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The Drunk Shakespeare Society
Betrunken in New York

Mit einem Schnaps wird der Theaterbesucher begrüßt, während der Vorstellung zum Weitertrinken animiert und auch die Darsteller müssen tief in die Gläser gucken: Die "Drunk Shakespeare Society" präsentiert in New York "Macbeth" - in aberwitzigem Tempo, mit herrlicher Satire und vor allem viel Alkohol.

Von Andreas Robertz | 21.12.2015
    Der Schauspieler Tim Haber, der die Hauptrolle der Theateraufführung "Macbeth" in einer Interpretation des Ensembles "Drunk Shakespeare", trinkt aus einem Messing Becher während der Vorführung in "The Lounge" der Roy Arias Studios im Theaterdistrikt von New York (USA).
    Der Schauspieler Tim Haber spielt die Hauptrolle der Theateraufführung "Macbeth" in einer Interpretation des Ensembles "Drunk Shakespeare". (picture alliance / dpa / Stephanie Ott)
    "Attention! Attention! Attention! The meeting oft the Drunken Shakespeare Society will begin in exactly ten minutes!"
    Mit einem freundlichen Lächeln und einem Schnaps wird man in den Sitzungssaal der Drunken Shakespeare Society gebeten, einer Spielarena gebildet aus Bücherregalen, an denen man wie am Tresen sitzen kann. Oder man sitzt sehr eng an kleinen Tischen unten inmitten des Geschehens.
    Trinken ausdrücklich empfohlen
    Trinken während der Vorstellung wird übrigens ausdrücklich empfohlen. Dann wird der König und die Königin des Abends durch eine Versteigerung bestimmt. Die dürfen dann auf zwei Thronsesseln Platz nehmen, werden mit Kaviar und Champagner verwöhnt und können sogar den Spielverlauf mitbestimmen.
    Heute geht der Thron für 100 Dollar weg, an anderen Abenden bis zu 500. Und Zeremonienmeister Josh Hyman heizt schon mal mit derben Sprüchen das Publikum ein:
    "Guys, this is what a man is supposed to look like right over there. Sorry, I mean you worked out but that is a fucking Lumber Jack."
    Fünf Schnäpse für einen Schauspieler
    Heute Abend gibt es "Macbeth" und wie an jedem Abend wurde einer der fünf Spieler ausgewählt, um vor Zeugen mindestens fünf echte Schnäpse zu trinken. Und dann geht es mit einem herzhaften "One, Two, Three: Shakespeare" los. Abendregisseurin Lisa Klages erklärt:
    "Zu Shakespeares Zeit waren die Stücke vermischt mit Popkultur und verständlich. Heute dagegen wirkt die Sprache ziemlich hochgestochen. Man weiß oft nicht, wovon geredet wird."
    Dem wird hier kräftig entgegengewirkt. Indem Macbeth zum Beispiel seinen elend langen Zweifelsmonolog in zwei Atemzügen aufsagen muss. Lady Macbeth kontert entschieden: "What the fuck! Are you a pussy?". So kann man es natürlich auch sagen. In einem aberwitzigen Tempo, mit einem oft mehr flachen als klugen Humor und vielen herrlich satirischen Anspielungen auf die US-amerikanische Politik und Popkultur, erlebt das hoch amüsierte Publikum einen Shakespeare, den es so bestimmt noch nie gesehen hat.
    "Why did you bring the daggers from the place? They must lie there. Did you not read the Google Doc that I shared with you?"
    Bewunderung für die betrunkene Lady Macbeth
    Doch die Stärke des Abends liegt in seinen Stimmungsumschwüngen. Plötzlich hält die betrunkene Caitlin alias Lady Macbeth einen Monolog von Gloucester aus Heinrich dem Sechsten, und es wird mucksmäuschenstill – sei es aus Bewunderung für die Sprache oder vor der Schauspielerin, die das so betrunken noch auf die Reihe kriegt. Und dann wieder gibt es große Shakespeare Moment: etwa wenn Macbeth seine tote Gattin betrauert. Es kommt halt auf die Mischung an. Auf die Frage, wie man denn betrunken die Texte behalten kann, erzählt nach der Vorstellung die völlig euphorische Caitlin:
    "Du vergisst den Shakespeare nicht, er ist in deinem Kopf, und wegen des Rhythmus ist es wie Atmen."
    Und dann lacht sie laut auf. Sie hatte mindestens ebenso viel Spaß wie das Publikum:
    "Ich glaube, Theater früher war die völlige Orgie. Die warfen Zeug auf die Bühne, wenn sie dich nicht mochten, genau wie bei uns, wenn das Publikum dich nicht mag. So ist Theater eigentlich gemeint."
    Theater wie vor 300 Jahren
    Und dann muss sie wieder los, denn die nächste Vorstellung fängt gleich an. Diesmal spielt sie ein normales Ensemblemitglied, das man allerdings kaum nüchtern nennen kann. Ob Theater so gemeint ist, ließe sich debattieren, auf jeden Fall bringt die Drunken Shakespeare Society ihren Shakespeare wieder erfolgreich unter das Volk - wie vor 300 Jahren.