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Teures Extremwetter

Wetter.- Das Sturmtief Xynthia machte es am Sonntag zu einem gefährlichen Unterfangen, vor die Tür zu gehen. In den vergangen Jahren sind Unwetter wie dieses häufiger geworden. Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen berichtet im Interview vom Extremwetter-Kongress in Bremerhaven.

04.03.2010
    Monika Seynsche: Sonntagnachmittag fegte das Sturmtief Xynthia über Europa hinweg und forderte alleine in Deutschland sieben Todesopfer. Ob nun Xynthia, Kyrill vor drei Jahren oder der Hurricane Katrina 2005 – in den Medien häufen sich Berichte über solche Extrem-Wetterereignisse und der wirtschaftliche Schaden der selben steigt. Mein Kollege Frank Grotelüschen ist für uns auf dem Extremwetter-Kongress in Bremerhaven. Herr Grotelüschen, warum werden eigentlich diese Extremwetter-Ereignisse immer teurer?

    Frank Grotelüschen: Sie werden wirklich immer teurer. 2005 zum Beispiel lagen die wetterbedingten Schäden bei rund 180 Milliarden Euro. Und das ist das vier-, fünf-, sechsfache im Vergleich etwa zu den 60er-Jahren. Aber Hauptgrund ist nicht etwa, dass die Anzahl oder die Heftigkeit von diesen extremen Wetterereignissen dramatisch gestiegen ist in den letzten Jahrzehnten. Der Hauptgrund ist ein anderer: und zwar ist die Menschheit anfälliger geworden, aus mehreren Gründen. Zum einen sind die Bevölkerungszahlen drastisch gestiegen. Es gibt also immer mehr Menschen, die geschädigt werden können. Dann hat die Urbanisierung zugenommen, also immer mehr Menschen leben zusammengeballt in Metropolen und wenn dann eine Wetterkatastrophe mal zufällig so einen Ballungsraum trifft, dann sind die Schäden natürlich extrem. Dann ist ja auch der allgemeine Wohlstand gewachsen, es stehen also sozusagen mehr Werte in der Gegend rum, die bei einem Sturm zum Beispiel in die Brüche gehen können. Ja und dann hat die Technisierung ja auch zugenommen - in den 60er-Jahren zum Beispiel gab es kaum Computer und heute hat ja quasi jeder einen PC. Und wenn heute ein Blitz in ein Rechenzentrum einschlägt, dann können buchstäblich auf einen Schlag Millionenwerte dahin sein. Also Schäden durch extreme Wetterereignisse sind vor allem deshalb gestiegen, weil unsere Gesellschaft schlicht anfälliger geworden ist.

    Seynsche: Heißt das denn, dass die Zahl der Extremwetter-Ereignisse gar nicht zugenommen hat?

    Grotelüschen: Es scheint doch aufgrund des Klimawandels eine leichte Zunahme zu geben, aber das ist regional sehr unterschiedlich. Nimmt man mal die Stürme: da verzeichnen die Experten global gesehen in den letzten Jahren durchaus mehr Stürme, aber in Europa und auch in Deutschland hat die Zahl der Stürme gar nicht zugenommen. Etwas klarer sieht es bei der Temperatur aus. Die ist in den letzten 100 Jahren ja wegen der globalen Erwärmung um ein knappes Grad gestiegen. Da ist dann schon die eine oder andere Hitzewelle mehr zu beobachten – man denke an den Hitzesommer 2003. Aber auch hier gibt es erhebliche regionale Schwankungen. Nehmen wir einfach mal diesen Winter. In Deutschland haben ihn ja relativ viele Leute als Extremwinter empfunden, als frostig und kalt. Im globalen Mittel aber war der Januar zum Beispiel außergewöhnlich warm, etwa in Kanada und Sibirien. Also alles in allem sehen die Experten zwar einen globalen Trend, dass extreme Ereignisse zugenommen haben, aber für Region muss man dann doch genauer hinschauen.

    Seynsche: Wie sieht es denn in der Zukunft aus? Was erwarten die Experten da? Nehmen die Extremwetter-Ereignisse dann zu?

    Grotelüschen: Also die Antwort fällt nicht einheitlich aus, denn da muss man wirklich zwischen verschiedenen Wetterextremen unterscheiden, also zwischen Dürren auf der einen Seite zum Beispiel und Stürmen und Starkregen auf der andern. Klar scheint eines: Es wird mit der globalen Klimaerwärmung deutlich mehr Hitzewellen geben. Und zwar gerade in den Städten, also wo die Gebäude ja die Hitze speichern und wo es oft ein paar Grad wärmer ist als im Umland. Also da wird die Zahl der Sommertage deutlich steigen. Und da sollte man auch schon heute Vorkehrungen treffen. Da appellieren die Klimaexperten an die Stadtplaner: Baut die Städte nicht zu dicht und nicht zu voll, lasst Platz für Grünflächen und Wasserflächen, sonst könnten die Sommertemperaturen in den Städten unerträglich werden in Zukunft. Aber unklar dagegen ist, wie sich das mit den Niederschlägen und den Stürmen entwickeln wird. Also manche Experten sagen, dass wir durchaus mit mehr Starkregen und Stürmen rechnen müssen. Andere Fachleute sind vorsichtiger und sagen, dass die derzeitigen Klimamodelle das noch gar nicht genau hergeben. Hier braucht es einfach noch mehr Forschung und schnellere Supercomputer, um sagen zu können, ob wir in Zukunft, etwa in Deutschland, wirklich mehr Stürme und mehr Starkregen haben werden oder nicht.

    Seynsche: Dieses letzte Sturmtief Xynthia am Wochenende – da gab es ja Tage vorher schon Prognosen, dass es das geben würde. Wie genau lässt sich so etwas denn vorhersagen, dass es jetzt ein heftiges Gewitter gibt, oder einen Tornado oder sonst etwas. Wie genau sind diese Prognosen im Moment schon?

    Grotelüschen: Das kommt auch wieder auf das Ereignis an. Also einiges lässt sich doch schon recht genau vorhersagen, Hitzewellen oder Stürme schon ein paar Tage vorher. Auch die Gefahr von Gewittern für einzelne Landkreise. Und hier fand ich ganz interessant: Auf dem Extremwetter-Kongress in Bremerhaven wurde ein neues Verfahren hergestellt, von dem sich die Forscher versprechen, dass man ein einzelnes Gewitter ziemlich punktgenau ungefähr zwölf oder 14 Stunden vorher vorhersagen kann, wo es auftrifft. Schwieriger sieht es dann mit der Vorhersage eines Tornados aus. Da waren die Experten dann zu optimistisch. Die müssen jetzt zurückrudern. Also vor fünf Jahren gab der Wetterdienst der USA zum Beispiel das Ziel aus, im Jahre 2012 schon einen Tornado eine Viertelstunde vor seinem Eintreffen präzise voraussagen zu können. Inzwischen wurde dieses Ziel revidiert. Also jetzt soll es erst 2025 eine verlässliche Tornadoprognose geben. Und ein Grund ist, dass es immer klarer wird, dass bei Extremereignissen bereits winzigste Änderungen in der Atmosphäre genügen können, um zu dramatischen Abweichungen zu führen. Also ob sich überhaupt ein Tornado bildet oder nicht, das scheint sich dann irgendwann innerhalb von Minuten in diesem Wettersystem zu entscheiden und das ist natürlich eine lausige Voraussetzung für eine treffsichere Prognose. Also da muss man ein bisschen skeptisch sein, ob das jemals klappt.