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Teurer essen

Ein Lebensmittelgeschäft in der westpolnischen Provinzstadt Jälena Gura. Eine Kundin wählt aus dem reichen Angebot in der Wursttheke. Eigentlich ist der Laden auch eine gute Adresse für Fleisch, doch in der Fleischtheke liegen gerade einmal zwei einsame Hühnchen. Schuld daran ist nicht ein unerwarteter Ansturm von Kundschaft, wie die Leiterin des Geschäfts erklärt.

Von Matthias Rumpf |
    Also Frischfleisch geht derzeit überhaupt nicht. Die Preise sind so gestiegen, das die Leute kaum noch etwas kaufen. Da lohnt es sich nicht Fleisch anzubieten.

    Im Einkaufszentrum am Stadtrand gibt es noch Fleisch. Doch auch hier machen die meisten Kunden einen Bogen um die Fleischtheke. Vor allem Rindfleisch ist seit dem EU-Beitritt knapp und deshalb extrem teuer geworden.

    Wir verkaufen viel weniger, es ist alles zu teuer. Das fängt an beim Filet, da sind die Preise um fast 100 Prozent gestiegen.

    Auch die Preise für Schweinefleisch sind seit der Erweiterung um ein Fünftel gestiegen. Insgesamt sind Lebensmittel nach Angaben des polnischen Statistikamts im Juni gegenüber Juni 2003 um mehr als acht Prozent teurer geworden.

    Kein Wunder, dass seit dem EU-Beitritt auch Polen seine Teuro-Debatte hat. Die Lebensmittelpreise sind seit Wochen Dauerthema in den polnischen Medien. "Wo ist das Fleisch?" fragte unlängst das Magazin Polityka in einer Titelgeschichte und machte die Deutschen und alten EU-Staaten für das knappe Angebot und die hohen Preise verantwortlicht. Eine Theorie, der sich viele Verbraucher anschließen.

    Ich denke, es stimmt, was die Zeitungen schreiben, dass Händler aus der EU und vor allem aus Deutschland, direkt von den Bauern das Vieh kaufen und für uns nichts mehr übrig bleibt.

    Ich glaube, wenn man einem gemeinsamen Wirtschaftsraum beitritt, dann müssen sich die Preise angleichen. Die Preise von Rind und Schweinefleisch in den alten EU-Ländern waren höher als in Polen und jetzt kommt die Anpassung.

    Sagt der Präsident des Bauernverbandes in Jälena Gura, Wuadißwaf Piaßetzki. Er muss sich gegen den Vorwurf wehren, polnische Bauern würden sich auf Kosten der Verbraucher bereichern. Denn schon fordern polnische Politiker die Bauern auf, ihre Produkte nicht mehr an Ausländer zu verkaufen. Doch große Einkaufstouren deutscher Viehhändler hat es bislang nicht gegeben. Stattdessen entwickelt sich seit Anfang Mai ein Handel auf Gegenseitigkeit. Matthais Kohlmüller von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle in Berlin.

    Also Fleisch gelangt auch von deutscher Seite auf den polnischen Markt, speziell bieten deutsche Fleischvermarkter Verarbeitungsfleisch und Fleischabschnitte in Polen sehr lukrativ an und somit haben sich die Warenströme insgesamt internationaler ausgerichtet.

    Die großen Fleischimporte aus Polen sind dagegen bisher ausgeblieben. Lediglich zu Probeschlachtungen hätten einige Schlachthöfe Rinder gekauft. Mit der Qualität sei man aber nicht zufrieden gewesen. Für Kohlmüller haben die hohen Fleischpreise in Polen ganz andere Gründe.

    Zum einen sind die Bestände teilweise dramatisch abgebaut worden. In den vergangen Jahren war die Schweine und die Rinderhaltung wenig lukrativ für die Erzeuger. Es haben sich zudem die Futtergetreidepreise überproportional erhöht, bedingt durch eine sehr geringe Getreideernte im letzten Jahr und demzufolge haben viele Tierhalter mit der Produktion aufgehört beziehungsweise die Produktion zurückgefahren.

    Die Polen müssen also vor allem deshalb so viel für ihr Steak und ihr Schnitzel bezahlen, weil es sich für die Bauern nicht lohnte, mehr Fleisch zu produzieren. Das dürfte sich mit den hohen Preisen nun ändern. Für den örtlichen den Bauernfunktionär Wuadißwaf Piaßetzki ist es deshalb noch zu früh für ein abschließende Bilanz

    Die Bauern haben davon in den ersten zwei Monaten nach dem Beitritt profitiert, aber wie sie wissen, um Vieh zu züchten braucht man zwei Jahre, erst dann wird sich der Markt anpassen und dann können wir die Auswirkungen der EU-Erweiterung beurteilen.