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"The Producers" am Theater Osnabrück
Tuntiger Hitler und steppender Stalin

In seinem Erfolgs-Musical "The Producers" nimmt Komiker Mel Brooks alle auf die Schippe: Nazis, Schwule, Blondinen, Alte. Aktuell ist das Stück am Theater Osnabrück zu sehen. Eine tänzerisch und musikalisch sehr gelungene Produktion - dennoch blieb manchem sicher das Lachen im Halse stecken.

Von Elisabeth Richter | 25.03.2019
    Ein Mann im Palletten-Kleid und Handschuhen ist umringt von singenden Männerns
    Szene aus "The Producers" am Theater Osnabrück (Theater Osnabrück / Jörg Landsberg)
    "Alle am Theater sagen mir oft, um das und das Thema müssen wir uns kümmern, in Wirklichkeit sind sehr viele Menschen natürlich auch ignorant, wie in jedem Beruf, und das nimmt Mel Brooks auch mit auf die Schippe. Also der Regisseur der 'Frühling für Hitler'-Nummer weiß ja nicht mal, dass es Deutschland war. In dem Stück kriegt wirklich jeder sein Fett weg."
    Nicht nur die Nazis, sondern auch die Schwulen, die Produzenten, die Alten, Blondinen und andere zieht Mel Brooks in seinem Erfolgs-Musical "The Producers" regelrecht "durch den Kakao". Feinsinnig ist der Humor des Multitalents Mel Brooks gewiss nicht. Der ist Regisseur, Autor, Schauspieler, Komponist, Komiker, sprengt die Grenzen des guten Geschmacks, sagt Regisseur Dominique Schnizer.
    "Sprengt, das finde ich auch noch untertrieben, also er geht so weit wie, glaube ich, noch nie jemand davor und danach gegangen ist. Diese Musik, dieser Text, was der alles an heißen Eisen anpackt, mit einer Respektlosigkeit, das hat mich unglaublich beeindruckt."
    "The Producers" kam 1967 zuerst als Film heraus. 34 Jahre später arbeitete Mel Brooks die Geschichte zu einem Musical um:
    Hitler als Tunte
    Der dubiose Broadway-Produzent Max Bialystock tut sich mit seinem Buchhalter Leo Bloom zusammen, um mit "Frühling für Hitler" - dem schlechtesten Musical aller Zeiten eines Alt-Nazis - einen Super-Flop zu landen. Gewinne können so nicht eingefahren werden, doch mit dem Geld der Investoren will man sich dann aus dem Staub machen. Wider Erwarten wird die Orgie des schlechten Geschmacks jedoch ein Erfolg. Bialystock wird inhaftiert, Bloom kann sich noch nach Rio absetzen, kehrt aber reuig zur Gerichtsverhandlung zurück und wandert mit Bialystock ins Gefängnis. Dort produzieren sie mit Häftlingen das Musical "Knackis mit Herz". Weil sie mit Musik Wärme in die Herzen brachten, werden sie begnadigt.
    Auf dem Höhepunkt schwingen in der Musical-Fassung bezopfte und mit Brezeln oder Bierkrügen gekrönte Walküren die Beine, beim Ballett in Nazi-Uniformen tragen die Damen Hot Pants, der Hitler-Gruß wird choreographisch variantenreich ausgeschlachtet, das Hakenkreuz prangt riesig an der Rückwand oder es dient als Armbinde.
    Mittendrin Hitler als Tunte, Churchill pafft Zigarre, Stalin steppt - und Roosevelt kippt aus dem Rollstuhl. Das ist die originale Choreographie von Susan Storman des 2001 herausgekommenen Musicals. Sie wird in Osnabrück nachgespielt. Gekonnt, mit Witz und Tempo. Regisseur Dominique Schnizer:
    "Ich bin total überzeugt, dass Mel Brooks eine Botschaft hat, weil er natürlich sagt, ich bin ein jüdischer Komiker, ich habe überlebt und Hitler nicht."
    Brooks konterkariert - anders als sonst meist in Büchern, Filmen oder Theaterstücken - die Monstrosität und Grausamkeit der Nazis.
    Auf dem Bild sind zwei Männer zu sehen, die auf eine Mappe schauen.
    Mark Hamman und Oliver Meskendahl in "The Producers" (Theater Osnabrück / Jörg Landsberg)
    "Mel Brooks hat etwas ganz anderes gemacht, der hat gezeigt, wie dumm und hohl diese Ideologie ist, und das finde ich ganz toll, weil er sagt: Ihr seid lächerlich, alles, was ihr denkt, was eure Ideologie ist, ist eine total lächerliche Sache, ich gebe sie dem Spott preis."
    Kritik von Holocaust-Überlebenden nach Filmpremiere
    1967 war der Film "The Producers" Mel Brooks' erster großer, auch Oscar-prämierter Erfolg als Regisseur. Der allerdings auf ein geteiltes Echo stieß. Zu präsent waren damals noch die grausamen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges. Kritik kam verständlicherweise von Holocaust-Überlebenden. Als Brooks aus dem Film 2001 ein Musical machte, hatten sich die Zeiten geändert. "The Producers" ist bis heute der größte Broadway-Hit aller Zeiten. Es dauerte sieben Jahre, bis er erstmals auf einer deutschsprachigen Bühne, in Wien, herauskam. Nur wenige deutsche Produktionen - in Berlin, Schwerin, Regensburg etwa - folgten. Das ist bei der heiklen Thematik vielleicht auch gut so.
    Die Premiere jetzt am Theater Osnabrück lebte von musicalartigem Swing, den Dirigent An-Hoon Song und das Osnabrücker Sinfonieorchester mit Verve vermittelten, den exzellenten schauspielerischen und tänzerischen Leistungen, der im ganzen sehr ansprechenden sängerischen Ausführung - besonders von Mark Hamman als Bialystok und Oliver Meskendahl als Bloom sowie dem Opernchor. Aber: Es gab nur wenige Momente des Innehaltens und Nachdenkens. Regisseur Dominique Schnizer:
    "Ich finde, es gibt auch eine Parallele jetzt: So wie damals ja unglaublich viele Nazis in Deutschland wieder in Amt und Würden waren, viele in Argentinien und Uruguay unbehelligt lebten, so ist es heute ja auch, dass unglaublich viel Nazis auf die Straße gehen und unbehelligt ihre, also fragwürdig ist noch freundlich ausgedrückt, fragwürdige Meinung herausbellen."
    Einmal, am Ende des ersten Teils wird ein Spruch sichtbar, auf Deutsch: 'Viel Spaß in Deutschland - A lot of fun in Deutschland: AfD.' Eine aktuelle Anspielung, die aber in all dem Klamauk sicher nicht jedem aufgefallen ist. Die Premiere wurde einhellig gefeiert, dennoch blieb manchem sicher das Lachen oft im Halse stecken. Und das ist gut so.