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Theater für alle

Das Rheinische Landestheater in Neuss verwaltet ein Jahresbudget von 4,1 Millionen Euro, leistet sich dafür ein modernes Schauspielhaus im Zentrum von Neuss und bespielt Theater und Kulturhäuser zwischen Wesel und Gütersloh, Dülmen und Neuwied. Intendantin Ulrike Schanko und Oberspielleiterin Sylvia Richter versuchen, nicht nur Bewährtes und Unterhaltsames an das Publikum auf dem Land zu bringen, sondern auch mal etwas Neues zu wagen.

Von Ulrike Gondorf |
    "Wir waren mit 'Krieg' in Schleiden-Gemünd."

    Und in dem Eifeldorf gab es, nach dem Bericht der Lokalzeitung, ergriffene Zuschauer und begeisterten Beifall für Lars Norens Drama von den Schrecken der Nachkriegszeit, die auf dem Balkan Familien zerstört und Menschen sich selbst entfremdet, auch wenn die Waffen schon lange schweigen. Das Rheinische Landestheater zeigte das Stück "Krieg" in der vergangenen Spielzeit in einer sehr dichten, Figuren und Verstrickungen plastisch nachzeichnenden Inszenierung von Eberhard Köhler.

    Gute Resonanz beim Publikum und eine Einladung zum NRW-Theatertreffen nach Münster, wo es obendrein Preise gab für die beiden Hauptdarstellerinnen Stefanie Breselow und Carmen Betker, machten ausgerechnet diesen Abend, der eine Herausforderung an die Zuschauer darstellte, am Ende zu einer besonders erfolgreichen Produktion des Rheinischen Landestheaters. Eine Bestätigung für den Kurs der Intendantin Ulrike Schanko und ihres Leitungsteams, der darauf abzielt, auch Neues, auch Schwieriges anzubieten, was in einer mittelgroßen Stadt wie Neuss nicht einfach ist, gegenüber den Kulturveranstaltern in kleinen und kleinsten Städten, die das Rheinische Landestheater mit seinem Programm bedient, immer schwieriger und riskanter wird.

    Schanko: "Es ist da zunehmend ein lauter Schrei zu hören nach nur Unterhaltung, nach möglichst großen Namen, nach Produktionen, die sich, wenn man den Titel und den Namen aufs Programm schreibt, von allein verkaufen, wo man keinen Werbeaufwand mehr treiben und keine Vermittlungsarbeit mehr machen muss."

    Da viele Kulturämter ja auch kein Geld mehr haben, investiert das Rheinische Landestheater selbst in die Vermittlung vor Ort: mit Einführungen, Gesprächsangeboten, Pressearbeit. Denn der Absatz der Gastspiele darf laut Satzung der Landestheater nicht unter 50 Prozent der gespielten Vorstellungen sinken. Die Einnahmen aus dem Verkauf sind selbstverständlich auch im Etat veranschlagt. Da ist die Entscheidung für alles andere als die sicheren Nummern der Klassiker und der Komödien schwierig und verantwortungsvoll.

    "Das muss man im Rahmen des Gesamtspielplans gut ausbalancieren: Wenn wir unsere Palette an Genres mit Titeln abgedeckt haben, gucken wir immer noch, welch, von diesen Titeln, die wir da stehen haben, die wir gerne machen möchten, weil uns das Thema interessiert, weil wir es besetzen können, welche sind unsere sicheren Säulen für den Verkauf? Und wir wissen dann genau, wo ist das Stück, was wir machen müssen, machen wollen, was es aber im Verkauf ganz, ganz schwer hat."

    In der letzten Spielzeit ist diese Mischung mit einem insgesamt sehr anspruchsvollen Spielplan geglückt: die Klassiker, dazu Horvaths "Jüngster Tag" und "Hanglage Meerblick" - David Mamets Analyse des gnadenlosen Konkurrenz- und Überlebenskampfes auf der Karriereleiter, die bei der heutigen Lage auf dem Arbeitsmarkt erschreckend aktuell erscheint, obwohl sie schon mehr als 20 Jahre alt ist.

    Ergänzt wurde dieses Angebot durch die Uraufführung eines Unterhaltungsstücks. Die beiden Kabarettisten Martin Maier-Bode und Michael Frowin haben eine musikalische Verwechslungskomödie mit vielen rheinischen Lokalbezügen geschrieben: Frauen für Napoleon. Die Musik stammt von Ralph Benatzky. Die beiden Autoren hatten Zugang zum Nachlass des Komponisten und haben bislang unveröffentlichte Melodien für ihr Stück getextet.

    "Wir machen das natürlich, weil es uns interessiert, was Neues zu machen und zu gucken, wo kann man mit dem Genre eigentlich heute auch noch hin Wir wollen einfach neue Wege ausprobieren und haben deshalb jetzt zweimal Auftragswerke uns erarbeiten lassen für diese musikalische Produktion."

    Auf die Benatzky-Operette folgt zur Eröffnung der kommenden Spielzeit "Call the Police": John von Düffel hat eine Kriminalgroteske rund um Swing-Klassiker geschrieben.