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Therapie auf uralten Pfaden

Neurologie. - Wer unter einem Trauma oder eine schweren Phobie leidet, kann in Therapien lernen, mit seiner Angst umzugehen und sie sogar wieder zu verlieren. Eine New Yorker Forscherin hat nun die neurologischen Grundlagen des Mechanismus untersucht, der das Verlernen der Furcht möglich machen soll.

Von Martin Hubert |
    Menschen können ihre Furcht offenbar deshalb bekämpfen, weil ihnen uralte Regelkreise im Gehirn dabei helfen. Das zeigt eine Studie der Neuropsychologin Elizabeth Phelps von der New Yorker Universität, die demnächst im Fachmagazin "Neuron" erscheinen wird. Bisher schon lassen sich Versuchspersonen in Experimenten so konditionieren, dass sie auf einen bestimmten Reiz hin Furcht empfinden. Diese Furcht kann man dann mittels sogenannter Extinktion auch wieder eindämmen. Elizabeth Phelps:

    " Sie zeigen Versuchspersonen auf einem Monitor einen neutralen Reiz, zum Beispiel ein blaues Quadrat, und verbinden dieses immer wieder mit einem leichten Elektroschock. Die Versuchspersonen werden dann Angst bekommen, wenn das blaue Quadrat erneut auftaucht. Bei der Extinktion präsentieren wir das blaue Quadrat dann ein paar Mal hintereinander, ohne dass die Versuchsperson den Elektroschock erhält. So kann sie allmählich lernen, dass das blaue Quadrat keine Bedrohung mehr signalisiert. "

    Die Extinktion ist ein natürlicher Mechanismus, um Furcht zu verlernen, den viele Arten nutzen. Denn empfindsame Organismen machen immer wieder von selbst die Erfahrung, dass ein Reiz, der in einer bestimmten Situation Gefahr signalisierte, in einer anderen Situation völlig harmlos ist. Nicht jedes Knacken im Gehölz kündigt ein gefährliches Tier an, also muss man nicht immer panisch davon rennen. Bekannt war bisher, dass beim Furchtverlernen Folgendes im Gehirn geschieht: Ein Gebiet im mittleren vorderen Stirnhirn, der so genannte ventromediale präfrontale Kortex hemmt die Aktivität einer Region namens Amygdala, die für die Furchtreaktion verantwortlich ist.

    " Wir haben uns jetzt für folgende Frage interessiert: Wir wissen, dass das mittlere vordere Stirnhirn wichtig für die Furchthemmung bei der einfachen Extinktion ist. Nun wollten wir herausfinden, welche Rolle diese Wechselbeziehung im Gehirn spielt, wenn Menschen versuchen, Furcht auf kompliziertere Weise zu kontrollieren. "

    In der neuen Studie von Phelps sollten die Versuchspersonen also versuchen, ihre Furcht bewusst einzudämmen. Sie stellten sich zum Beispiel vor, dass die blauen Quadrate sehr schön und daher überhaupt nicht bedrohlich seien - eine Umbewertungstechnik, die auch in Therapien genutzt wird. Währenddessen untersuchte das Team um Elizabeth Phelps mit Hilfe der Magnetresonanztomographie, was im Gehirn der Probanden geschah:

    " Wir fanden, dass eine Region im seitlichen vorderen Stirnhirn stärker aktiver wurde, wenn die Versuchspersonen ihre Furcht einzudämmen versuchten. Diese Region hat mit der bewussten Kontrolle und Manipulation eingehender Signale, also mit höheren kognitiven Aufgaben zu tun zu tun. Und das führte - genau wie bei der Extinktion - zu einer verminderten Tätigkeit der Amygdala, also zu geringerer Furcht. Allerdings konnte das bewusste Kontrolltraining der Versuchspersonen die Amygdala nicht direkt beeinflussen. Es führte zunächst erneut zu einer erhöhten Aktivität des mittleren vorderen Stirnhirns, das die Furchtreaktionen in letzter Instanz hemmt. "

    Der Mensch nutzt also seine höheren kognitiven Fähigkeiten, um therapeutische Strategien einzusetzen, die den Tieren nicht möglich sind. Diese Bewusstseinstechniken, mit der Furcht umzugehen, führen bekanntlich nicht immer zum Erfolg. Aber wenn sie funktionieren, scheint das darauf zurückzuführen zu sein, dass sie uralte Lernmechanismen des Gehirns in Gang setzen. Das macht auch begreiflich, warum es so schwer ist, Furcht wieder los zu werden. Auch mit ausgefeilten bewussten Strategien lässt sich die Furchtreaktion offenbar nur immer stärker hemmen, aber nicht völlig aus dem Gedächtnis der Amygdala löschen.