Desdemona: "Wer bist du eigentlich, Schoko?"
Othello: "Ich bin vom starken Krieger zum fetten Schurken geschrumpft."
Desdemona: "Du hast dich zum Schlechten verändert, die Menschen fragen sich, ob du noch ganz bei Trost bist. Du hast dein Versprechen gebrochen."
Othello: "Nenn mir doch Namen, ist es Cassio, der mich einen Nigger nennt."
Es sind die beiden, man kann es nicht anders sagen, die beiden ständig bühnenpräsenten fickenden Flügel: Schwarz oben, Weiß unten - wie Othello und Desdemona. Es ist die sprachliche Hardcoreübersetzung des Shakespeare-Stücks in eine Art Kanacksprache und es sind Thomas Thieme als körperwanstiger Othello und Julia Jentsch als feminin-burschikose Desdemona - all dies ist es, was von Luc Percevals ebenso wuchtiger wie wichtiger Othello-Inszenierung im Gedächtnis geblieben ist.
Nach zwei Jahren in Ausweichquartieren schlug dieser Othello ins wiedereröffnete Jugendstiljuwel Münchner Kammerspiele ein wie eine Bombe; und klärte, ein für alle Mal, dass hier und was hier nach den Jahrzehnten unter Dieter Dorn für eine neue Theaterästhetik zu erwarten war. Kaum verwunderlich also, dass sich der scheidende Intendant Frank Baumbauer nun diesen Othello als letzte Vorstellung seiner Intendanz gewünscht hat, für sich aber auch für sein Publikum.
"Warum? Um dem Publikum zu zeigen, welchen Weg wir gemeinsam gemacht haben. Wir haben hier jetzt acht Jahre und sechs Jahre auf dieser Bühne zusammengearbeitet. Und die Theatersprache und die Erzählweise, die Ästhetik, das Verständnis, das Verständnis zum Theater als Ganzem wie auch zur Aufführung im Speziellen, hat sich doch geändert. Und da habt Ihr oder da haben Sie, das Publikum, auch entscheidend mitgemacht."
In den Münchner Kammerspielen tat Frank Baumbauer noch einmal das, wofür er schon als Intendant in Basel oder Hamburg gestanden hatte, er setzte auf Regisseure, die mit ihrer Ästhetik vor allem den Standpunkt der Gegenwart betonen in ihrer Auseinandersetzung mit klassischen oder auch antiken Werken. Dabei war das Spektrum der Regisseure von psychologisch feinsinnigen Jossi Wieler über den zupackend-provokativen Luc Perceval bis hin zum verspielt-clownesken Andreas Kriegenburg weit gefächert und machte trotzdem deutlich, dass hier ein Theater zur Auseinandersetzung einlud, das durchaus auch wehtun durfte. Baumbauer:
"Ich glaube, dass das Theater heute weniger ein Repräsentationsraum ist, also dass wir das Publikum zu uns einladen, nur einen schönen Theaterabend mit uns zu erleben, der etwas repräsentieren könnte, nämlich ein kulturelles Ereignis, sondern eher ein Konzentrationsort ist; also eher etwas, was früher auch andere Räume hatten, wie etwa Universitäten, das ist für mich - ehrlich gesagt - die Zeitgenossenschaft."
Diese Form der Zeitgenossenschaft war ein Teil des alten Publikums der Münchner Kammerspiele und vor allem auch ein neues Publikum nach einigen Anlaufschwierigkeiten bereit mitzugehen. Und wer dies nicht tat, musste eben wegbleiben. Für weichspülende Kompromisse ließ die Spielplandramaturgie unter Frank Baumbauer bewusst keinen Raum. Regietheater war dementsprechend der Vorwurf, der schnell bei der Hand war. Womit gemeinhin ein Theater gemeint ist, in dem sich Regisseure auf Kosten des Schauspielers, der Zuschauer und des Textes selbst verwirklichen. Ein Vorwurf allerdings, der Frank Baumbauer kalt lässt:
"Ich kenne kein Theater und auch keinen Schauspieler, wo man diesen Begriff des Regietheaters im Sinne einer Vergewaltigung eines Publikums einsetzen könnte. Nein, das ist unsere gemeinsame Arbeit. Das ist nicht die Arbeit eines Einzelnen."
Und: Mit seinem Bekenntnis zu einem Theater als Herausforderung geht Frank Baumbauer sogar noch einen Schritt weiter, indem er auch zum Beispiel jenen literarischen Kanon infrage stellt, der für viele Theater oder Intendanten bisher noch als unantastbar gilt:
"Ich glaube ja, aufrichtig gesagt, dass Minna von Barnhelm out ist, um es einmal ganz brutal zu sagen. Weil es keinen wesentlichen Grund mehr gibt, es zu spielen, außer dass es eine wunderbare Dichtung ist; aber, dass das nicht mehr genügt."
Das einfach mal so zu sagen, das haben sich in dieser Deutlichkeit bisher wohl nur wenige getraut. Doch da für Frank Baumbauer klar ist, dass er nun mit 63 Jahren kein Theater mehr als Intendant übernehmen wird, kann sein Blick gelassener und zugleich wohl auch schärfer sein, auch auf das, was die Zukunft der deutschsprachigen Theaterlandschaft angeht:
"Es ist zu befürchten, dass die Vielfalt des Theaterangebots, zumindest was die großen Theater angeht, so nicht mehr zu halten sein wird. Ich denke, die Städte und die Länder müssen sich darüber im Klaren werden, was sie weiter subventionieren können. Es kann sein, dass es die Szene wieder bereichert, das würde ich mir sogar wünschen, aber diese Riesenballungen, sei es an Orchestern oder sei es an Theatern, wird es in diesem Reichtum vielleicht nicht mehr geben."
Othello: "Ich bin vom starken Krieger zum fetten Schurken geschrumpft."
Desdemona: "Du hast dich zum Schlechten verändert, die Menschen fragen sich, ob du noch ganz bei Trost bist. Du hast dein Versprechen gebrochen."
Othello: "Nenn mir doch Namen, ist es Cassio, der mich einen Nigger nennt."
Es sind die beiden, man kann es nicht anders sagen, die beiden ständig bühnenpräsenten fickenden Flügel: Schwarz oben, Weiß unten - wie Othello und Desdemona. Es ist die sprachliche Hardcoreübersetzung des Shakespeare-Stücks in eine Art Kanacksprache und es sind Thomas Thieme als körperwanstiger Othello und Julia Jentsch als feminin-burschikose Desdemona - all dies ist es, was von Luc Percevals ebenso wuchtiger wie wichtiger Othello-Inszenierung im Gedächtnis geblieben ist.
Nach zwei Jahren in Ausweichquartieren schlug dieser Othello ins wiedereröffnete Jugendstiljuwel Münchner Kammerspiele ein wie eine Bombe; und klärte, ein für alle Mal, dass hier und was hier nach den Jahrzehnten unter Dieter Dorn für eine neue Theaterästhetik zu erwarten war. Kaum verwunderlich also, dass sich der scheidende Intendant Frank Baumbauer nun diesen Othello als letzte Vorstellung seiner Intendanz gewünscht hat, für sich aber auch für sein Publikum.
"Warum? Um dem Publikum zu zeigen, welchen Weg wir gemeinsam gemacht haben. Wir haben hier jetzt acht Jahre und sechs Jahre auf dieser Bühne zusammengearbeitet. Und die Theatersprache und die Erzählweise, die Ästhetik, das Verständnis, das Verständnis zum Theater als Ganzem wie auch zur Aufführung im Speziellen, hat sich doch geändert. Und da habt Ihr oder da haben Sie, das Publikum, auch entscheidend mitgemacht."
In den Münchner Kammerspielen tat Frank Baumbauer noch einmal das, wofür er schon als Intendant in Basel oder Hamburg gestanden hatte, er setzte auf Regisseure, die mit ihrer Ästhetik vor allem den Standpunkt der Gegenwart betonen in ihrer Auseinandersetzung mit klassischen oder auch antiken Werken. Dabei war das Spektrum der Regisseure von psychologisch feinsinnigen Jossi Wieler über den zupackend-provokativen Luc Perceval bis hin zum verspielt-clownesken Andreas Kriegenburg weit gefächert und machte trotzdem deutlich, dass hier ein Theater zur Auseinandersetzung einlud, das durchaus auch wehtun durfte. Baumbauer:
"Ich glaube, dass das Theater heute weniger ein Repräsentationsraum ist, also dass wir das Publikum zu uns einladen, nur einen schönen Theaterabend mit uns zu erleben, der etwas repräsentieren könnte, nämlich ein kulturelles Ereignis, sondern eher ein Konzentrationsort ist; also eher etwas, was früher auch andere Räume hatten, wie etwa Universitäten, das ist für mich - ehrlich gesagt - die Zeitgenossenschaft."
Diese Form der Zeitgenossenschaft war ein Teil des alten Publikums der Münchner Kammerspiele und vor allem auch ein neues Publikum nach einigen Anlaufschwierigkeiten bereit mitzugehen. Und wer dies nicht tat, musste eben wegbleiben. Für weichspülende Kompromisse ließ die Spielplandramaturgie unter Frank Baumbauer bewusst keinen Raum. Regietheater war dementsprechend der Vorwurf, der schnell bei der Hand war. Womit gemeinhin ein Theater gemeint ist, in dem sich Regisseure auf Kosten des Schauspielers, der Zuschauer und des Textes selbst verwirklichen. Ein Vorwurf allerdings, der Frank Baumbauer kalt lässt:
"Ich kenne kein Theater und auch keinen Schauspieler, wo man diesen Begriff des Regietheaters im Sinne einer Vergewaltigung eines Publikums einsetzen könnte. Nein, das ist unsere gemeinsame Arbeit. Das ist nicht die Arbeit eines Einzelnen."
Und: Mit seinem Bekenntnis zu einem Theater als Herausforderung geht Frank Baumbauer sogar noch einen Schritt weiter, indem er auch zum Beispiel jenen literarischen Kanon infrage stellt, der für viele Theater oder Intendanten bisher noch als unantastbar gilt:
"Ich glaube ja, aufrichtig gesagt, dass Minna von Barnhelm out ist, um es einmal ganz brutal zu sagen. Weil es keinen wesentlichen Grund mehr gibt, es zu spielen, außer dass es eine wunderbare Dichtung ist; aber, dass das nicht mehr genügt."
Das einfach mal so zu sagen, das haben sich in dieser Deutlichkeit bisher wohl nur wenige getraut. Doch da für Frank Baumbauer klar ist, dass er nun mit 63 Jahren kein Theater mehr als Intendant übernehmen wird, kann sein Blick gelassener und zugleich wohl auch schärfer sein, auch auf das, was die Zukunft der deutschsprachigen Theaterlandschaft angeht:
"Es ist zu befürchten, dass die Vielfalt des Theaterangebots, zumindest was die großen Theater angeht, so nicht mehr zu halten sein wird. Ich denke, die Städte und die Länder müssen sich darüber im Klaren werden, was sie weiter subventionieren können. Es kann sein, dass es die Szene wieder bereichert, das würde ich mir sogar wünschen, aber diese Riesenballungen, sei es an Orchestern oder sei es an Theatern, wird es in diesem Reichtum vielleicht nicht mehr geben."