Sonntag, 28. April 2024

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The Dodos
Die Kunst des Durchhaltens

Der Dodo ist eine Vogelart, die schon Ende des 17.Jahrhunderts ausgestorben ist. Mit dem Vogel hat die Indie-Rockband The Dodos glücklicherweise nur den Namen gemeinsam. Das Duo aus San Francisco ist quicklebendig und macht seit zehn Jahren Musik. Jetzt ist ihr sechstes Studioalbum "Individ" erschienen.

Von Anke Behlert | 31.01.2015
    Die monumentalen Steinskulpturen auf der Osterinsel in ihrer stillen Beständigkeit waren Inspiration für "Individ" - den Titel des sechsten Albums der Dodos. Beständigkeit und eine gewisse Sturheit kann man auch der Band selbst attestieren. Seit zehn Jahren machen Sänger und Gitarrist Meric Long und Schlagzeuger Logan Kroeber zusammen Musik. Ein gemeinsamer Freund machte die beiden damals bekannt und schon nach wenigen Jamsessions merkten sie, dass sie eine ganz besondere Chemie verbindet. Und das ist bis heute so. Meric Longs Gitarrenspiel und Logan Kroebers komplex synkopierte Rhythmen fordern sich gegenseitig heraus. Die Songs sind voller plötzlicher Tempowechsel und hektischer Energie.
    Aufgenommen haben The Dodos ihre neuen Songs wieder in den Tiny Telephone Studios in San Francisco, und zwar direkt nachdem sie mit dem vorherigen Album "Carrier" fertig waren. Das war einfach der ideale Zeitpunkt, sagt Meric Long während er an seinem Tee nippt.
    "Wir hatten "Carrier" mit Jay und Ian Policci aufgenommen. Die Zusammenarbeit hat großartig funktioniert, wir haben uns super verstanden. Als wir mit dem Album fertig waren, waren wir alle so begeistert, dass wir das Momentum nutzen wollten. Und dann haben wir einfach noch mehr Songs aufgenommen. Man braucht ein ganzes Album, um mit dem Studio und den Leuten vertraut zu werden. Wenn man also noch Energie hat, sollte man immer gleich weitermachen."
    Ein weiterer Vorteil, dieser Art zu arbeiten ist, dass man weniger unter Druck steht, findet Long.
    "Es gibt eigentlich immer Druck von außen und von innen. Aber diesmal war es ein bisschen so, als hätten wir noch kein Publikum. Man denkt weniger über die Erwartungen der Fans nach."
    In den letzten Jahren haben The Dodos viel herumexperimentiert, um ihren charakteristischen Sound zu erweitern. Sie haben mit einem Orchester gearbeitet, Spielereien am Vibrafon eingebaut und die akustische gegen eine E-Gitarre getauscht. Auf "Individ" kommen sie wieder dort an, wo sie angefangen haben.
    "Bei diesem Album haben wir uns wieder mehr auf uns selbst verlassen. Wir haben uns weniger infrage gestellt und nicht versucht, alles Mögliche zu verbessern. Das war einerseits eine bewusste Entscheidung, andererseits hat uns das auch Spaß gemacht. Wir haben uns auf die Grundzutaten unserer Musik konzentriert - ich an der Gitarre und Logan am Schlagzeug. Das klang toll und wir dachten uns, wir sollten mehr Songs in dieser Art machen. Das ist witzig, denn wir haben schon viele solche Songs gemacht. Wir haben das einfach wieder neu zu schätzen gelernt."
    Der Song "Competition" ist ein Paradebeispiel dafür, wie The Dodos komplizierte Dinge täuschend einfach klingen lassen. Eine knarzend verzerrte Gitarre, die kreuz und quer übereinandergelegte Melodien gegen einen Stakkato- Rhythmus spielt. Dazu Longs Gesang, der immer ein wenig schwermütig klingt.
    The Dodos sind zwar nur zu zweit, die Auftritte der Band sind trotzdem intensiv und energetisch. Vor Kurzem konnten sie ihre Songs zum ersten Mal in Asien vorstellen. Für Meric Long, der aus einer chinesisch-amerikanischen Familie kommt, war das ein besonderes Erlebnis.
    "Das war eine sehr anstrengende Tour, es hat aber auch großen Spaß gemacht. Im Publikum waren meistens Europäer und Amerikaner, aber die Leute waren gut drauf, egal woher sie kamen. Die Tour hat mir die Augen geöffnet. China ist so unglaublich groß. Amerika gilt ja immer als das Land, wo alles riesig ist und das stimmt auch. Aber in China ist das noch mal ein Ganze anderes Level. Die vielen Menschen und riesigen Gebäude. Die Welt ist definitiv größer geworden für mich."
    Auf "Individ" haben sich The Dodos gegen Perfektion entschieden, was ihre Songs aber nicht weniger großartig macht, im Gegenteil. So kann man sich der ansteckenden Energie und der Körperlichkeit ihrer Musik nur schwer entziehen. Dass die Band nicht schon längst Arenen bespielt wie etwa Arcade Fire, ist wohl einfach eine der Ungerechtigkeiten des Musikgeschäfts. Dem kann man wirklich nur mit einer ordentlichen Portion Gleichmut und Sturheit begegnen, wie The Dodos das tun.