Wie also halten es die verschiedenen Schulen mit dem Lachen? Sanktionieren sie es oder tolerieren und provozieren sie es, gehen gar kreativ im therapeutischen Prozeß damit um? Die Autoren untersuchen elf verbreitete Psychotherapieformen, von denen mittlerweile nur noch zwei von den Krankenkassen finanziert werden. Um es vorwegzunehmen: Wer lachend gesunden will, muß selbst dafür aufkommen; die Psychoanalyse und die Verhaltenstherapie, jene staatlich anerkannten Heilverfahren, tun sich aus unterschiedlichen Gründen mit dem Humor schwer. Doch schon in der Generation Freuds gab es einen Abweichler, der die Zweckmäßigkeit von Witzen für den Heilungsprozeß erkannte: Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie. Er neigte dazu, Neurosen seiner Patienten dahingehend zu kommentieren, daß sie strukturell Scherzen glichen – und sie damit vom Patienten leichter genommen werden könnten, als sie es aktuell taten. Natürlich ist das noch kein Heilungsansatz, doch Adler führte als erster die sogenannte "konfrontative Technik" ein, dem Patienten nämlich in ironischer oder satirischer Brechung seine bisweilen bizarren Probleme vor Augen zu führen. Was den Humor im Alltagsleben auszeichnet, wirkt auch hier als Barrierebrecher: der Verblüffungseffekt der Pointe. Statt in Tränen auszubrechen oder sich noch tiefer in Depressionen zu flüchten, brachen die meisten der Patienten in schallendes Gelächter aus. Und hatten danach eine offenere Perspektive auf sich und ihre Probleme.
Auch Viktor Frankls "Logotherapie", fünfzig Jahre später aus dem selben Stamm gesprossen, setzt auf Konfrontation; Frankl nennt sie "paradoxe Intention". "Der Humor", schrieb er einst, "würde verdienen, ein Existential genannt zu werden. Nicht anders als die Sorge und die Liebe." Frankls Humor verlangt vom Therapeuten wie vom Patienten den "Mut zu Lächerlichkeit", die neurotischen Symptome sollen in der Ironie ihren Schrecken verlieren, wodurch das Urvertrauen zum Dasein zurückkehrt. Der Auschwitz-Überlebende Viktor Frankl gilt dabei als Kronzeuge für die Kraft des Humors, und so greifen die modernen bis modischen Therapieschulen auf seine "paradoxe Intention" zurück, wenn sie nicht mitfühlend leiden, sondern mitfühlend lachen wollen. Damit ist zugleich die Grenze markiert, denn Lachen kann auch enorm destruktiv wirken. Zwar besteht übereinstimmend die Meinung, daß Psychotherapeuten die Empfindlichkeit ihrer Patienten eher über-, und deren Möglichkeit, humorvoll zu reagieren eher unterschätzen, doch an einem schlechten Tag kann die Sache auch nach hinten losgehen. Sarkasmus und zynische Bemerkungen sind nicht heilsam; und wer nach dem gängigen Motto "Ratgeber ersparen Therapien" nun depressiven oder neurotisch gestörten Mitmenschen mit Witzen aufhelfen will, der kommt nicht viel weiter; es gehört ein entsprechendes Umfeld dazu. Michael Titzes und Christoph T. Eschenröders Buch ist eben kein Ratgeber, sondern ein komprimierter Überblick über den Stand der Forschung. Wen's interessiert, der ist mit der Lektüre gut beraten; ein paar Witze bekommt er obendrein. Aber ganz ehrlich: So richtig komisch sind sie nicht.