Die 15jährige Linda Mittermüller stammt aus dem Münchner Hasenbergl, wie auch die sieben weiteren so genannten Ghetto-Kids,
mit denen Regisseur Peter Kastenmüller - unterstützt von fünf Schauspielern - ein Stück erarbeitet hat, das jenen jugendlichen Mehmet zum Ausgangspunkt nimmt, der Ende der 90er Jahre - noch nicht strafmündig - wegen seiner unzähligen Straftaten in die Türkei abgeschoben wurde. Ein Urteil, das der Bundesgerichtshof vier Jahre später wieder aufhob. Sinti, Kosovo-Albaner, Griechen, Türken und Deutsche: Sieben Jungen und zwei Mädchen zwischen 14 und 20 Jahren spielen sich selbst oder solche, die sie sein könnten und reiben sich dabei zugleich an ihren professionellen Kollegen. Dabei präsentiert sich auf einem zusammen gebretterten Laufsteg im Neuen Haus der Münchner Kammerspiele in kleinen schnellen Auftritten ein Kaleidoskop, in dem in Biografie- oder Fantasiesplittern zwei Wirklichkeiten aufeinander treffen: Jene der Münchner Trabantenstadt Hasenbergl, die noch immer vergeblich gegen ihren Ruf kämpft, mit hohem Ausländeranteil und hoher Kriminalitätsrate der soziale Brennpunkt Münchens zu sein und jene Realität des saturierten Münchner Zentrums, in dessen geldkalter Maximilianstraße auch die Münchner Kammerspiele liegen.
Zitat: Die Kunst ist es, das Highlight dorthin zu bringen, wo es hingehört.
Das Angebot der Münchner Kammerspielen heißt: Bunnyhill. Bunnyhill ist ein symbolischer Staat mit einer eigenen Hymne und Verfassung, Bunnyhill wurde gegründet am Wochenende im Beisein des Publikums, ein Staat, der unter dem Thema "Zentrum und Peripherie" steht, dessen Mitte im theatralen Raum der Münchner Kammerspiele liegt und dessen Botschaft gestern von Regisseur Peter Kastenmüller im Stadtteil Hasenbergl eröffnet wurde:
Diese Botschaft soll nicht nur ein Gebäude und Wohnmobil sein, diese Botschaft soll der Beweis und zugleich die Verpflichtung sein, für die Verbindung des Stadtzentrums mit dem Stadtrand. Der Staat Bunnyhill, der im neuen Haus der Münchner Kammerspiele für zwei Monate existieren wird, hat in einer freien Abstimmung seiner Bürger, die Sache Kunst zu seinem obersten Staatsziel erklärt.
In der Kunst allerdings ist dieses Projekt trotz des sympathischen Auftakts durch das Mehmet-Stück noch nicht angekommen. Weder Staats- noch Botschaftsgründung etwa reichten über ein merkwürdig dilettantisches Beisammensein hinaus in jene Bereiche, in die etwa ein Christoph Schlingensief mit seinen verstörenden Aktionen immer wieder gelangt. Doch jetzt sind zwei Monate Zeit mit einem Programm diese Kunstbehauptung nachzureichen, ein Programm, das von Konzerten über Clubnächte bis hin zu Trommelkursen reicht und von der so genannten Mutschule über die Bunnyhill-Psycho-Couch bis hin zur Bunnyhill Buchwoche.
Schon jetzt allerdings ist sich die neue Chefdramaturgin der Münchner Kammerspiele Barbara Mundl darüber im Klaren, dass ihr Haus mit dem Projekt Bunnyhill eine Verantwortung übernommen hat, die weit über die Veranstaltungsreihe hinausgeht:
Was jetzt passiert auch aus den Abteilungen heraus ist, dass sich die Leute Gedanken machen, was passiert jetzt mit diesen Jugendlichen, die haben jetzt vier Monate mit uns zusammengearbeitet, das ist ein Thema, was macht ihr denn, was denkt ihr denn, ihr könnt die jetzt nicht auf die Straße setzen. Das ist noch nicht klar, wir haben jetzt noch zwei Monate Zeit zu überlegen, ich fände es natürlich Klasse, wenn wir das Schwierigste schaffen würden, nämlich Lehrstellen für diese Jugendlichen zu besorgen.