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Teure Sturmfluten und grüne Dächer

Mehr Dürren und Hitzewellen, heftigere Stürme und Niederschläge, häufigere Überschwemmungen. Wie man sich für diese Folgen des Klimawandels rüsten kann, besprechen knapp 800 Fachleute auf dem 1. Europäischen Kongress über Klimaanpassung.

Von Frank Grotelüschen | 19.03.2013
    Das Jahr 2080. Durch die globale Erwärmung ist der Meeresspiegel um fast 40 Zentimeter gestiegen. Die Folgen sind drastisch: Sturmfluten fallen heftiger aus, verheerende Überschwemmungen drohen. Welche Schäden wären für die Küsten der Europäischen Union bei diesem Szenario zu befürchten? Das wollte das Team um die englische Umweltingenieurin Sally Brown herausfinden, und zwar im Rahmen eines EU-Projekts namens ClimateCost.

    "Wir haben uns sämtliche Küstenregionen in der EU angeschaut und für jede Region analysiert, welche Schäden in der Zukunft durch heftigere Überflutungen entstehen könnten. Im Mittelpunkt standen Küstenstädte und Gebiete, die tiefer liegen als der Meeresspiegel, und die deshalb besonders gefährdet sind."

    Wie hoch dürften die Schäden im Jahr 2080 sein, wenn man keine neuen Maßnahmen gegen den Anstieg des Meeresspiegels ergreift? Wenn man weder die Deiche erhöht noch neue Sperrwerke baut und auch die Küstenerosion stoppt? Genau das haben die Experten nun erstmals abgeschätzt.

    "Für die Küsten der EU legen unsere Ergebnisse nahe, dass um das Jahr 2080 zusätzliche Schäden von bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr auf uns zukommen. Wenn wir uns aber mit geeigneten Maßnahmen schützen, dürfte sich diese Summe deutlich verringern, auf drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr."

    Doch was werden höhere Deiche und neue Sperrwerke kosten? Bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr, meint Brown – was manchen Experten aber viel zu niedrig gegriffen scheint. Sowieso: Die Studie enthält, so sagen auch ihre Autoren, diverse Unsicherheiten: So könnte der Meeresspiegelanstieg geringer ausfallen als 40 Zentimeter, aber auch höher, Pessimisten rechnen mit einem Meter. Und dann würden die Überflutungsschäden gegen Ende des Jahrhunderts sogar auf 150 Milliarden Euro steigen, wohlgemerkt pro Jahr.

    Doch nicht nur die Küsten, auch unsere Städte dürften immer stärker unter dem Klimawandel leiden. Hier aber können durchaus auch kleine Anpassungsmaßnahmen helfen, meint Väinö Nurmi, Umweltforscher am Meteorologischen Institut in Helsinki. So könnte man Dächer, insbesondere Flachdächer, verstärkt mit Gras oder Moos bepflanzen.

    "Begrünte Dächer können das Mikroklima in den Städten regulieren. Gerade im Sommer kann es hier wegen der dichten Bebauung ein paar Grad wärmer sein als auf dem Lande. Gerade bei Hitzewellen kann das schlimme Folgen haben. Begrünte Dächer haben hier einen kühlenden Effekt. Außerdem halten sie bei starken Regenfällen einen Teil des Wasser zurück und verhindern so eine Überflutung der Kanalisation."

    Auch für den Hausbesitzer bringt ein begrüntes Dach ein paar Vorteile mit sich: Es dämmt Schall und Wärme, senkt Heizkosten und verlängert die Lebensdauer zumindest von einfachen, mit Dachpappe belegten Flachdächern. Nur: Inwieweit lohnt sich das Ganze? Schließlich ist ein begrüntes Dach deutlich teurer als ein einfaches Flachdach. Nurmi hat sich in einer Kosten-Nutzen-Rechnung versucht. Das Resultat:

    "Der Nutzen für den Hausbesitzer ist nicht sehr groß. Die Kosten sind höher als die Einsparungen, die er durch geringere Heizkosten und längere Haltbarkeit erzielt. In Zahlen heißt das: Pro Quadratmeter kostet die Dachbegrünung 50 bis 60 Euro, aber sie spart dem Hausbesitzer nur 30 bis 40 Euro. Nehmen wir dann aber die Vorteile hinzu, die die Gesellschaft von der Dachbegrünung hat, etwa für die Luftqualität, das Mikroklima und den Regenwasserrückhalt, könnte sich die Begrünung von Dächern als gute Investition erweisen."

    Diese Rechnung aber geht nur auf, wenn man viele grüne Dächer in einer Stadt hat. Und das, sagt Nurmi, wäre wohl nur zu erreichen, wenn man die Dachbegrünung künftig mit öffentlichen Geldern fördert.