Archiv

Theaterstück
Die Ängste der Reichen

Tino Hanekamp, Journalist, Clubbetreiber und Romanautor, und die Theaterregisseurin Maria Magdalena Ludewig beschäftigen sich mit der Generation der Erben, die für ihr Geld nie selbst arbeiten musste. In "Born Rich" geht es um deren ganz eigenen Geldsorgen.

Von Dirk Schneider |
    "Born Rich" ist ein Stück für eine Person: Goldglänzend geschminkt, jammert, fleht und wütet sich die Schauspielerin Anne Ratte-Polle als reiche Erbin durch den Abend. Sie erzählt uns von den Sorgen und Nöten von Menschen, die mehr Geld haben, als sie jemals ausgeben können. Und das auch noch unverdient. Sie haben geerbt. Und das wird ihnen nicht gegönnt.
    "Du denkst, du wärest der bessere Reiche. Du denkst, du könntest mehr mit meinem Geld anfangen als ich."
    Diesen Gedanken hatte auch der Autor Tino Hanekamp, als er zusammen mit der Regisseurin Maria Magdalena Ludewig zur Recherche echte Erben interviewt hat:
    "Weil diese Tragik immer auch da war und sich immer auch anders geäußert hat, dachte ich irgendwann: Gib's mir doch! Gib mir doch dein Geld, ich kann viel besser damit umgehen. Und du wärst dann erlöst. Aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto weniger glaube ich da dran."
    Es ist also was dran an dem Spruch, dass Geld nicht glücklich macht. Die Sehnsucht nach Normalität, für die meisten Reichen bleibt sie unerreichbar.
    "Das geht schon bei Beziehungen los. Wie schwer es ist als jemand, der so reich geboren ist, mit jemandem zusammen zu sein, der nicht aus dieser Welt kommt. Einfachstes Beispiel: Ehevertrag. Und es gibt natürlich ein großes Bedürfnis bei den meisten, nicht in ihrem Reichenghetto zu leben, sondern hinauszutreten. Aber dann bist du sofort mit Konflikten konfrontiert."
    "Der Tag wird kommen, der Tag, an dem du Geld brauchst. Du kommst, sie kommen, irgendwann kommen sie alle und wollen Geld."
    Geld trennt und bei Geld hört die Freundschaft auf, das gilt in vielen Hinsichten. Ratte-Polle, die im Stück nur Dingsbums heißt, spielt die Nöte der Erbin durch: Der Versuch, ein einfaches Arbeitsleben zu führen, scheitert nicht zuletzt an der Motivationsfrage: Warum schuften, wenn man von den Zinsen seines Vermögens leben kann? Für den Umgang mit den Freunden findet sich schließlich eine zynische Lösung:
    "Ihr kriegt das Geld. Aber ihr müsst Aufgaben erfüllen, Missionen erfüllen, damit ihr merkt, damit ihr spürt, wie es sich anfühlt, in meiner Haut zu stecken. Damit ihr spürt, dass ihr diesen Traum nicht leben wollt. Und zwar..."
    So wie Onkel Dagobert nicht zu beneiden ist – von Sorgen zerfressen wacht er darüber, dass seine Taler nicht den Panzerknackern in die Hände fallen – so konnten auch Hanekamp und Ludewig keinen echten Neid empfinden auf den Reichtum ihrer Gesprächspartner. Angst vor falschen Freunden, vor Entführung, vor der Öffentlichkeit – denn ihre bloße Existenz ist in unserer Gesellschaft eine Provokation:
    "Wir leben einfach mit dieser gesellschaftlichen Vereinbarung: Wer was leistet, der kriegt was. Und das stimmt zwar an ganz vielen Stellen schon nicht mehr, aber trotzdem ist das unsere Grundvereinbarung. Und ich glaube, dass dieser Moment, dass man tatsächlich sagt: Ich hab was, dafür habe ich nichts geleistet, das ist so radikal, das auszusprechen."
    "Euer Mangel ist nicht der Mangel an Reichtum, es ist der Mangel an Vorstellungskraft, wie es sich anfühlt, mein Leben zu leben, und welche Geldsorgen ich habe."
    Arme reiche Frau Dingsbums! Am Ende überlegt sie sich, das ganze Geld einfach im Klo runterzuspülen. Bei einer halben Milliarde würde das ein paar Jahrzehnte dauern, aber damit hätte sie wenigstens eine sinnvolle Aufgabe. Leider verlässt das Thema in "Born Rich" nie die private Ebene, gesellschaftliche Lösungen wie eine höhere Erbschaftssteuer wären ja auch ein interessanter Aspekt. Doch die Reichen hängen trotz allem an ihrem Geld – das haben Hanekamp und Ludewig erfahren, als sie ihre Gesprächspartner auch mal nach etwas Kleingeld gefragt haben:
    - "Wir wollten 1.000 Euro pro Abend verschenken, um die physische Kraft des Geldes spürbar zu machen. Einfach jemandem im Publikum 1.000 Euro in die Hand drücken."
    - "Ohne ihm zu sagen, was er damit machen soll."
    - "Und wir haben niemanden gefunden, der uns diese 4000 Euro gegeben hätte."