Das Werk betreten: Das ist auch eine Einladung in diese weite Ausstellung, die so differenziert wie noch nie eine radikale Wende der Kunstgeschichte beschreibt: Künstler nehmen eine Kamera zur Hand - aber nicht, um schöne, ausgetüftelte Bilder zu machen, Fotografie als Kunstform, sondern um Vorstudien zu treiben, Konzepte zu entwerfen oder die Fotos in anderen als den gewohnten Kontexten zu präsentieren. Die Kamera wird so etwa Mitte der 60iger Jahre zum Werkzeug für Künstler, die nicht Fotografen sind, sondern sich in einem viel umfassenderen Sinn als Kunstproduzenten begreifen - sagt der Kurator der Ausstellung, Douglas Fogle:
Die Idee hinter dieser Ausstellung ist, meiner Generation, die in den Neunzigerjahren künstlerisch sozialisiert wurde und für die es völlig normal war, eine Kamera zur Hand zu nehmen und mit den Fotos dann ein Ölgemälde zu machen oder eine Installation oder ein Video oder all das zusammen - meiner Generation die Frage zu stellen: wie kamen wir eigentlich an diesen Punkt, an dem Künstler sich nicht mehr über ein Medium definieren, sondern diese Grenzen überschreiten, normalerweise völlig problemlos übrigens.
Der erste Raum zeigt den Ausgangspunkt: Der junge Bruce Nauman, der einen Fotografen engagiert und sich selbst als Schauspieler, als Modell inszeniert - und später dann bei der Video-Installation landet. Ed Ruscha, der seine grauen Snapshots von Tankstellen entlang der Route 66 zu Serien bündelt und in Büchern für einen Dollar am Kiosk verkauft - ein größerer Gegensatz zu den Tiefdruck-Kunstbüchern in limitierter Auflage ist kaum denkbar. Sigmar Polke, der Maler, der bewusst dilettantische Fotostudien unter der ironischen Maxime des "kapitalistischen Realismus" betreibt. Joseph Beuys` Konzept der "sozialen Skulptur". Der unvermeidliche Warhol und seine Foto-Siebdrucke. Gordon Matta-Clark, der ganze Häuser ansägte und schräg legte und das fotografisch dokumentierte. Giulio Paolini, der ein altes Nadar-Portrait von Marcel Proust abfotografiert und auf Leinwand aufdruckt - Proust, der Poet des Gedächtnisses, gebannt in mehreren Gedächtnis-Ebenen und -medien.
Es ist also eine große stilistische und intellektuelle Vielfalt geboten, und deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Ausstellung in Minneapolis, wo sie am Walker Art Center, und in Los Angeles, wo sie am Hammer Museum der University of California gezeigt wurde, nicht nur ein Publikumserfolg war, sondern vor allem Künstler anzog. Eine Art Selbstvergewisserung.
Douglas Fogle, der das Ganze über Jahre konzipiert hat, zeigt natürlich auch, wo die Entwicklungslinien hinführen: von Bruce Nauman geht es zu Cindy Sherman, die ihren Körper ein paar Jahre später in absurden sozialen Situationen inszeniert. Oder zur Fischli und Weiss, die das Soziale im Spielzeugformat nachbauen. Oder zu einer feministischen oder politischen Körper-Fotografie Zur Land-Art. Oder zur Fotografie als Bestandteil von Performances, Multiples, Skulpturen.
Fogle beschreibt also einen weiten Bogen, und wir dürfen uns bedienen.
Als ich in der Graduate School war, hatte die amerikanische Pictures-Generation sich gerade in New York etabliert. Also Leute wie Barbara Kruger und Richard Prince und Sherry Levine. Da endet die Ausstellung: mit Künstlern, die Medienbilder benutzen und gegen die Medien wenden, sie also in einen neuen Kontext bringen. Das waren die Aneignungs-Strategien, mit denen meine Generation aufgewachsen ist. Das haben wir zuerst wahrgenommen.
Bearbeitete Illustriertenfotos von Richard Prince - und eine auf 45 fast leere Zeitungsseiten verteilte Arbeit zum Tod Aldo Moros (von Sarah Charlesworth): Das ist das Finale der Ausstellung. Das Fotomuseum Winterthur hat da also einen dicken Fisch an Land gezogen, und charmanterweise spielt die benachbarte Fotostiftung Schweiz den Ball zurück, indem sie ganz traditionell-impressionistische Aufnahmen des Foto-Pioniers der 40iger und 50iger Jahre, Jakob Tuggener, über rauschende St.Moritzer "Ballnächte" dagegenhält.
Der nächste Schritt für das Fotomuseum Winterthur wäre nun, Maler zu zeigen, die nach fotografischen Vorbildern arbeiten. Das kommt wohl noch - demnächst.
Die Idee hinter dieser Ausstellung ist, meiner Generation, die in den Neunzigerjahren künstlerisch sozialisiert wurde und für die es völlig normal war, eine Kamera zur Hand zu nehmen und mit den Fotos dann ein Ölgemälde zu machen oder eine Installation oder ein Video oder all das zusammen - meiner Generation die Frage zu stellen: wie kamen wir eigentlich an diesen Punkt, an dem Künstler sich nicht mehr über ein Medium definieren, sondern diese Grenzen überschreiten, normalerweise völlig problemlos übrigens.
Der erste Raum zeigt den Ausgangspunkt: Der junge Bruce Nauman, der einen Fotografen engagiert und sich selbst als Schauspieler, als Modell inszeniert - und später dann bei der Video-Installation landet. Ed Ruscha, der seine grauen Snapshots von Tankstellen entlang der Route 66 zu Serien bündelt und in Büchern für einen Dollar am Kiosk verkauft - ein größerer Gegensatz zu den Tiefdruck-Kunstbüchern in limitierter Auflage ist kaum denkbar. Sigmar Polke, der Maler, der bewusst dilettantische Fotostudien unter der ironischen Maxime des "kapitalistischen Realismus" betreibt. Joseph Beuys` Konzept der "sozialen Skulptur". Der unvermeidliche Warhol und seine Foto-Siebdrucke. Gordon Matta-Clark, der ganze Häuser ansägte und schräg legte und das fotografisch dokumentierte. Giulio Paolini, der ein altes Nadar-Portrait von Marcel Proust abfotografiert und auf Leinwand aufdruckt - Proust, der Poet des Gedächtnisses, gebannt in mehreren Gedächtnis-Ebenen und -medien.
Es ist also eine große stilistische und intellektuelle Vielfalt geboten, und deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Ausstellung in Minneapolis, wo sie am Walker Art Center, und in Los Angeles, wo sie am Hammer Museum der University of California gezeigt wurde, nicht nur ein Publikumserfolg war, sondern vor allem Künstler anzog. Eine Art Selbstvergewisserung.
Douglas Fogle, der das Ganze über Jahre konzipiert hat, zeigt natürlich auch, wo die Entwicklungslinien hinführen: von Bruce Nauman geht es zu Cindy Sherman, die ihren Körper ein paar Jahre später in absurden sozialen Situationen inszeniert. Oder zur Fischli und Weiss, die das Soziale im Spielzeugformat nachbauen. Oder zu einer feministischen oder politischen Körper-Fotografie Zur Land-Art. Oder zur Fotografie als Bestandteil von Performances, Multiples, Skulpturen.
Fogle beschreibt also einen weiten Bogen, und wir dürfen uns bedienen.
Als ich in der Graduate School war, hatte die amerikanische Pictures-Generation sich gerade in New York etabliert. Also Leute wie Barbara Kruger und Richard Prince und Sherry Levine. Da endet die Ausstellung: mit Künstlern, die Medienbilder benutzen und gegen die Medien wenden, sie also in einen neuen Kontext bringen. Das waren die Aneignungs-Strategien, mit denen meine Generation aufgewachsen ist. Das haben wir zuerst wahrgenommen.
Bearbeitete Illustriertenfotos von Richard Prince - und eine auf 45 fast leere Zeitungsseiten verteilte Arbeit zum Tod Aldo Moros (von Sarah Charlesworth): Das ist das Finale der Ausstellung. Das Fotomuseum Winterthur hat da also einen dicken Fisch an Land gezogen, und charmanterweise spielt die benachbarte Fotostiftung Schweiz den Ball zurück, indem sie ganz traditionell-impressionistische Aufnahmen des Foto-Pioniers der 40iger und 50iger Jahre, Jakob Tuggener, über rauschende St.Moritzer "Ballnächte" dagegenhält.
Der nächste Schritt für das Fotomuseum Winterthur wäre nun, Maler zu zeigen, die nach fotografischen Vorbildern arbeiten. Das kommt wohl noch - demnächst.