Sie haben keine Biografien, erzählen keine Geschichten, sondern sind einfach da: die Verirrten und Verwirrten, Paare und Passanten, Männer, Frauen und Kinder in Peter Handkes neuem Stück. Sie markieren ihren Weg oder suchen ihn, sie rennen oder stolpern, schleichen oder hasten, flüchten oder schleppen sich über die Bühne. Der Strom der Menschen wird zur kleinen Völkerwanderung, und nach stummen Gehbewegungen kommt es zu fetzenhaften Gesprächen, die aus Banalität und Pathos zur Bedeutsamkeit vorzustoßen suchen.
Handkes Stück "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" war noch allein Beschreibung von wortlosen Leuten und deren Handlungen, während in seinem "Untertagblues" ein wilder Mann bei seiner U-Bahn-Fahrt alle anderen, wort- und haltungslosen Menschen wortmächtig beschimpfte. In seinem neuen Stück verbindet er nun beide dramaturgischen Elemente und fügt die Kunstfigur eines Autors und Zuschauers als beschreibende Instanz hinzu. Das ergibt keine herkömmliche Dramaturgie, auch keine Tragödie oder gar Komödie, sondern eine Art menetekelnder Bildbeschreibung. Im Interview betonte der Autor: "Ich hatte überhaupt kein Thema, außer so kleinen Konstellationen, die ich auf der Straße in Paris beobachtet habe." In diesem Versuch über das Gehen und Sehen steckt eine tief pessimistische Haltung zur Welt: ein behaupteter Zeit- und Bild-Verlust führt zu so pathetischer wie apokalyptischer Trauer. So gehen zwei Männer über die Bühne und reden über Folgen von und Haltungen zu Ereignissen.
Hinter den vielen kleinen Begegnungen, Annäherungen und Abschieden, Streitereien und Liebesbezeugungen dräuen historische und literarische Figuren wie Medea, Josef K., Odysseus, Noah und Abraham, und zugleich vermissen die Figuren des Autors den "Fremden" als das notwendige Gegenüber. Der Text wirkt, je nach literarischem Geschmack, süffig oder kitschig, doch spielen lässt er sich wegen seines auftrumpfenden Behauptungs- und Beschreibungsgestus nur schwer. Claus Peymann, der dem Theaterautor Handke seit 41 Jahren die Treue hält - 1966 hat er mit der "Publikumsbeschimpfung" Handkes dramatischen Erstling in Frankfurt zur Uraufführung gebracht -, setzt die Figur des Zuschauer-Autors direkt vor die Bühne. Dieser präsentiert und kommentiert die ersten Auftritte.
Später schaut er nur noch stumm zu und mischt sich erst wieder ein, wenn die Figuren auf der Bühne das Ende der Zeit gekommen meinen, nichts mehr tun zu können glauben und mit dem Lied trauern "Als ich zum fallenden Apfel noch sagen konnte: Hör auf zu fallen!: Das waren noch Zeiten. Das war die Zeit." Da springt der Autor-Zuschauer auf die Bühne und schlägt vor, weiterzuspielen: "Könnte nicht ein jeder von euch noch und noch Geschichten erzählen, wie sich das Blatt gewendet hat?" Handkes "Spuren der Verirrten" endet als hoffende Aufforderung an den Menschen und Zuschauer, genau hinzuschauen.
Der reale Zuschauer im Berliner Ensemble bekommt jedoch nur die Ungenauigkeit absoluter inszenatorischer Textgläubigkeit zu sehen. Das ist Theaterkunst als Kunsttheater, mit Schauspielern, die deutlich nur so tun, als seien sie andere als sie selber. Es ist ein uneigentliches Spiel der formalen und personalen Behauptungen. Dafür hat Karl-Ernst Hermann die leere Bühnenschräge des Berliner Ensembles mit einer Art riesigen, eckig-abstrakten Orgelpfeifen umgeben. Zwischen ihnen treten die Figuren im immer gleichen Rhythmus ins Licht: Erst von links, dann von rechts, darauf von vorn, schließlich von hinten. Die Szenerie erscheint so mehr als Straßenkreuzung denn als Kreuzweg.
Claus Peymanns einfallslose Auftritts- und Bewegungschoreografie verdeutlicht in Karl-Ernst Hermanns unschönem Kunstraum unfreiwillig die mechanistische Konstruktion des Textes, und Peymanns direkte Bebilderung von Handkes Situationsbeschreibungen lockt mit ihrer szenisch nachbuchstabierenden Gläubigkeit deren oft peinliches Pathos hervor. Wenn im zweiten Teil alle Menschen nach und nach versehrt und bandagiert auftreten, wirkt das genauso bemüht wie am Schluss, wenn alle wieder ihren Weg finden und sich an Tieren orientieren, - wie einer befreiten Spinne oder einem auf- und abtauchenden Delphin. Im großen, soliden Ensemble stechen vor allem Carma-Maja Antoni mit trockenem Witz und Axel Werner mit seiner stoischen Nüchternheit hervor: Sie reiben sich an Handkes allzu selbstverliebtem und selbstsicheren Text und rauen ihn zur Lebendigkeit auf. Insgesamt aber stellt Claus Peymanns Uraufführungsinszenierung keine Fragen, sondern kommt als Handke-Weihefeier daher. So konnte sich der strahlende Autor lange auf der Bühne im Schlussapplaus sonnen.
Handkes Stück "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" war noch allein Beschreibung von wortlosen Leuten und deren Handlungen, während in seinem "Untertagblues" ein wilder Mann bei seiner U-Bahn-Fahrt alle anderen, wort- und haltungslosen Menschen wortmächtig beschimpfte. In seinem neuen Stück verbindet er nun beide dramaturgischen Elemente und fügt die Kunstfigur eines Autors und Zuschauers als beschreibende Instanz hinzu. Das ergibt keine herkömmliche Dramaturgie, auch keine Tragödie oder gar Komödie, sondern eine Art menetekelnder Bildbeschreibung. Im Interview betonte der Autor: "Ich hatte überhaupt kein Thema, außer so kleinen Konstellationen, die ich auf der Straße in Paris beobachtet habe." In diesem Versuch über das Gehen und Sehen steckt eine tief pessimistische Haltung zur Welt: ein behaupteter Zeit- und Bild-Verlust führt zu so pathetischer wie apokalyptischer Trauer. So gehen zwei Männer über die Bühne und reden über Folgen von und Haltungen zu Ereignissen.
Hinter den vielen kleinen Begegnungen, Annäherungen und Abschieden, Streitereien und Liebesbezeugungen dräuen historische und literarische Figuren wie Medea, Josef K., Odysseus, Noah und Abraham, und zugleich vermissen die Figuren des Autors den "Fremden" als das notwendige Gegenüber. Der Text wirkt, je nach literarischem Geschmack, süffig oder kitschig, doch spielen lässt er sich wegen seines auftrumpfenden Behauptungs- und Beschreibungsgestus nur schwer. Claus Peymann, der dem Theaterautor Handke seit 41 Jahren die Treue hält - 1966 hat er mit der "Publikumsbeschimpfung" Handkes dramatischen Erstling in Frankfurt zur Uraufführung gebracht -, setzt die Figur des Zuschauer-Autors direkt vor die Bühne. Dieser präsentiert und kommentiert die ersten Auftritte.
Später schaut er nur noch stumm zu und mischt sich erst wieder ein, wenn die Figuren auf der Bühne das Ende der Zeit gekommen meinen, nichts mehr tun zu können glauben und mit dem Lied trauern "Als ich zum fallenden Apfel noch sagen konnte: Hör auf zu fallen!: Das waren noch Zeiten. Das war die Zeit." Da springt der Autor-Zuschauer auf die Bühne und schlägt vor, weiterzuspielen: "Könnte nicht ein jeder von euch noch und noch Geschichten erzählen, wie sich das Blatt gewendet hat?" Handkes "Spuren der Verirrten" endet als hoffende Aufforderung an den Menschen und Zuschauer, genau hinzuschauen.
Der reale Zuschauer im Berliner Ensemble bekommt jedoch nur die Ungenauigkeit absoluter inszenatorischer Textgläubigkeit zu sehen. Das ist Theaterkunst als Kunsttheater, mit Schauspielern, die deutlich nur so tun, als seien sie andere als sie selber. Es ist ein uneigentliches Spiel der formalen und personalen Behauptungen. Dafür hat Karl-Ernst Hermann die leere Bühnenschräge des Berliner Ensembles mit einer Art riesigen, eckig-abstrakten Orgelpfeifen umgeben. Zwischen ihnen treten die Figuren im immer gleichen Rhythmus ins Licht: Erst von links, dann von rechts, darauf von vorn, schließlich von hinten. Die Szenerie erscheint so mehr als Straßenkreuzung denn als Kreuzweg.
Claus Peymanns einfallslose Auftritts- und Bewegungschoreografie verdeutlicht in Karl-Ernst Hermanns unschönem Kunstraum unfreiwillig die mechanistische Konstruktion des Textes, und Peymanns direkte Bebilderung von Handkes Situationsbeschreibungen lockt mit ihrer szenisch nachbuchstabierenden Gläubigkeit deren oft peinliches Pathos hervor. Wenn im zweiten Teil alle Menschen nach und nach versehrt und bandagiert auftreten, wirkt das genauso bemüht wie am Schluss, wenn alle wieder ihren Weg finden und sich an Tieren orientieren, - wie einer befreiten Spinne oder einem auf- und abtauchenden Delphin. Im großen, soliden Ensemble stechen vor allem Carma-Maja Antoni mit trockenem Witz und Axel Werner mit seiner stoischen Nüchternheit hervor: Sie reiben sich an Handkes allzu selbstverliebtem und selbstsicheren Text und rauen ihn zur Lebendigkeit auf. Insgesamt aber stellt Claus Peymanns Uraufführungsinszenierung keine Fragen, sondern kommt als Handke-Weihefeier daher. So konnte sich der strahlende Autor lange auf der Bühne im Schlussapplaus sonnen.