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Teures fürs Rad

Technik. – In Friedrichshafen läuft derzeit die Fahrradmesse "Eurobike 2004". Neueste Entwicklungen für die Drahtesel von heute werden gezeigt, für Leute, denen ihr Freizeitvergnügen einen tiefen Griff ins Portemonnaie wert ist. Die Messe endet am Sonntag.

Von Thomas Wagner |
    Auf dem Friedrichshafener Messestand sieht es aus wie ein ganz normales Mountain-Bike: zwei mit geländegängigem Profil ausgestattete Räder, ein modern designter Rahmen - ein Bike, wie so viele, möchte man meinen. Allerdings:

    15.871 Euro kostet dieses Fahrrad, und es wiegt 10,8 Kilo.

    Macht um die 1500 Euro pro Kilogramm Fahrrad. Damit ist dieser Prototyp das teuerste Mountain-Bike der Welt. Nicht etwa, dass der Lenker vergoldet wäre - ausschließlich High-Tech-Komponenten sind für den hohen Preis ausschlaggebend. Bike-Designer Mario Sillack führt eine davon vor:

    So hört sich ein Kugellager an aus Keramik an im Wert von 1000 Euro. Und von diesem Teil sind in meinem Fahrrad dann gleich mal zwei verbaut. In diesem Fall ist es so: Anstelle von Stahlaußenring und Stahlinnenring und anstelle von Stahlkugeln wurden hier alle drei Teile aus Keramik angefertigt. Der technologische Vorteil ist: Es gibt keinen Verschleiß. Laut Herstellerangaben wird ein Kugellager in dieser Ausführung und leider auch in diesem Preisbereich eine Lebensdauer von über 100 Jahren haben.

    Im übrigen besteht der Rahmen des High-Tech-Bikes aus Titan, das gerade mal nur halb so viel wiegt wie Stahl. Doch damit nicht genug. Sillack:

    Und zwar sind in diesem Rad 20 Schrauben aus Carbon verarbeitet. Das normale Gewicht einer Stahlschraube liegt bei sieben oder acht Gramm. Und in diesem Fall sind wir bei 1,7 Gramm. Mit diesen Schrauben werden üblicherweise Leiterplatten in Satelliten befestigt.

    Doch es muss nicht immer gleich eine Anleihe in der Weltraum-Technik sein. Manchmal reicht auch ein Blick Richtung Auto: Der Taufkirchener Fahrradhersteller Steppenwolf hat sich dort die Automatik-Schaltung abgeguckt. Nicht mehr der Radler selbst, sondern ein kleiner Rechner auf der Lenkstange schaltet dabei in den richtigen Gang. Konstrukteur Werner Schulte:

    Das Fahrrad weiß über den Fahrradcomputer, der angesteuert wird, wie schnell Sie fahren. Entsprechend können Sie dann noch Feintuning machen, was die Schaltgeschwindigkeitsschwellen angeht, an denen geschaltet werden soll. Aber letztlich ist es dann abhängig von Ihrer Fahrgeschwindigkeit und von der Trittfrequenz, die man als angenehm und optimal ansieht. Abhängig von der Geschwindigkeit werden dann die Schaltpunkte automatisch gesetzt.

    Damit sind zwei Parameter dafür ausschlaggebend, welchen Gang der Computer über einen kleinen Stellmotor einlegt: Einmal die Geschwindigkeit, zum anderen das persönliche Fahrprofil, bei dem der Radler seine eigene Belastungsfähigkeit eingeben muss. Derzeit wird das Automatik-Rad mit einer Kettenschaltung präsentiert. Zukünftig allerdings favorisieren die Fachleute eine Nabenschaltung in Verbindung mit dem Mini-Rechner auf dem Lenker. Schulte:

    Die Nabenschaltung hat uns jetzt sehr stark überzeugt, weil sie sehr schnell schaltet, weil prinzipiell der nächste ideelle Gang die nächste Schaltstufe ist, die man mit dem Griff ja auch vorwählen würde. Dieses Überkreuz-Schalten, wie man es bei der Kettenschaltung hat, also vorne aufs mittlere Kettenblatt und hinten ein paar Ritzel hochschalten, um den nächsten ideellen Ganganschluss zu finden, gibt es bei der Nabenschaltung nicht. Entsprechend ist das natürlich ein Riesenvorteil oder wird als sehr angenehm empfunden.

    Angenehmes Radeln - das bedeutet auch angenehmes Sitzen auf dem Bike. Der Sattel, der drückt und zwickt, soll zukünftig der Vergangenheit angehören - dank einer Neuentwicklung der Münchner High-Tech-Schmiede S-Culab:

    Das ist das sogenannte Popometer. Der neuralgische Punkt beim Radfahren ist immer noch der Sattel, mit dem die wenigsten eigentlich zufrieden sind. Und das liegt größtenteils daran, dass doch jeder Hintern anders ist. Sprich: Der Sitzknochenabstand ist sehr unterschiedlich. Und die Sitzknochen müssen vollflächig auf dem Sattel aufliegen.

    Dazu, so Herstellersprecher Tobias Hilt, muss der Allerwerteste des Bikers aber erst einmal entsprechend vermessen werden. Auf der Basis dieser Daten fertigen die Techniker einen Sattel nach Maß. Hilt:

    Man setzt sich auf die Messpappe. Diese Messpappe wird dann in den Popometer eingespannt. Zwei Laserstrahlen werden auf die Abdrücke der Sitzknochen ausgerichtet. Dann wird diese Messpappe durch einen Sattel ersetzt. Und somit werden praktisch die Sitzknochen exakt auf den Sattel projiziert per Laser. Und man sieht genau, ob man mit den Sitzknochen auf dem Sattel sitzt, ob man ihn berührt, ob man auf irgendwelchen Nähten sitzt und ob er zu groß oder zu klein ist eben.