Neue französische Theaterstücke außerhalb des Boulevard sind in Paris so schwer zu finden wie eine Stecknadel im Heuhaufen, dabei umfasst das Bühnenangebot hier 500 Produktionen pro Abend. Umso neugieriger eilte man zur Uraufführung von DESERT INN ins Odéon, eins der programmatisch anspruchsvollsten Pariser Theater. Der Autor und Regisseur heißt Michel Deutsch, er ist Elsässer, arbeitet als Dramatiker, Übersetzer, Regisseur und war in der vorigen Spielzeit mit einer Inszenierung von Heiner Müllers "Germania" aufgefallen. DESERT INN kreist um den amerikanischen Flugzeughersteller, Flieger, Filmproduzenten, Millardär Howard Hughes, auch Titelheld von Martin Scorceses Film "Aviator". Bei Deutsch tritt Hughes nicht selber auf. Wir erleben ihn nur als Stimme aus dem off oder in der Darstellung seiner Bodyguards und Filmgroupies, die mit Songs die Allmachtphatasien und politischen Hasstiraden ihres Boss zugleich referieren und kommentieren. Hughes gewinnt jedoch selbst als Phantom auf der Bühne kein Leben, bleibt ein Konglomerat aus Zitaten. Was uns als Scherbenhaufen des Amerikanischen Traums vorgeführt wird, bleibt Klischee, auch sprachlich ohne eigene Kraft.
Im Petit Théâtre de Paris am Montmartre, einem eleganten Privattheater von 300 Plätzen, eine weitere Uraufführung: LE MEILLEUR PROFESSEUR, "Der beste Lehrer", von Daniel Besse, der sich mit seinem preisgekrönten Glanzstück "Die Direktoren" auch in Deutschland einen Namen gemacht hat.. Ein Elite Gymnasium soll den besten Lehrer für einen repräsentativen Fernsehauftritt benennen, seine Aufgabe besteht im Lob der Werte des französischen Schulsystems. Diese ministerielle Schnapsidee heizt den gnadenlosen Konkurrenzkampf des Lehrerkollegiums an, den Druck der Eltern auf die Schule, das vergiftete Klima unter den Schülern, das schließlich einen von ihnen sogar in den Selbstmord treibt. Es ist der charakterlich und professionell fragwürdigste Lehrer, der bei dem Wettbewerb den Sieg davonträgt, nicht der beste. Daniel Besse greift in seinen Stücken aktuelle Tagesprobleme auf, solche, die wirklich vielen auf den Nägeln brennen. Sein neues Stück mit sprechenden Namen wie Frau Schwein, Herr Albatross, Fräulein Truthahn, lässt an ein Modell wie "Volpone " von Ben Jonson denken, an den Witz von Fabeln, die das unverbesserliche menschliche Verhalten dem der Tiere vergleichen. Ein unterhaltsames Stück. Dennoch stellt sich eine gewisse Enttäuschung ein, vielleicht weil die Figuren letztlich in ihrem psychologischen Tierkorsett stecken bleiben und kalt lassen. Schade um den Ansatz mit einem nur scheinbar banalen Thema. Vielleicht rührt die Enttäuschung aber auch von der Inszenierung her, in der nur Philippe Magnan als ein grandioser Schauspieler herausragte.
Eine schwungvolle, farbige, glänzend choreographierte Uraufführung konnte man hingegen im Théâtre Rond Point in der Regie des Autors und Intendanten Jean-Michel Ribes erleben MUSEE HAUT, MUSEE BAS, auf deutsch etwa "Museum rauf, Museum runter". Eine witzige Szenenfolge in einem Museum, mit den lieben Gruppen, wie wir sie alle kennen, mit der Tragikomödie seiner Wärter, die nach all dem Rubens den ganzen Tag die abendliche Gattin nur noch platt anmutet, mit den Events um einen Politikerbesuch herum, mit den unsäglich flachen Ausführungen über "unsere" französischen Impressionisten. Alle drei Uraufführungen spiegeln augenblickliche dramaturgische Tendenzen wider: Jean-Michel Ribes hat formal einen ganz undramatischen Themenabend produziert wie es ihn hier erfolgreich bereits über Darwin oder Francis Bacon zu sehen gab, und auch das Stück von Deutsch ist in der Spielart der Collage primär eine beliebige Themen- und Reflexionsabfolge. Es ist Glücksache, ob der Zuschauer mehr erlebt als eine bloße Zerstreuung. Daniel Besse wiederum, ein begabter Autor, auch wenn sein neues Stück nicht zu seinen besten zählt, bedient sich der Bausteine des Boulevardtheaters: zugespitzte Figurenzeichnung, typische Situationen und lakonische Repliken, Running Gags. Vor allem aber peilt er Themen an, die auf das Interesse eines aufgeschlossenen neuen Publikums stoßen, das dem Theater sonst eher zu entschwinden scheint. Besse ist auf dem Weg, das Boulevardstück zur realistischen modernen Sittenkomödie zu vertiefen. Das ist umso anerkennenswerter als den anspruchsvolleren französischen Dramatikern durch das hiesige Theatersystem, das im Unterschied zum deutschsprachigen kein Nachspielen kennt, selten Ruhm und Geld winken. Ruhm und Geld aber braucht der Autor nun mal zum Überleben.
Im Petit Théâtre de Paris am Montmartre, einem eleganten Privattheater von 300 Plätzen, eine weitere Uraufführung: LE MEILLEUR PROFESSEUR, "Der beste Lehrer", von Daniel Besse, der sich mit seinem preisgekrönten Glanzstück "Die Direktoren" auch in Deutschland einen Namen gemacht hat.. Ein Elite Gymnasium soll den besten Lehrer für einen repräsentativen Fernsehauftritt benennen, seine Aufgabe besteht im Lob der Werte des französischen Schulsystems. Diese ministerielle Schnapsidee heizt den gnadenlosen Konkurrenzkampf des Lehrerkollegiums an, den Druck der Eltern auf die Schule, das vergiftete Klima unter den Schülern, das schließlich einen von ihnen sogar in den Selbstmord treibt. Es ist der charakterlich und professionell fragwürdigste Lehrer, der bei dem Wettbewerb den Sieg davonträgt, nicht der beste. Daniel Besse greift in seinen Stücken aktuelle Tagesprobleme auf, solche, die wirklich vielen auf den Nägeln brennen. Sein neues Stück mit sprechenden Namen wie Frau Schwein, Herr Albatross, Fräulein Truthahn, lässt an ein Modell wie "Volpone " von Ben Jonson denken, an den Witz von Fabeln, die das unverbesserliche menschliche Verhalten dem der Tiere vergleichen. Ein unterhaltsames Stück. Dennoch stellt sich eine gewisse Enttäuschung ein, vielleicht weil die Figuren letztlich in ihrem psychologischen Tierkorsett stecken bleiben und kalt lassen. Schade um den Ansatz mit einem nur scheinbar banalen Thema. Vielleicht rührt die Enttäuschung aber auch von der Inszenierung her, in der nur Philippe Magnan als ein grandioser Schauspieler herausragte.
Eine schwungvolle, farbige, glänzend choreographierte Uraufführung konnte man hingegen im Théâtre Rond Point in der Regie des Autors und Intendanten Jean-Michel Ribes erleben MUSEE HAUT, MUSEE BAS, auf deutsch etwa "Museum rauf, Museum runter". Eine witzige Szenenfolge in einem Museum, mit den lieben Gruppen, wie wir sie alle kennen, mit der Tragikomödie seiner Wärter, die nach all dem Rubens den ganzen Tag die abendliche Gattin nur noch platt anmutet, mit den Events um einen Politikerbesuch herum, mit den unsäglich flachen Ausführungen über "unsere" französischen Impressionisten. Alle drei Uraufführungen spiegeln augenblickliche dramaturgische Tendenzen wider: Jean-Michel Ribes hat formal einen ganz undramatischen Themenabend produziert wie es ihn hier erfolgreich bereits über Darwin oder Francis Bacon zu sehen gab, und auch das Stück von Deutsch ist in der Spielart der Collage primär eine beliebige Themen- und Reflexionsabfolge. Es ist Glücksache, ob der Zuschauer mehr erlebt als eine bloße Zerstreuung. Daniel Besse wiederum, ein begabter Autor, auch wenn sein neues Stück nicht zu seinen besten zählt, bedient sich der Bausteine des Boulevardtheaters: zugespitzte Figurenzeichnung, typische Situationen und lakonische Repliken, Running Gags. Vor allem aber peilt er Themen an, die auf das Interesse eines aufgeschlossenen neuen Publikums stoßen, das dem Theater sonst eher zu entschwinden scheint. Besse ist auf dem Weg, das Boulevardstück zur realistischen modernen Sittenkomödie zu vertiefen. Das ist umso anerkennenswerter als den anspruchsvolleren französischen Dramatikern durch das hiesige Theatersystem, das im Unterschied zum deutschsprachigen kein Nachspielen kennt, selten Ruhm und Geld winken. Ruhm und Geld aber braucht der Autor nun mal zum Überleben.