Immerhin erstaunlich, was von der flüchtigen Kunst der Oper denn doch noch geblieben ist. Etwa der Schuh der legendären Tänzerin Barbara Campanina, "La Barberina" (sehr kleiner Fuß, der Friedrich dem Großen den Kopf verdreht haben soll). Die Sänfte der Prima Donna am Gothaer Hoftheater. Das kein bisschen abgerissene Flickenkostüm des famosen Harlekin Carlin Bertinazzi. Regen- und Donnermaschinen - Kuriosa, Erinnerungsstücke an eine untergegangene Welt. Denn wie das große Barockopernwelttheater tatsächlich funktioniert und gewirkt hat, ist heute nur noch zu ahnen.
Fünf Akte mit zweiundzwanzig kompletten Bildwechseln erlebte das Wiener Publikum der Huldigungsoper Il Pomo d'oro zu Ehren der Braut Kaiser Leopolds, 1668: Himmel, Hölle, Haine. Lustgärten. Meeresstürme. Die akribisch ausgeführten Szenenentwürfe sind erhalten, man kann sich hineinträumen. Seltener die Blicke in den Zuschauerraum. Der piemontesische Maler Pietro Domenico Olivero zeigt, wie es wohl war: Auf der Bühne wird gesungen, im Parkett geschwatzt. Bewaffnete Wachmänner zwischen den Reihen, es werden Orangen und Getränke verkauft. Einer liest ein Buch, nur vielleicht das Libretto.
"Theatrum Mundi" ist keine Thesenausstellung. In Facetten fächert die Münchener Schau ihr wunderbar unzeitgemäßes Thema auf: Architektur. Publikum. Bühnenbild. Feste. Kostüme. Stars. Commedia dell'Arte (und sei es, um ein paar schöne Watteaus und Tiepolos zu zeigen). "Kunst und Bühne" und wie sich die Historienmalerei nicht nur die heroischen Gesten der Sänger abguckte, sondern ihre historischen (oder mythologischen) Stoffe gleich in imaginäre Theaterräume projizierte.
Vom "Theatrum Sacrum" im Zentrum führt ein geheimer Faden zu den zwei großen Portraits, die Mario Ricci von dem unerreichten Superstar des 18. Jahrhunderts angefertigt hat: Carlo Broschi, genannt Farinelli, der Soprankastrat, der selbst den Bourbonen die Schwermut vertrieb und es zum Minister brachte. Als Minister, als mächtigen Irdischen zeigt ihn auch Ricci. Mehr hätte die Konvention wohl nicht erlaubt. Seine Quasi-Göttlichkeit hatte Farinelli im Theater offenbart, und das, wenn die Zeugen recht haben, noch überzeugender als der Leinwand-Jesus in den heiligen Kulissen.
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