
"Ich projiziere mal das nächste Memo", sagt Errol Morris im Hintergrund. - "Soll ich es vorlesen", frage Donald Rumsfeld. - "Ja, bitte." Und er liest: "Alle Verallgemeinerungen sind falsch. Diese eingeschlossen. Da haben Sie's!" - Und jetzt kommt in "The Unknown Known" dieses Besondere, das, was den ganzen Film von Errol Morris wie ein Zeichen durchzieht: Donald Rumsfeld, seit 1962 unter vier Präsidenten in der politischen Administration der USA, zwei Mal, unter Gerald Ford und George W. Busch Verteidigungsminister, Donald Rumsfeld lacht. Jenseits jeglicher Unsicherheit, in sich ruhend, überzeugt, selbstzufrieden. Meine Frau, sagt Errol Morris, der Dokumentarfilmer, beschreibt Donald Rumsfeld als die Grinsekatze aus "Alice im Wunderland": Am Ende bleibt nur das Lächeln übrig.
Und so wie sich im Grinsen von Jack Nicholson in Kubriks "Shining" der Horror zeigt, uns anspringt, so zeigt sich im eiskalten Grinsen der Macht des Donald Rumsfeld das, was "The Unknown Known" im Kern ausmacht, den Horror.
33 Stunden hat Errol Morris Donald Rumsfeld interviewt und dieses Interview mit Archivmaterial montiert. Ansonsten nur das Gesicht von Rumsfeld. Ausgangspunkt dabei sind die sogenannten "Schneeflocken", die Zehntausenden Memos, die Rumsfeld als Parlamentarier, Präsidentenberater und Verteidigungsminister verfasst hat. Errol Morris will, so sagt er, mit seinem Film amerikanische Geschichte von innen erzählen, aus der Perspektive der Macht, aus der von Rumsfeld. Dabei enthüllt der Dokumentarist all die Irreführungen, die Verschleierungen, mit denen dieser homo politicus seine Welt inszeniert. Mit Folgen. Also dieses berühmt-berüchtigte "The Unknow Known".
Wieder liest Rumsfeld im Film das Memo: Es gibt das bekannte Bekannte. Es gibt das bekannte Unbekannte. Es gibt das unbekannte Unbekannte. Und es gibt auch das ... und so weiter ... Verstanden? Natürlich nicht, weil es nichts zu verstehen, zu erklären, philosophisch zu durchdringen gilt, sondern wie bei George Orwell in "Big Brother" geht es dem Sprecher darum zu verdrehen, zu verschleiern. Zwei Jahre vor diesem Memo, 2002, fragt ein Reporter Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mitten im "war on terrorism" nach der Verbindung zwischen Saddam Hussein und El Kaida. Rumsfeld antwortet auf der Pressekonferenz: Es gibt die Dinge, die wir wissen, die Dinge, die wir nicht wissen ... und so weiter ... höre oben. Ein Mann hat ein Bild von der Welt, und auf der Basis dieser Sicht und der Arroganz der Macht macht dieser Mann Krieg in Afghanistan oder im Irak. Und lügt dabei hemmungslos. Nein, es gab keine Folter in Guantanamo oder Abu Ghuraib.
Natürlich "knackt" Errol Morris die "Grinsekatze" Rumsfeld nicht. Jeder Ansatz von Kritik erstickt in einer lächelnden Grinsekatzen-Arroganz. Als Shakespeare Geschichte schrieb, waren die treibenden Kräfte Charakterfehler, Eifersüchteleien und so weiter und so weiter. Vielleicht lag Shakespeare da ja falsch?, fragt Morris den inzwischen 80-jährigen Gesprächspartner. Vielleicht hatte er ja recht, meint Rumsfeld nur lakonisch. Ebenfalls ein Credo der sich selbst gewissen Macht.