Eine Frage hätten wir da noch: Wenn man 25 Banker interviewt, die Mitschnitte abtippt, kürzt und dann zusammenschneidet, ist das schon Theater? Der Dokumentarfilmer Andres Veiel hat aus 1400 Seiten Interview 40 Seiten Bühnentext gemacht. Er hat die wichtigsten Textpassagen auf fünf Finanzjongleure verteilt, einen seltsamen Chauffeur hinzuerfunden und das Ganze in eine Pseudo-Dramaturgie gebracht, die auf die Entsorgung der zockenden Protagonisten zusteuert. 90 Minuten haut er uns Interna aus der Finanzbranche um die Ohren, er zeigt die Verachtung dieser globalen Spieler für uns, für sich, für die Politik. So wie bei Guido Knopp sogenannte Zeitzeugen vor dem Bluescreen sitzen und das Gewünschte beisteuern, so stehen bei Veiel sechs Menschenhülsen auf der Bühne und spucken Spezialwissen aus. Es geht zu wie in einer höheren Lehranstalt.
Andere haben sich die Mühe gemacht, über die Wirtschaft tatsächlich ein Stück zu schreiben – Urs Widmer mit seinen "Top Dogs" zum Beispiel. Martin Suter machte sich über die "Business Class" jahrelang in seinen Kolumnen lustig. Veiel aber ist nur ein Fleißarbeiter, ein Komprimator. Obwohl er grandiose Schauspieler zur Verfügung hat, Susanne-Marie Wrage, Ulrich Matthes, Joachim Bißmeier, kommt der Abend über ein bisschen Text-Agieren und Charaktergefuchtel nie hinaus: Es sind Menschen von der Stange, die uns nicht interessieren, die nur als Symptom relevant sind.
Natürlich will Veiel genau das demonstrieren: die innere Leere eines systematisierten Glücksspiels, in der alle im Rudel hinter dem höchsten Gewinn herjagen und sich gegenseitig wegbeißen. So belegt diese Aufführung einerseits, wieder mal, die Hilflosigkeit des Theaters, das an seinen eigenen Mitteln zweifelt – die einen hauen uns mit Videoschnipseln zu, die anderen exekutieren Text aus dem Archiv. Und gleichzeitig zeigt sich, das ist das Absurde wie auch Geniale an diesem Abend, wie notwendig das Theater immer noch ist – weil es Dinge sagen kann, die im Fernsehen und im Bundestag längst verboten sind.
Denn in der öffentlichen Debatte ist der Euro jetzt die heilige Kuh, das goldene Kalb, der Fetisch, der nicht in Frage gestellt werden darf. Die Gemeinschaftswährung, die ökonomisch völlig ungleiche Länder zusammenspannt, bringt aber immer mehr Zwang und Unfrieden über Europa, und von den ständigen Rettungsaktionen der Union profitieren fast ausschließlich jene White-Collar-Kriminellen, die von Andres Veiel nun in beißendem Zynismus bloßgestellt werden – indem er sie selber sprechen läßt. Sie vernichten Geld, sie vernichten Sachwerte, sie vernichten den Wert von Arbeit, auch unserer Arbeit. In einer weiten (und wahrscheinlich sehr teuren) Halle mit spiegelnden Wänden schweben zwei gläserne Fahrstühle auf und nieder, so wie die Karrieren der Investment-Banker ihre Hochs und Tiefs haben. Natürlich sind das Fahrstühle zum Schafott: Susanne-Marie Wrage, die einzige Frau im Team, ist die blonde Domina, die alle anderen aufs Altenteil entsorgt. Der eine sieht aus wie der alte Hermann-Josef Abs, der andere wie ein Asket; aber alle stricken fleißig mit an einem System, das Schrottkapitalien in Bad Banks auslagert, die dann vom Bundeshaushalt aufgefangen werden, also von uns. Keiner prüft Risiken, weil man keine Zeit hat, Risiken zu prüfen; keiner hat die Zivilcourage, gegen die Mehrheit die Hand zu heben; alle heulen mit den Wölfen, und am Ende ist keiner schuld, weil man angeblich nichts wissen konnte.
Das kommt einem politisch alles ziemlich bekannt vor; als Etüde aus dem Bankenmilieu ist es neu. Trotz und wegen der völligen Abwesenheit von dramaturgischer Finesse brauen sich im Zuschauer zwei gegensätzliche Gefühle zusammen: das einer großen Ödnis und Langeweile – und eine stille Wut auf jene, die von Griechenland oder vom Zockerparadies Zypern profitieren. Und auf jene, die das Ganze politisch immer weiter stützen.
Eines freilich sagt Andres Veiel nicht: unser aller Geld steckt auch – und oft ohne unser Wissen- in Griechenland, in Zypern, in Spanien, oft sogar in der Schweiz. Wir sind selber schuld, weil wir unser Erspartes investieren. Sollen wir das Geld lieber in den Sparstrumpf stecken und den Banken vorenthalten? Die im Publikum heftig vertretene Wirtschafts-Prominenz machte eher den Eindruck, als wäre selbst dies ihr schnurzegal. Solche Leute nehmen nicht einmal die Bundeskanzlerin ernst – die verdient ja nichts.
Andere haben sich die Mühe gemacht, über die Wirtschaft tatsächlich ein Stück zu schreiben – Urs Widmer mit seinen "Top Dogs" zum Beispiel. Martin Suter machte sich über die "Business Class" jahrelang in seinen Kolumnen lustig. Veiel aber ist nur ein Fleißarbeiter, ein Komprimator. Obwohl er grandiose Schauspieler zur Verfügung hat, Susanne-Marie Wrage, Ulrich Matthes, Joachim Bißmeier, kommt der Abend über ein bisschen Text-Agieren und Charaktergefuchtel nie hinaus: Es sind Menschen von der Stange, die uns nicht interessieren, die nur als Symptom relevant sind.
Natürlich will Veiel genau das demonstrieren: die innere Leere eines systematisierten Glücksspiels, in der alle im Rudel hinter dem höchsten Gewinn herjagen und sich gegenseitig wegbeißen. So belegt diese Aufführung einerseits, wieder mal, die Hilflosigkeit des Theaters, das an seinen eigenen Mitteln zweifelt – die einen hauen uns mit Videoschnipseln zu, die anderen exekutieren Text aus dem Archiv. Und gleichzeitig zeigt sich, das ist das Absurde wie auch Geniale an diesem Abend, wie notwendig das Theater immer noch ist – weil es Dinge sagen kann, die im Fernsehen und im Bundestag längst verboten sind.
Denn in der öffentlichen Debatte ist der Euro jetzt die heilige Kuh, das goldene Kalb, der Fetisch, der nicht in Frage gestellt werden darf. Die Gemeinschaftswährung, die ökonomisch völlig ungleiche Länder zusammenspannt, bringt aber immer mehr Zwang und Unfrieden über Europa, und von den ständigen Rettungsaktionen der Union profitieren fast ausschließlich jene White-Collar-Kriminellen, die von Andres Veiel nun in beißendem Zynismus bloßgestellt werden – indem er sie selber sprechen läßt. Sie vernichten Geld, sie vernichten Sachwerte, sie vernichten den Wert von Arbeit, auch unserer Arbeit. In einer weiten (und wahrscheinlich sehr teuren) Halle mit spiegelnden Wänden schweben zwei gläserne Fahrstühle auf und nieder, so wie die Karrieren der Investment-Banker ihre Hochs und Tiefs haben. Natürlich sind das Fahrstühle zum Schafott: Susanne-Marie Wrage, die einzige Frau im Team, ist die blonde Domina, die alle anderen aufs Altenteil entsorgt. Der eine sieht aus wie der alte Hermann-Josef Abs, der andere wie ein Asket; aber alle stricken fleißig mit an einem System, das Schrottkapitalien in Bad Banks auslagert, die dann vom Bundeshaushalt aufgefangen werden, also von uns. Keiner prüft Risiken, weil man keine Zeit hat, Risiken zu prüfen; keiner hat die Zivilcourage, gegen die Mehrheit die Hand zu heben; alle heulen mit den Wölfen, und am Ende ist keiner schuld, weil man angeblich nichts wissen konnte.
Das kommt einem politisch alles ziemlich bekannt vor; als Etüde aus dem Bankenmilieu ist es neu. Trotz und wegen der völligen Abwesenheit von dramaturgischer Finesse brauen sich im Zuschauer zwei gegensätzliche Gefühle zusammen: das einer großen Ödnis und Langeweile – und eine stille Wut auf jene, die von Griechenland oder vom Zockerparadies Zypern profitieren. Und auf jene, die das Ganze politisch immer weiter stützen.
Eines freilich sagt Andres Veiel nicht: unser aller Geld steckt auch – und oft ohne unser Wissen- in Griechenland, in Zypern, in Spanien, oft sogar in der Schweiz. Wir sind selber schuld, weil wir unser Erspartes investieren. Sollen wir das Geld lieber in den Sparstrumpf stecken und den Banken vorenthalten? Die im Publikum heftig vertretene Wirtschafts-Prominenz machte eher den Eindruck, als wäre selbst dies ihr schnurzegal. Solche Leute nehmen nicht einmal die Bundeskanzlerin ernst – die verdient ja nichts.