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Therapie mit Beschleunigerhilfe

Medizintechnik. – Zunehmend entdeckt die Medizin die Möglichkeiten der gewaltigen Teilchenbeschleuniger für Forschung, Diagnose und Therapie. Die Maschinen aus der physikalischen Grundlagenforschung können beispielsweise für die so genannte Schwerionentherapie gegen Krebs eingesetzt werden, doch bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung, die solche Möglichkeiten bietet, können nur jährlich 70 Patienten behandelt werden. In Heidelberg soll daher der erste Teilchenbeschleuniger für rein medizinische Zwecke entstehen.

    "Wenn geladene Teilchen ins Gewebe geschossen und dort abgebremst werden, dann geben sie kurz vor dem Stillstand ein Maximum an Energie an das Gewebe ab. Bei den Hadronenstrahlen liegt das, abhängig von der Energie in zehn, fünfzehn oder zwanzig Zentimetern Tiefe", erklärt Professor Wolfgang Schlegel, Abteilungsleiter für Medizinische Physik am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Dadurch kann gezielt der Tumor ins Visier genommen werden, während das umliegende Gewebe geschont wird. In vier Jahren sollen in Heidelberg pro Jahr 1000 Patienten mit Ionenstrahlen behandelt werden können. Rund 80 Millionen Euro kostet die Maschine an Investitionskosten, 80 Physiker und Mediziner sind für seinen Betrieb erforderlich.

    Mit modernen bildgebenden Verfahren, zum Beispiel Magnetresonanz- oder Computertomographie, machen die Ärzte den Tumor sichtbar, messen ihn genau aus und bilden ihn im Computer ab. Innovative Software plant die Operation und die exakte Strahlendosis. Bislang können lediglich Organe mit Schwerionen behandelt werden, die sich fixieren lassen, vor allem also Kopf und Hals. Ziel ist es, die neue Anlage bildgeführt zu steuern. Dann würden Rechner Bewegungen anderer Organe erfassen und ständig ausgleichen. Das Ergebnis: Schwerionen werden für die häufigsten Krebsarten nutzbar gemacht.

    Bei einer weniger aufwändigen Methode werden herkömmliche Röntgenstrahlen durch komplizierte Systeme verstellbarer Metallspiegel fokussiert, so dass auch sie den Tumor genau erfassen. Schlegel: "Mit dieser intensitätsmodulierten Strahlentherapie können wir sehr kompliziert geformte Tumoren behandeln. Die wenigsten Tumoren sind schön, wie man sich das vorstellt, kugelig geformt, sondern die meisten Tumoren haben Ausläufer, wachsen um irgendwelche kritischen Organe rum." Diese Art der Strahlentherapie wird bereits an den großen Krebszentren eingesetzt, die Heidelberger Schwerionenquelle wird sich jetzt direkt mit der Röntgenstrahlmethode vergleichen lassen. "Die Röntgenstrahl-Therapie hat den Vorteil, dass man sie mit herkömmlichen Beschleunigern durchführen kann, ist also viel billiger als eine Hadronenstrahltherapie", erklärt Schlegel. Allerdings ist sie wiederum sehr viel teurer als die konventionelle Strahlentherapie. Möglicherweise liegt darin der Grund, dass statt der für Deutschland benötigten 80 Geräte nur zehn im Einsatz sind. Dabei ist sie für eine ganze Reihe von Tumoren die Therapie der Wahl. Jürgen Debus, ärztlicher Direktor der Universitätsstrahlenklinik in Heidelberg, nennt Beispiele: "Das sind speziell Tumore, die von den Speicheldrüsen ausgehen. Sie wachsen häufig zwar relativ langsam, aber dafür kontinuierlich und relativ unempfindlich gegen alle bisher konventionell angewandten Therapieverfahren." Insbesondere bei Chordoma und Chondrasarkoma, Tumoren an der Schädelbasis, ist dies der Fall.

    [Quelle: Klaus Herbst]