Eine gewisse typisch österreichische Ironie findet dabei auch Michael Fleischhacker, stellvertretender Chefredakteur der Zeitung 'Die Presse’, die den ehemaligen Redakteur Theodor Herzl mit einer Sonderbeilage ehrte. Fleischhacker über das Herzl-Andenken in Wien:
Wenn man nachliest, wie Herzl in seinen Tagebucheinträgen, wie sehr er auch um den Wiener Antisemitismus gelitten hat, und das macht den Wienern retrospektiv nichts, denn er war ein berühmter Österreicher. Das hat man sehr oft, das Leute, die später Bekanntheit und Weltberühmtheit erlangen, dann vereinnahmt werden, auch wenn der Kern ihres Denkens oder Schaffens ein Unbehagen am Österreichischen gewesen ist. Dann werden sie trotzdem durch das Österreichische hinterher wieder vereinnahmt.
Auch die kleine jüdische Gemeinde feiert Herzl in einer Gedenkveranstaltung in der großen Wiener Synagoge, dem Stadttempel. Die Führung der Israelitische Kultusgemeinde sowie Persönlichkeiten aus Kultur und Politik, darunter der gewählte Staatspräsident Heinz Fischer, ehren Theodor Herzl. Schauspieler des Burgtheaters, wo der Vater des Zionismus als Dramatiker Erfolg erntete, lesen aus seinem Tagebuch vor. An die Überführung der menschlichen Überreste von Herzl und seinen Eltern nach Israel 1949 mit Zwischenstation in diesem Gotteshaus, wie sich Herzl in seinem Testament wünschte, erinnert der orthodoxe Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg.
Die Särge wurden mit der israelischen Flagge bedeckt und im Tempel vor dem Aron Hakodesch (dem Thoraschrank) aufgebracht. Ehrenwachen zogen ihre Posten zu beiden Seiten des Sarkophags. Sie wurden von den Vorstehern der Gemeinde gestellt.
Obwohl Herzls Grab seit 50 Jahren leer ist, pilgerten dennoch Gemeindeführer dorthin. Obwohl er den Rabbiner jeden politischen Einfluss absprach und sogar christliche Zionisten als Teil der jüdischen Nation sah, feiert ihn die religiöse zionistische Organisation Misrachi mit einer internationalen Tagung zum Thema "Herzl und das religiöse Judentum". Auch die Stadt Wien, die dieses Symposium finanziert, vereinnahmt ihren berühmten Sohn Theodor Herzl. Das von der Stadt geförderte Jüdische Museum veröffentlichte eine Sammlung von Herzls Feuilletons unter dem Titel "Die treibende Kraft". Viel Aufsehen erregten diese unbekannten Thesen des ersten Zionisten zu Themen wie Radfahren und Schönheitschirurgie, erzählt Alfred Stalzer, Pressesprecher des Jüdischen Museums in Wien:
Es gibt einen ganz skurrilen Aufsatz, der reflektiert die Frage der Assimilation der jüdischen Bevölkerung, das heißt die Nase. Ein Beitrag über die Schönheitsoperationen, die damals populär wurden um die Jahrhundertwende. Bei der Nasenoperation geht es darum, dass Herzl über diese neue Mode sich ein wenig lustig macht, dass man so stark nach Äußerlichkeiten geht und dass man diese Äußerlichkeiten aus Anpassungsgründen jetzt auch noch korrigieren kann durch operative Eingriffe.
Herzl ist der Held der Stunde in Wien, der Zionismus ist aber weit davon entfernt – wegen der Intifada und des israelischen Absperrzauns. Um Konflikte zu vermeiden, wie zum Beispiel den Protest von Palästinensern und Moslems wegen der Benennung eines zentralen Platzes nach Herzl, betont man in Wien unproblematischere Seiten des Multitalents Herzl, nicht seine zionistische Vision. Der Wiener Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici weist auf eine Besonderheit seiner Landsleute bezüglich ihrer Geschichte und Vergangenheit. Rabinovici unterscheidet zwischen diesen Begriffen:
Herzl ist eine Möglichkeit, der Geschichte zu gedenken ohne an die Vergangenheit zu denken, weil Herzl ist ein Jude, der nicht einmal flüchten musste, weil er zuvor schon gestorben ist. Er berührt nicht unbedingt eine sehr heikle österreichische Geschichte per se. Er ist ein Teil der Geschichte, aber nicht ein Teil der Vergangenheit. Im Deutschen sagt man ganz gerne 'das ist ein Man mit Geschichte’ und das meint man etwas Positives. Und man sagt auch sehr gern 'das ist eine Frau mit Vergangenheit.' Damit meint man nichts Positives. Vergangenheit ist eigentlich das was bewältigt wird. Vergangenheit verweist auf die Nationalsozialisten. Geschichte, das ist Franz Josef und. Richard Löwenherz, Die Kreuzzüge sind nicht Vergangenheit. Sie sind Geschichte und Geschichte ist etwas, was man gerne lernt. Vergangenheit ist etwas, was man gern verschweigen will.
Die Bürgerinitiative, der Rabinovici angehört, den Karl-Lueger-Ring oder den Karl-Lueger-Platz nach Herzl umzubenennen, wurde jedoch abgelehnt. Die Wiener wollten das Jubiläum ohne Konflikte feiern.