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Teures Pflaster

In einer Sonderauswertung zur 17. Sozialerhebung hat das Studentenwerk Hamburg die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Hansestadt unter die Lupe genommen. Danach ist in Hamburg die soziale Schere weiter auseinander gegangen: Die Zahl von Studierenden aus sozial schwächeren Familien nahm ab, Studierende aus gut situierten Familien gibt es hingegen mehr. Ein Grund: Hamburg ist eine teure Stadt mit hohen Lebenshaltungskosten. Aber auch Kürzungen im Etat des Studentenwerks haben Opfer gefordert.

Von Werner Nording |
    Die Uni Hamburg hat mit ihren 64.000 Studierenden nach Berlin, München und Köln das viertgrößte Studentenwerk bundesweit. Die neuesten Zahlen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studentinnen und Studenten zeigen, dass in Hamburg vieles anders ist als an anderen Universitäten. Mit einem Altersschnitt von 27 Jahren sind die Studierenden zwei Jahre älter als anderswo, viele sind verheiratet und haben Kinder zu betreuen. Der Zugang zur Hochschule ist sozial unausgewogen, dieses Verhältnis hat sich in den letzten drei Jahren weiter verschärft. Die Zahl der Studierenden aus sozial schwachen Familien ist seit dem Jahr 2000 um vier Prozent zurückgegangen. Die Zahl aus gut situierten Familien hat sich um sechs Prozent erhöht. Fast drei Viertel aller studierenden jobben neben der Uni, hat der Sozialwissenschaftler Christian Dunker in seiner Studie festgestellt:

    Sie müssen arbeiten, um den hier teuren Lebensstandard halten zu können. Ich hatte das gezeigt, Miete ist sehr teuer, auch alle anderen Fixpositionen sind sehr hoch. Normale Förderungsmaßnahmen wie Bafög sind bundesweit einheitlich, in Hamburg ist aber das Leben viel teurer. Man muss hinzuverdienen, um einigermaßen überleben zu können.

    In Hamburg brauchen Studierende pro Monat 850 Euro. Das sind fast 50 Euro mehr als im Bundesschnitt. Dementsprechend müssen die Eltern das Studium ihres Kindes monatlich mit 370 Euro finanzieren. Bundesweit liegt der Schnitt bei 320 Euro. In Hamburg bekommen nur 19 Prozent aller Studierenden Bafög, bundesweit sind es immerhin 27 Prozent, in einigen neuen Bundesländern sogar 38 Prozent. Für ihre Miete müssen die Hamburger Studierenden 50 Euro monatlich mehr ausgeben als ihre Kommilitonen bundesweit. Für Lebensmittel sind es immerhin noch 15 Euro monatlich mehr. Aufhorchen lässt die Tatsache, dass jeder zehnte Studierende keinen Ansprechpartner für seine Probleme findet. In Hamburg müssen mehr als 6000 junge Männer und Frauen mit ihren Prüfungsängsten, Finanzproblemen oder anderem psychischen Stress alleine klarkommen. Für den Vizepräsidenten der Uni Hamburg, Holger Fischer, eine erschreckend hohe Zahl:

    Es ist wirklich ein Riesenproblem, was mit dieser Erhebung aufgedeckt worden ist, dass dieser große Anteil der Studierenden tatsächlich keinen Platz findet, an dem sie für ihre Probleme beraten werden. Das war für uns auch erschreckend. Die Erkenntnis ist, dass wir gemeinsam mit dem Studentenwerk unser Beratungssystem viel klarer und offener gestalten müssen, sodass jeder Studierende, jeder der einen Rat sucht, es sofort finden kann

    Erschreckend hoch im Vergleich zum Bundesschnitt ist auch die Zahl der Studienabbrecher in Hamburg. Fast jeder vierte Studierende hat nicht das richtige Fach gewählt, sagt Sozialwissenschaftler Dunker. Bundesweit liegt die Abbrecherquote bei 16 Prozent, so Dunker:

    Es sind primär Orientierungsprobleme, viele wissen nicht, warum sie hier studieren. Sie haben Zweifel am Sinn des Studiums, unterbrechen, weil sie neue Erfahrungen suchen wollen. Oft sind es auch finanzielle Probleme, viele gehen in Erwerbstätigkeit, 27 Prozent sind das. Viele müssen Geld verdienen und unterbrechen deshalb ihr Studium. In der Regel wird das Studium sage und schreibe für vier Semester unterbrochen

    Die Leiterin des Hamburger Studentenwerkes, Ulrike Pfannes, leitet aus der neuen Erhebung einige Forderungen an den Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger ab:

    Der Senat hat uns die Zuschüsse gekürzt, insbesondere für den Bereich Mensen. Das heißt, die Preise werden voraussichtlich im nächsten Jahr steigen müssen. Die zweite Forderung ist: Es braucht eine Institution im Hochschulraum, die als Kernbereich wirtschaftliche und soziale Belange von Studierenden hat.

    Bei der Novellierung des Studentenwerksgesetzes, die in Kürze in Hamburg erwartet wird, müsse das Studentenwerk als Interessenvertretung der sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden seinen festen Platz behalten.