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"The Great Hollywood Screener Ban Uproar"

Was ist los in Hollywood? Kaum hat sich Arnold Schwarzenegger im eigenen Jet Richtung Sacramento in die Politik davon gemacht, geht alles drunter und drüber. Die Filmkritiker von Los Angeles proben den Aufstand. Sie lassen ihre Preisverleihung ausfallen, die doch bisher immer so verlässlich die Jahreszeit der Oskar-Spekulationen einläutete. Es handelt sich bei der Los Angeles Film Critics Association übrigens nicht um einen Kaninchenzüchterverband von Amateurkritikern. Es sind mächtige Leute darunter, auch die umfangreiche Kritikergarde der ehrwürdigen Branchenzeitung "Variety". Filmkritikerverbände gibt’s sonst nur noch in New York und Chicago. Dort sitzen die eher cineastisch argumentierenden Kritiker vom "New Yorker" oder der Kritikerpapst Roger Ebert bei der Chicago Sun.

Josef Schnelle |
    Worum geht’s: Um die Verschickung von Videokopien der Oskarrelevanten Filme an die 5000 Mitglieder der Akademie, die am 27. Januar schon die Nominierungen für den wichtigsten Filmpreis der Welt bekannt geben will. Screeners nennen die Insider die Objekte dieser munteren Filmverschickung. 34 der 68 Filme die letztes Jahr verschickt wurden, tauchten kurz danach als Raubkopien auf, so begründete Jack Valenti, der Chef der Produzentenverbandes sein Verbot Kassetten zu verschicken. Er vermutete also, dass unterbezahlte Kritiker oder weniger bekannte Schauspieler sich unter die Raubkopierer begeben haben. Und erntete einen Aufstand dessen Höhepunkt bisher die spektakuläre Aktion des ansonsten handzahmen und mit der Industrie verbandelten Kritikerverbandes der Filmmetropole ist.

    Vorher hatten aber schon andere mit offenen Briefen protestiert. Filmregisseure unter der Führung von Martin Scorsese, Bernardo Bertolucci und Francis Ford Coppola und Schauspieler wie Sean penn, Holly Hunter und Nick Nolte. Die ganze Sache hat auch schon einen Namen, der wie der Titel eines Action-Filmes klingt: "The Great Hollywood Screener Ban Uproar". Da hört man förmlich das aufbrüllen der Kritiker.

    Sie befürchten nicht etwa, dass die großen Hollywood-Firmen sich durch massenhaftes Überschwemmen der Akademie-Mitglieder mit kassetten Vorteile verschaffen. Die haben sowieso bisher kaum Screener verschickt von ihren bekannten Filmen, die mit bis zu 5000 Filmkopien im Kino laufen. Ganz im Gegenteil gehen Kritiker und Filmregisseure davon aus, dass die Kleinen unabhängigen Produktionen, deren Filme mit weniger als 800 Kopien starten, also für amerikanische Verhältnisse in nur wenigen Kinos laufen, benachteiligt werden sollen. Für die ist die Versendung von "Screenern" bisher die einzige Chance, ihre Filme vor der jetzt beginnenden heißen Phase des Kampfs um die Oskarnominierung bekannt zu machen. Film wie "Monsters Ball" werden als Beispiele genannt. In diesem Jahr könnte es Sofia Coppolas hochgelobten Film "Lost in Translation" treffen. Der Ton der Debatte ist schrill. Die Chicago Film Critics Association sprach in einem Schreiben davon, seit den schwarzen Listen der McCarthy-Ära sei nicht mehr so ein undurchdachter, destruktiver Vorschlag aus Hollywood gekommen.

    Hinter den Kulissen – hört man – laufen schon Kompromissverhandlungen. Harvey Weinstein schlug vor, einfach zwischen Big Budget-Filmen und Arthouse-Filmen zu unterscheiden. Die Großen dürfen und brauchen auch nicht, die Kleinen kriegen ne Sondergenehmigung von einem Verband, dem sie gar nicht angehören. Haben die eigentlich keine Angst vor Piraterie? Die Piraten warten ja eher auf den dritten Teil von Matrix. Und jeden Tag werden 100 000 Filme illegal heruntergeladen. Man darf also daran zweifeln, ob der Vorschlag nicht mehr Unheil in Tinseltown Hollywood angerichtet hat, als er im Kampf gegen die Videopiraterie hilft. Jack Valenti lenkte schon ein. Natürlich könne man weiterhin Screener an Freunde und Verwandet weitergeben. Und das können in Hollywood leicht Tausende werden.