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Teurer Wein aus billigen Trauben

Eine besondere Lage, gute Trauben und die Kunst des Winzers - das macht einen Spitzenwein aus, Genießer lassen sich den guten Tropfen gern etwas kosten. Extrem günstige Sonderangebote sollten misstrauisch machen. In Italien geht die Staatsanwaltschaft gegen Weinhersteller vor, die billige Massenware aufgepeppt und für wenig Geld unter großen Namen verkauft haben sollen.

Von Thomas Migge |
    Ein Morellino die Scansano, ein tiefroter, gehalt- und charaktervoller Wein, der im Süden der Toskana gekeltert und abgefüllt wird. Er besteht aus den Morellinotrauben, die zu den Sangiovese-Trauben zählen. Kein billiger Tropfen: die richtig guten Jahrgänge kosten mindestens 30 Euro. Umso erstaunlicher, dass man in italienischen Supermärkten einen vermeintlich echten Morellino di Scansano schon für 2,99 Euro kaufen kann. Wie ist das möglich? Carlo Vetrinelli, ein toskanischer Winzer, auch er baut Morellinotrauben aus, wundert sich nicht mehr über diesen, so seine Worte, "Billigfusel mit großem Namen”:
    "Wie kann der Konsument so einen Wein akzeptieren. Der müsste sich doch denken, dass es bei so einem Preis nicht mit richtigen Dingen zugehen kann. Dafür muss man kein Weinexperte sein. Dieses norditalienische Unternehmen schleuderte für lächerlich niedrige Preise die ganz bedeutenden Namen auf den Markt. Darunter auch Brunello di Montalcino, Barolo und verschiedene berühmte Prosecco-Marken. Das Käuferpublikum scheint voll auf diese extrem preiswerten Markenweine abzufahren."
    Was jetzt, nach Bekanntwerden der jüngsten Ermittlungsergebnisse, nicht mehr der Fall sein dürfte. Die Staatsanwaltschaft im norditalienischen Pordenone, unterstützt von Kollegen aus dem apulischen Taranto, ist den illegalen Tätigkeiten des weinabfüllenden Unternehmens "Nuova commerciale srl” in Ovada, in der Provino Alessandria, auf die Spur gekommen. Dieses Unternehmen füllt jedes Jahr rund 65 Millionen Liter Wein in Flaschen ab. Wein, so die Ermittler, der in ganz Italien aufgekauft wird; zu Niedrigpreisen und von Winzern, die einen Rebensaft produzieren, der keine großen Qualitätsansprüche erfüllt. Dazu Patrizia Leonardi, Sommelierè und Weinfachfrau in Rom:
    "Hier in der römischen Innenstadt finden Sie diesen Pansch-Wein in verschiedenen Supermärkten, denn der Verbraucher muss sich darüber klar sein, dass zum Beispiel ein Barolo, eine Spitzenwein wie die großen Produkte aus dem Bordeaux, nicht für 3 Euro zu haben sein kann. In drei Fällen ermittelt ja die Polizei bereits gegen dieses Unternehmen in Ovada, das anscheinend jahrelang, ohne irgendwelche Kontrolle, seinen Fuselmix abfüllen und verkaufen konnte. Deshalb kann ich nur empfehlen, Weine in Fachhandlungen zu kaufen, denn sie beteiligen sich nicht an diesem Betrugssystem."
    Die Flaschen der von dem Unternehmen in Ovada abgefüllten Weine erhielten Etiketten mit großen Namen. Hauseigene Experten scheinen für geschmackliche Abstimmungen der aus ganz Italien zusammengekommenen Weine gesorgt zu haben, um in etwa, andeutungsweise natürlich nur, einen Barolo, einen Brunello di Montalcino oder andere Spitzenweine zu kreieren. In diesen Tagen wurden die Ermittlungsergebnisse der Polizeiaktion mit Namen "Prosecco sicuro”, sicherer Proseccowein, bekannt. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass "Nuova commerciale srl” auch Pinot- und Prosecco-Perlweine abfüllte, die weder im Geschmack noch in der Traubenzusammensetzung etwas mit den bekannten Aperitiftropfen gemein haben. Die gefälschten Pinots und Proseccos gingen zu einem Großteil über die Alpen, auch nach Deutschland. Wohin genau und wer diesen Fusel in Deutschland vertreibt, ist noch unbekannt.

    Das Unternehmen "Nuova commerciale srl” verteidigt sich gegen die Vorwürfe der Polizei. Man habe nicht gewusst welche Weine jene Winzer lieferten, mit denen man Verträge ausgehandelt hatte. Eine Argumentation, meint Winzer Carlo Vetrinelli, die vollkommen unglaubhaft ist:
    "Es ist erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit unter uns Winzern dieser Skandal weckt. Das kann ich mir gar nicht erklären, denn bekannt wurde ja auch, dass dieses Unternehmen in Ovada Brunello- und Barolo-Weine als Spitzentropfen im Ausland verkauft. Da zahlten Kunden bis zu 50 Euro für die Weinfälschungen und werden sicherlich nach dem Genuss sehr enttäuscht gewesen sein. Das ist schon eine sehr ärgerliche Geschichte."
    Auch für jene Winzer, die sich darum bemühen große Qualität zu produzieren, und die dann am meisten unter dem Betrug leiden: denn Umfragen zufolge sind immer weniger Italiener dazu bereit, viel Geld für Spitzenweine auszugeben, weil sie ja nicht wissen, was sich tatsächlich in den teuren Flaschen befindet.