Szene aus dem Stück: "Welcome to ‘Keeping It Clean’ – how to properly use clean rooms… most valueable tools in limiting contamination of sensitive hardware."
Zwei Frauen in Kostümen, die an Sportkleidung erinnern, stehen auf einer recht leeren Bühne. Zum Zuschauerraum ist eine dicke, transparente Folie als Vorhang eingezogen, wie sie tatsächlich in den Reinräumen, also den Clean Rooms in der Technikproduktion, verwendet wird.
Miriam Schmidtke: "Das ist halt irgendein möglichst partikelarmer Raum, in dem eben genau diese Hardware für unsere schöne neue Welt eigentlich geschaffen wird. Und dieser Raum ist eigentlich sehr menschenfeindlich. Der Mensch ist der größte kontaminierende Faktor da drin, und eigentlich ist man da gar nicht gewünscht - dieses Paradox fand ich dann sehr spannend."
"Ich sehe aus wie auf Instagram"
Regisseurin Miriam Schmidtke nahm gemeinsam mit der Musikerin und Darstellerin Mimu Merz die Fertigungskette in so einem lebensfeindlichen Reinraum als Ausgangspunkt für ihre so genannte "Stückentwicklung".
Szene aus dem Stück: "Ich verfolge Fliegen, die auf dem Monitor rumrennen, mit der Maus, um zu sehen, ob sie sich belästigt fühlen."
Mimu Merz: "Miriam und ich haben den Text über... aber auch zum Beispiel Naemi Latzer, die zweite Darstellerin, hat Texte zur Verfügung gestellt, die ihre Lebensrealität wiederspiegeln als junge Schauspielerin, die im Begriff ist, sich eine Karriere aufzubauen."
Sagt Mimu Merz, die ebenso auf der Bühne spielt.
Szene aus dem Stück: "Ich sehe aus wie auf Instagram. Ich entwickle mich zu einem Ideal. Der Prozess erfordert ein Höchstmaß an Disziplin und im Idealfall auch echte Begeisterung für alles, was der Markt von mir verlangt."
Die beiden Darstellerinnen zippeln herum wie Roboter, anfangs losgelöst von einander. Aber sie filmen sich mit dem Handy, Close-ups erscheinen live an der Hinterwand der Bühne als Videoprojektion. Mimu Merz vollführt wellenförmige Bewegungen mit den Händen, Naemi Latzer läuft hin und her. Später spricht die eine und die andere tanzt maschinenartig – übt sie eine Kampfsport-Bewegung oder ist das ein monotoner Handgriff in der Hardware-Fabrik?
Miriam Schmidtke: "Was ist das eigentlich, vor so einer Folie von diesem Clean Room zu arbeiten und einen Raum zu haben, der eigentlich kein Reward-System hat."
Mimu Merz: "Zum Thema Reward-System, also Belohnungssystem: Beim Clean Room ist es ja so, da gibt’s nichts zu holen. Man putzt vermeintlich Blitzeblankes immer sauberer, man darf keine Spuren hinterlassen, schlimmer noch, man wischt Spuren weg, die gar nicht sichtbar sind. Das ist fast schon neurotisch eigentlich. Das ist ein neurotischer Akt."
Szene aus dem Stück: "Manchmal putze ich im Photoshop versehentlich die Flecken auf meinem Bildschirm vom Foto, bisher erfolglos."
"Wie kann ich mein Inneres schützen?"
Natürlich denkt man bald an die virtuelle Perfektion geschönter Influencer-Profile und anderer Selbstdarstellungen in den sozialen Medien – letzten Endes sind die Plattformen auch eine Art Clean Room. Einem Automatismus gleich eliminieren wir alles, was das Bild von uns trübt.
Mimu Merz: "In so einem System kann man keine eigene Geschichte hinterlassen, man lebt im Hier & Jetzt, in der ständigen Wiederholung, die auch gewünscht und gefordert ist."
In einer Welt voll steriler Oberflächlichkeit erscheint das menschliche Wesen immer unzulänglich. Die Existenz wird vielmehr ein rituelles Vegetieren mit lauter neurotischen Vorgängen, von denen sich die Darsteller emanzipieren sollen.
Miriam Schmidtke: "Wie kann ich eigentlich auch mein inneres Ökosystem, mein eigenes Ökosystem, irgendwie schützen vor dem, was draußen passiert, aber auch teilweise vor dem, was in mir drinnen passiert?"
"Ökosystem" meint hier die menschliche Psyche und Physis, die einer feindlichen, fordernden Welt ausgesetzt sind. Gewissermaßen wirken die menschenfeindlichen Bedingungen der Clean Rooms in den dort entstandenen Produkten fort und bestimmen unser Leben, so könnte man Miriam Schmidtke interpretieren.
Miriam Schmidtke: "Wenn ich mir diese ganzen Instagram-Accounts anschaue, es wiederholt sich am Ende irgendwie natürlich alles – das ist eigentlich sowieso klar, das hat uns weniger interessiert, sondern wirkliches dieses Systemische und wie dieses System gebaut ist. Wie es sich speist, nämlich tatsächlich aus den Menschen, die immer ein bisschen von ihrem emotionalen Kapital zu viel da reingeben müssen und irgendwann vielleicht dann auch am Ende leer oder ausgebrannt sind."
Das alles will das Stück "How To Protect Your Internal Ecosystem" auf einer Metaebene verhandeln. Die Bewegungen auf der Bühne sind minimalistisch. Umso mehr liefert die Sprache unentwegt Assoziationen und Denkanstöße, wechseln Monolog, Dialog und synchrone Passagen. Das alles wirkt sehr kurzweilig. Ohne eine Moral aufgedrückt zu bekommen, nimmt man interessante Gedanken über die eigene und andere Darstellungen in der virtuellen Welt mit.