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"The Tree of Life" gewinnt Goldene Palme

"The Tree of Life" von dem Großen Unbekannten des amerikanischen Kinos Terrence Malick ist mit der Goldenen Palme, der höchsten Auszeichnung in Cannes geehrt worden. Aber auch die anderen Preise prägen nicht nur die europäische, sondern die internationale Filmlandschaft. Ein Resümee..

Von Josef Schnelle | 23.05.2011
    Er kam, sah, siegte - überließ es dann zwei farblosen Produzenten an seiner statt die "Palme d´Or", die große Trophäe von Cannes in Empfang zu nehmen. Terrence Malick, der geheimnisvollste aller Filmemacher, der mit "The Tree of Life" im 68. Lebensjahr erst seinen fünften Film vorlegte, dürfte die Preisverleihung in seinem Hotelzimmer an der Croisette im Fernsehen angeschaut haben. Ob er sich gefreut hat? Schließlich mischten sich wie bei der Premiere auch diesmal Buhrufe unter die Jubelchöre. Jurypräsident Robert de Niro sah sich jedenfalls auf der abschließenden Pressekonferenz genötigt, die Entscheidung noch einmal zu begründen.

    "Die Meisten von uns dachten, dass das der Film sei. Er hat das Format, das wichtige Thema, den Spannungsbogen, wie immer sie es nennen wollen, der Film passte einfach als Goldene Palme. Es ist schwierig diese Entscheidungen zu treffen, weil es dann noch andere Filme gibt, die auch sehr gut waren."

    Offenbar war auch die Jury gespalten bei der Beurteilung des anspruchsvollen Großfilms, der in der Geschichte eines Vaters und seines Sohnes aus den 50er-Jahren gleich die Geschichte des ganzen Universums angefangen bei den ersten Worten der Bibel so bildgewaltig wie möglich mit zu erzählen versucht. Das war manchem ein Meisterwerk, anderen doch zu prätentiös. Die Entscheidung für "Tree of Life" war allerdings bei den meisten Beobachtern erwartet worden. Denn nach der Skandalpressekonferenz des dänischen Regisseurs Lars von Trier hatte sich dieser mit "Melancholia", dem schärfsten Konkurrenten von Malicks Film, selbst aus dem Rennen zumindest um die goldene Palme verabschiedet. Als "Persona non Grata" durfte er sich nur 100 Meter dem Palais nähern, vielleicht hat er sich eine Flasche Champagner geschnappt und im Hotelzimmer mit Terrence Malick gefeiert. Man darf ja mal träumen von der großen solidarischen Familie der Filmkünstler. Der Film "Melancholia" eine große Oper vom Untergang der Welt, war in jedem Fall einer der Höhepunkte des Festivals und blieb deshalb auch ohne seinen Regisseur im Wettbewerb, was die Jury mit dem Darstellerpreis für die Hauptdarstellerin Kirsten Dunst belohnte. So entledigte sich die Jury elegant der Aufgabe, den für manchen Kritiker besten Film, bloß nicht zu übersehen. Entsprechend schwierig, zwischen Hochgefühl und Diplomatie absolvierte die blonde Hollywoodschauspielerin ihren Auftritt:

    "Was war das für eine Woche. Danke an die Jury. Es ist eine große Ehre. Das gibts nur einmal im Leben. Dank auch an das Festival, dass unser Film im Wettbewerb geblieben ist. Und ich möchte auch Lars danken, der mir die Gelegenheit geben hat so frei aufzuspielen."

    Der Beifall als der Name Lars fällt zeigt jedenfalls, dass die internationale Filmwelt von Trier trotz seiner unangebrachten und dummen Bemerkungen nicht abgeschrieben hat. Das kleine Dänemark aus dem Lars von Trier stammt ist ein erstaunliches Filmland. Wenn der eine dänische Regiestar abzutreten scheint, taucht gleich ein neuer auf. Insidern ist Nicolas Winding Refn, der für seinen Film "Drive" mit den sehr renommieren Regiepreis ausgezeichnet wurde, längst bekannt durch ungewöhnliches, handwerklich perfektes Genrekino. Doch mit diesem Film über einen Fahrer von Fluchtwagen für Bankräuber und andere Kunden, hat er ein neues Niveau erreicht. Grandios ist gleich die erste Autoverfolgungsjagd. Im Unterschied zu den üblichen Klischeeszenen, in denen es nur darum geht immer schneller zu werden, weiß dieser "Driver" sein Tempo manchmal zu drosseln und im Schatten einer Brücke zu verschwinden, bis der Hubschrauber mit seinen Suchscheinwerfern aufgibt. Erst dann gibt er wieder Gas.

    Genrekino in ganz großem Stil ist das und es erinnert ein bisschen an Quentin Tarantinos Cannes-Debüt mit "Reservoir Dogs". Der coole Autospezialist lässt die Liebe in sein Leben und schon ist mittendrin im brutal harten Spiel der großen Mafia-Gangster von L.A., dem zu entkommen es mehr braucht als schnelle Autos und einen Instinkt für den besten nächsten Schachzug. Bilder aus der Unterwelt in schwindelerregendem Tempo und schon ist wieder ein Star geboren, dem eine große Zukunft vorausgesagt werden kann. Und neidlos muss man dem Festival von Cannes zugestehen, dass es das immer wieder schafft, den üblichen Verdächtigen der Filmkunst die Stange zu halten und dann doch immer wieder neue Entdeckungen zu machen.