Noltze: Ist das eine Summe, über die ein Theater untergehen kann, 150.000 Euro?
Dietze: Das hängt ja von der Größenordnung des Theaters ab. Zum einen muss man wissen, dass, bedingt durch die Art und Weise, wie hier öffentlich rechtlich Theater in Sachsen-Anhalt gefördert werden, nicht nur 153.400 Euro fehlen würden, sondern die doppelte Summe, da das Land immer nur in gleicher Höhe fördert wie die Kommunen. Zum anderen sind natürlich dann diese rund 300.000 Euro, die uns möglicherweise fehlen würden, bei einem Jahresetat, der inzwischen nur noch zwischen 3,5 und 3,6 Millionen Euro liegt, eine ganz erhebliche Summe.
Noltze: Man fragt sich andrerseits, ob solche Beträge dafür geeignet sind - man fragt sich das nicht zuerst an Ihrem Fall -, irgendeinen Haushalt zu sanieren.
Dietze: Ja, davon würde ich vielleicht nicht ganz von ausgehen. Natürlich kenne ich nicht sämtliche Posten des dort zu diskutierenden Etats, aber es weiß jeder, dass zum Beispiel Baumaßnahmen oder auch die eigenen Personalkosten eines Landkreises selbstverständlich wesentlich höher sind. Die Etatlücke, die dort im Altmarkkreis Salzwedel klafft, das sind sechs Millionen Euro. Die werden auch nicht größer oder kleiner mit 150.000 Euro für das Theater.
Noltze: Das heißt doch, dahinter steht die Frage, ob es den politischen Willen noch gibt, das Konzept Kultur und Theater in der Fläche anzubieten, weiterzutragen. Hat sich da nach Ihrer Erfahrung etwas geändert in den letzten Jahren?
Dietze: Also meine Erfahrung ist, dass die Positionen zunehmend unvereinbarer werden miteinander. Wir haben selbstverständlich eine große Anzahl, leider nicht immer Mehrheit von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die sehr wohl zu würdigen wissen, was ein Theater im ländlichen Raum als Landestheater leistet. Wir haben auf der anderen Seite eine stetig wachsende Anzahl von Kommunalpolitikern, die aus wirklich nicht zu verstehenden Motivationen heraus glauben, dass Kultur weder als sogenannter weicher Standortfaktor noch als irgendwie nachhaltiges Instrument im bildungs- und sozialpolitischen Bereich noch vom Interesse wäre, und die Anzahl von Politikern nimmt leider - und das ist nicht nur hier so, sondern überall - stetig zu.
Noltze: Vielleicht ist es auch Populismus. Was fällt weg, wenn Sie wohlmöglich Ihr Theater schließen müssen? Wo können Sie Ihre Kunden hinschicken?
Dietze: Na ja, die wesentlichen unserer Kunden, nämlich Kinder und Jugendliche, die können wir nirgendwo guten Gewissens hinschicken. Also einem erwachsenen, hoch kulturinteressierten Menschen kann man ja immer nahelegend sagen - populistisch wäre das, finde ich -, fahr doch nach Berlin, nach Hannover, nach Hamburg oder nach Magdeburg. Sie sehen aber schon an der Aufzählung der Städte, dass, wenn man sich ein bisschen in der Landkarte auskennt, eine Fläche größer als das Saarland bleibt, in der es dann kein Theater mehr gibt. Das heißt, alle Jugendlichen in der Region haben kein kulturelles Zentrum mehr. Wir machen ja auch ganz viel im Bereich mobiles Kinder- und Jugendtheater in Kindergärten und Schulen. All das würde wegbrechen. Die kann man nirgendwo hinschicken. Da kommt auch keiner mehr hin. Der Sinn vom öffentlich rechtlichen geförderten Theater ist ja, dass es eine kulturelle Leistung dort gibt, wo es betriebswirtschaftlich nicht ganz sinnvoll ist, denn sonst gäbe es überall Privattheater und die öffentliche Hand könnte sich zurücklehnen.
Noltze: Gibt es noch Hoffnung auf eine Hilfe von außen?
Dietze: Also selbstverständlich muss man sagen, dass die anderen kommunalen Gegenfinanzierer, das heißt die Stadt Stendal, der Landkreis Stendal und die Stadt Salzwedel sich zu diesem Theater bekannt haben. Mal gesetzt den Fall - und ich hoffe nicht, dass es soweit kommt -, dass tatsächlich der Altmarkkreis Salzwedel den Zuschuss auf Null senkt, müsste man selbstverständlich schnell mit diesen ins Gespräch kommen, ob es da eine Rettung aus den anderen noch leereren und öffentlichen Kassen geben kann. Rettung von außen könnte auch noch heißen Großsponsoren, aber die gibt es in einer strukturschwachen Region ja nun nicht so zahlreich. Also kann die Sache nur von innen dann kommen.
Noltze: Was machen Sie morgen früh, wenn Sie Ihr Büro betreten, und heute Abend im Kreistag der Daumen runtergegangen ist?
Dietze: Dann werden wir uns hier von wegen Rettung von innen zusammensetzen mit unserer Verwaltung, die eine ganz schlanke, effektive ist, und werden gucken, wie wir mit dem verbleibenden Geld - das ist ja unser Auftrag - nach wie vor Theater machen können.
Noltze: Vielen Dank für das Gespräch.