Archiv


The Big Blue - ganz ohne Blau

Biologie. - Geheimnisvoll und vor allem tiefblau, so präsentiert sich unser Planet aus dem All betrachtet und auch Tauchsportler fühlen sich von dem tiefen Blau magisch angezogen. Flipper allerdings weiß davon nichts, denn er kann es schlicht nicht sehen. Wie Hirnforscher jetzt feststellten, fehlen Roben und Zahnwalen, darunter auch die Delphine, entscheidende Nervenzellen.

    Blautöne bestimmen die Umwelt unterhalb des Meeresspiegels. Daher sollte man annehmen, ganz im Sinne Darwins, dass ihre Wahrnehmung von entscheidender Wichtigkeit für eine Anpassung an diesen Lebensraum ist. Aber falsch, meinen zumindest Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main. Denn, im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren, die Farben ausgezeichnet wahrnehmen können, müssen Robben und Zahnwalen auf Sehzellen für die Farbe Blau verzichten.

    "Im Grundbauplan der Säuger sind zumindest zwei Zapfenzelltypen vorgesehen, die auf blaues und grünes Licht ansprechen. Wenn eine Zellsorte fehlt, ist dies ein Hinweis auf eine besondere Anpassung oder ein hinnehmbarer genetischer Defekt, der das Überleben nicht gefährdet", erklärt Leo Peichl, Neuroanatom am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt. Der Forscher hält den Blau-Sinn für entbehrlich, denn schließlich hätten sich Meeressäuger in grauer Vorzeit - damals noch an Land - nur sehr langsam Schritt für Schritt entlang der Ufer fortbewegt. Das Wasser dort ist voller Schwebeteilchen und bietet kurzwelligem Blaulicht ohnehin kein Durchkommen. Grün dagegen kann die trübe Brühe besser passieren.

    Wenn die Umwelt also sowieso recht einfarbig sei, so spekuliert der Experte weiter, dann könne Farbenblindheit auch von Vorteil sein: "Die Farbverarbeitung benötigt sehr viele Nervenzellen. Der Verzicht auf einen Farbton schafft also Kapazitäten für andere sensorische Leistungen", sagt Peichl. So entwickelten etwa Zahnwale ein hochsensibles Echoortungssystem, während sich Robben auf ihre Barthaare verlassen, mit denen sie feinste Wasserbewegungen durch ihre Beute feststellen. Auch gebe es noch heute Arten, die sich überwiegend in Küstennähe aufhalten und ihren Sinn für die grüne Farbenpracht bestens einsetzen können.

    Für jene Meeressäuger, die im Lauf der Evolution in die offene See abwanderten, müssten Sensoren für blaue Farbtöne trotzdem mehr von Vorteil sein als für grünes Licht. Allerdings können die verschiedenen Farbzapfen nicht ineinander umgewandelt werden, denn sie unterscheiden sich im Bau zu sehr. Ein kleiner Trost für Flipper und Co: Ihre Grünsensoren reagieren ein klein wenig mehr zum blauen Spektrum verschoben als die ihrer Verwandten an Land.

    [Quelle: Andrea Vogel]