
Es ist dunkel. Im Bühnenhintergrund flackert ab und zu ein Neonlicht. Noch bevor die Schauspieler auftreten, sind ihre Stimmen zu hören.
"Wir wollten gleich von Anfang an das Kopfkino des Zuschauers anregen und haben zum Beispiel viel über die Frage geredet: Ist es nicht normal, Stimmen zu hören? Hört nicht jeder von uns Stimmen?"
Janette Mickan führt Regie. Die Texte der Produktion stammen aus Interviews, die die Gruppe Lunatiks mit Menschen geführt hat, die Tabletten nehmen. Auch Ärzte und Vertreter der Pharmaindustrie kommen zu Wort. Die meisten beschreiben Pillen als Wundermittel, die den Patienten ein normales Leben ermöglichen.
" … und dann kommt man gleich wieder zu der Frage: Was ist normal, was ist krank? Was ist das mit dieser Pille, die diesen vermeintlichen Normalzustand wiederherstellen soll? "
"Die Dinger schmecken nicht. Die schmecken richtig scheiße. Okay, dann gucken wir mal."
Schizophrenie und Drogenrausch
Der erste, der in der Inszenierung seine Erfahrungen beschreibt, ist ein Schizophrenie-Patient. Nachdem er seine Pillen geschluckt hat, wird die Bühne bunt. Die Beleuchtung deutet einen Drogenrausch an. Doch der Mann wird auch von Ängsten geplagt. Von seinem Balkon blickt er in die Tiefe.
"Einatmen, ausatmen. Das ist hoch. Das ist ganz schön hoch."
Wer genau da am Abgrund steht, erfährt man nicht. Die Stimme des Mannes ist nur aus dem Lautsprecher zu hören und später, als die Schauspieler die Bühne betreten, geht es schon um die nächsten Fälle – Tablettensucht, Depression, ADHS. Vieles rauscht vorbei, weil das Spiel abstrakt bleibt. Die Schauspieler tragen Requisiten hin und her und sprechen ihre Texte, doch nur selten schlüpfen sie in konkrete Rollen. Eine Frau spielt Saxofon, ein Mann setzt sich ans bereitstehende Schlagzeug.
"Das Schlagzeug war für uns von Anfang an ein Instrument, das vorkommen sollte, weil das so an den Herzschlag, an den Beat erinnern sollte. Das war ein bisschen der Startpunkt für einen Rhythmus von so einem Abend. "
Nur in wenigen Momenten gelingt eine spannende Umsetzung
Doch Schwung bekommt der Abend auch durch das Schlagzeug nicht. Die Texte, die größtenteils aus den Interviews stammen, die die Gruppe bei ihrer Recherche geführt hat, beleuchten das Thema von vielen Seiten – neben Krankengeschichten, werden auch Argumente von Ärzten und Wissenschaftlern referiert – doch nur in wenigen Momenten gelingt eine spannende theatrale Umsetzung. In der Mitte der Aufführung wird dem Publikum Sekt angeboten.
"Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich darf Sie herzlich begrüßen zur ersten Verleihung des Pharma Trend Image and Innovation Award. Das beste Pharmaunternehmen wird heute mit der Goldenen Tablette ausgezeichnet. Es geht um Nachhaltigkeit, verantwortungsvolles Handeln unter ethischen Aspekten."
Die Rhetorik der Rednerin entlarvt sich von selbst – erst recht, als ein Professor als Ehrengast angekündigt wird, von dem man später erfährt, dass er schon wegen der Erstellung von Gefälligkeitsgutachten für einen großen Pharmakonzern vor Gericht stand.
Doch nur selten wird die Aufführung so konkret, wie bei der Entlarvung dieses Professors. Es fehlt ein roter Faden. Die Rolle, die Medikamente in unserer Gesellschaft spielen, scheint in verschiedenen Szenen kurz auf, doch wirklich ausgeleuchtet wird das Thema nicht.