss klar sein, dass jede technische Möglichkeit genutzt wird, Lärm zu reduzieren. Deswegen ist ja auch schon im Mediationsergebnis gesagt worden, dass das Thema aktiver Schallschutz, also die Frage An- und Abflugverfahren, die Frage der Flugrouten, die Frage auch der Triebwerkstechnologie, die Frage der Gebührensysteme an den Flughäfen, dass laute Flugzeuge deutlich teurer sein müssen als leisere, um damit auch Stück für Stück die lauteren Maschinen von den Flughäfen zu verbannen, dass all diese Maßnahmen umgesetzt werden müssen, und das ist ein Teil genau dessen, was wir jetzt einfordern, dass aktiver Lärmschutz stattfindet.

    Engels: Aber keine gesetzliche Regelung?

    Schäfer-Gümbel: Wir werden ganz sicherlich jetzt im Rahmen der Fluglärmkommission – das ist ja auch angekündigt – noch mal genau gucken müssen, wie kann denn ein Abbaupfad für die Gesamtbelastung aussehen. Wir haben bisher dazu keine Zahlen genannt, weil wir gesagt haben, wir wollen keinen politischen Wettbewerb um diese Zahl, sondern wir wollen aus der Fluglärmkommission konkrete Hinweise, welche Abbaupfade kann es denn geben, was ist technisch möglich, damit wir zu diesen Entlastungen kommen – real und nicht einfach nur angekündigt. Das ist ja wiederum eines der großen Probleme in der Region, dass viel erzählt wird, was alles kommen kann, aber es anschließend nicht gemacht wird.

    Engels: Herr Schäfer-Gümbel, gehen wir einmal etwas weg von Frankfurt. Dort, aber auch in anderen Großstädten, sei es jetzt Berlin, München, Köln, ist der Widerstand gegen die Lärmbelästigung durch Flughäfen generell stark angestiegen in den letzten Jahren. Ist künftig der Ausbau von Großflughäfen in der Nähe dicht besiedelter Gebiete überhaupt noch politisch umsetzbar?

    Schäfer-Gümbel: Wir werden sicherlich an eine harte Grenze kommen – dessen, was ausbaufähig noch ist -, und zwar nicht nur aus Gründen des Lärmschutzes, das hat insgesamt mit der Frage auch von Strukturwandel zu tun. Das gilt übrigens nicht nur für Flughäfen. Sie haben beispielsweise an stark befahrenen Bahntrassen mindestens das gleiche Problem. Wir haben eine sehr aktuelle Diskussion zum Mittelrhein-Tal und der Belastung aus dem Schienenverkehr dort. Das heißt, insgesamt wird die Sensibilität zum Thema Lärm höher. Das ist auch erst einmal gut so, damit das Augenmerk auf Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes auch verstärkt wird.

    Engels: Thorsten Schäfer-Gümbel, der hessische SPD-Landesvorsitzende und Fraktionschef. Vielen Dank für das Interview heute Morgen.

    Schäfer-Gümbel: Gern geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.