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Teurer Spaß

Wenn das Stadtsäckel leer ist, ist Kreativität gefragt. Im Klartext: Neue Geldquellen müssen her. Einige Städte setzen auf eine "erweiterte Vergnügungssteuer", die Prostituierte zahlen sollen. Ein Vergnügen ist das wohl nicht. Die Steuer einzutreiben allerdings auch nicht.

Von Ilka Platzek |
    Auf dem Dortmunder Straßenstrich sind die Preise für sexuelle Dienstleistungen im Keller. Seit der EU-Osterweiterung konkurrieren dort Bulgarinnen und Rumäninnen mit deutschen Prostituierten. Die Freier wissen das und drücken die Preise frei nach dem Motto: "Geiz ist geil". Da schlägt die Nachricht von der Sexsteuer, wie sie im Volksmund heißt, wie eine Bombe ein. Chantal, eine Deutsche mit langjähriger Berufserfahrung, klagt:

    "Ich bin eine der wenigen Frauen, die noch mit Schutz arbeitet und ich stehe manchmal zwei bis drei Stunden, bis ich mal 'ne 20-Euro-Tour kriege. Wenn ich dann sechs Euro plus die zehn Euro fürs Finanzamt zahle, dann bleiben mir noch vier Euro übrig. Ich gehe manchmal nach Hause, da habe ich nichts, keinen Einzigen. Für mich wäre das eine Katastrophe, das sage ich ehrlich."

    Zwei Bulgarinnen, die sich Gabi und Anna nennen, sind ebenfalls entsetzt.

    "Schlecht, nicht gut. Ich denke, in einem Monat andere Stadt gehen arbeiten, nicht hier."

    Mit dieser Aussage bestätigt die junge Frau die Befürchtungen der Dortmunder Hilfsorganisationen, die sich um die Prostituierten kümmern: Wer bisher nicht gezahlt hat, wird es auch in Zukunft nicht tun, glaubt Andrea Hitzke von der Mitternachtsmission. Klubs und Prostituierte, die ihre Einnahmen versteuern, wären also im Nachteil gegenüber den Schwarzarbeitern im Gewerbe.

    "Die Folge wäre, dass die Betriebe hier wegbrechen, die ordentlich arbeiten. Und die ein Bollwerk darstellen zu den Leuten, die eher im Dunkeln arbeiten und die eben nicht kooperieren. Die auch Menschenhandel betreiben oder die in den Bereich der organisierten Kriminalität gehören möglicherweise."

    Bei der Hilfsorganisation Kober, die sich um die Frauen auf dem Straßenstrich kümmert, gibt es noch andere Befürchtungen. Elke Rehpöhler rechnet vor, dass für 25 Arbeitstage dann jeden Monat 400 Euro Steuern fällig wären. Zehn Euro pro Tag fürs Finanzamt, sechs Euro für die Stadt. Die müssen erst einmal erwirtschaftet werden. Sie macht sich insbesondere Sorgen um die Kleinverdienerinnen unter ihren Schützlingen, die sich bisher ums Steuerzahlen gedrückt haben:

    "Da werden die sechs Euro richtig wehtun. Frauen, die ihren Lebensunterhalt mit der Prostitutionstätigkeit so bestreiten konnten, konnten davon leben, nicht große Sprünge machen. Dafür waren sie unabhängig und mussten nicht von irgendwelchen Ämtern abhängig sein. Dass da sich das vielleicht gar nicht mehr lohnt und viele Frauen dann auch im Arbeitslosengeld-II-Bezug landen."

    In Dortmund gibt es seit 2002 einen runden Tisch, der die Prostitution in der Stadt regelt. Bei Bedarf setzen sich Vertreter der Stadt, der Hilfsorganisationen und der Polizei mit Bordellbesitzern und Prostituierten zusammen, um aktuelle Probleme zu erörtern. Hier haben sich die Hilfsorganisationen für die Einkommenssteuer ausgesprochen. Schließlich seien Huren ganz normale Freiberufler und viele würden bereits Steuern zahlen. Die städtische Vergnügungssteuer lehnen sie allerdings ab. Elke Rehpöhler begründet das so:

    "Ich finde das sehr zynisch, weil Prostitution ist eine berufliche Tätigkeit und da Vergnügungssteuer draufzuschlagen, finde ich so nicht in Ordnung. Macht man bei anderen beruflichen Tätigkeiten ja auch nicht."

    Der Rat der Stadt ließ sich von solchen Einwänden nicht beirren. Am 1. August trat die neue Vergnügungssteuersatzung in Kraft. Gezahlt hat bisher aber noch niemand, denn die Umsetzung ist aufwändig und zunächst einmal muss investiert werden. Georg Bollmann ist Leiter des Stadtsteueramts und - wenn man so will - der Sexsteuer-Beauftragte. Er stellt gerade vier Mitarbeiter ein, die im Innen- und Außendienst über die Steuermoral der Klubs und Prostituierten wachen sollen.

    "Wir rechnen mit Personal- und Sachkosten in der Größenordnung von 200.000 Euro und mit Einnahmen von rund 750.000."

    Bordellbetriebe und Huren, die ihr Gewerbe angemeldet haben, werden zuerst zur Kasse gebeten. Prostituierte, die bisher schwarzgearbeitet haben, sind aber auch nicht vor den Kontrolleuren sicher. Gerade dann nicht, wenn sie Werbung machen.

    "Da bieten Zeitungen und das Internet hervorragende Plattformen. Und der Außendienst geht dann raus und kontrolliert gezielt vor Ort die Erkenntnisse, die wir da gewonnen haben. Er kontrolliert auch zu unterschiedlichen Zeiten den Straßenstrich, ob die Damen und Herren, die dort arbeiten, bei uns schon bekannt sind. Sind die nicht bekannt, werden sie registriert."

    Klubbesitzer müssen dann mitteilen, wie groß ihre Gewerbefläche ist. Prostituierte, wie viele Tage sie im Monat arbeiten. Wer nicht antwortet, bekommt irgendwann Besuch vom Kontrolleur. Nur der Straßenstrich bereitet ihm etwas Sorgen: Dort ist die Fluktuation groß. Unter den vermuteten 600 Steuerpflichtigen sind viele Osteuropäer, die kaum Deutsch sprechen und weder lesen, noch schreiben können. Georg Bollmann vom Stadtsteueramt weiß das:

    "Wir haben natürlich Informationsblätter erstellt, in acht Sprachen, die wir ausgeben können. Hat natürlich wenig Sinn, wenn die Dame oder der Herr Analphabet ist."

    Bollmann ist sich darüber im Klaren, dass etliche Huren und Stricher einfach die Stadt wechseln und sich den Kontrollen entziehen werden. Aber: Dortmund ist nicht die einzige Stadt, die die Vergnügungssteuer erhebt. In Köln gibt es sie schon lange, in vielen anderen Städten wird sie gerade eingeführt - auch in anderen Bundesländern.

    "Die Steuer wird im Endeffekt überall erhoben werden, denn die Städte, die die Steuer nicht erheben, könnten dann ja zum Mekka der Prostitution werden und das wird die Stadt dann mit der Einführung einer solchen Steuer zu verhindern versuchen."