Kurz nach 12 Uhr mittags, die Dorfkneipe von Theresienstadt ist voll. Arbeiter im Blaumann stärken sich an der Gulaschsuppe von der Tageskarte, im Fernsehen läuft die Wiederholung einer Arztserie. An den Tischen ist das Gesprächsthema Nummer eins die Universität, die entstehen soll, ausgerechnet hier, im 1700-Einwohner-Dorf Theresienstadt. Hier könnten sich die Studenten wenigstens auf ihre Arbeit konzentrieren und würden nicht abgelenkt, meint einer aus dem Dorf. Seine Tischnachbarin ergänzt:
"Theresienstadt ist einfach schon alt. Wir bräuchten mehr jüngere Leute, die etwas Leben in die Stadt bringen und auch die kulturellen Angebote wieder verbessern."
Groß sind die Hoffnungen, die sich in Theresienstadt an das Uni-Projekt knüpfen. Hier, auf dem flachen Land zwischen Dresden und Prag, sollen künftig Jugendliche aus aller Welt studieren. Geplant ist ein groß angelegter Tauschhandel: Die jungen Leute lernen etwas über die europäische Geschichte und schenken der Stadt im Gegenzug ein wenig von ihrer Energie und von ihrer Neugier. Der Mann, der sich das Projekt ausgedacht hat, heißt Radek Vraný. Er ist eine Art kommunaler Entwicklungsminister und residiert im Theresienstädter Rathaus gleich neben dem Bürgermeister:
"Unsere Stadt ist optimal geeignet für internationale Studiengänge, weil wir in der ganzen Welt einmalig sind. Es gibt weltweit nur eine einzige Stadt mit dieser Baugeschichte, mit Zeugnissen aus der Zeit Maria Theresias und auch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs."
Tatsächlich mutet Theresienstadt ein wenig an wie ein großes Freilichtmuseum. 1780 wurde hier eine mächtige Festung aus dem Boden gestampft als österreichisch-ungarische Bastion gegen den befürchteten Angriff der Preußen. Innerhalb der Mauern lag ein Dorf für zweieinhalb Tausend Einwohner und noch einmal so viele Soldaten. Heute ist der Name Theresienstadt ein Synonym für die Greuel der Nazis – eine Gedenkstätte erinnert an die KZ-Vergangenheit. Marcela Karesova führt heute deutsche Touristen durch das ehemalige Durchgangslager.
"In Theresienstadt entstand ein Ghetto für die Juden, die Bevölkerung und die Soldaten mussten die Stadt verlassen. Durch dieses Ghetto sind ungefähr 140.000 bis 150.000 Personen durchgegangen, davon 87.000 wurden mit den Transporten nach Osten transportiert."
Nach dem Krieg kamen tschechische Soldaten in den Kasernen der Festungsstadt unter. Erst zum Ende der neunziger Jahre zogen sie ab und hinterließen in der Stadt ein Vakuum. Heute ziehen die jungen Leute zum Arbeiten ins 60 Kilometer entfernte Prag, in Theresienstadt ist außer einer Kneipe, zwei Kiosken und einem Tante-Emma-Laden nicht mehr viel geblieben. Das größte Kapital sind die Besucher: Etwa 220.000 kommen Jahr für Jahr in die Gedenkstätte. Die meisten von ihnen sind junge Leute. Genau die Generation also, die im Ort so spürbar fehlt. Das brachte den kommunalen Entwicklungsminister Radek Vraný auf seine Idee: Die verlassenen Kasernen sollen saniert und in Studentenwohnheime umgebaut werden, die ehemaligen Mannschaftsräume zu Hörsaal, Bibliothek und Mensa. Die Prager Karls-Universität hat schon Interesse bekundet, hier einen kleinen externen Campus einzurichten. Nur eine entscheidende Kleinigkeit fehlt noch, das Geld. Radek Vraný:
"Wir haben alles genau ausgerechnet. Der Umbau der Kasernen und die Sanierung der Festung kosten 260 Millionen Euro. Da ist dann alles drin bis hin zum Gehalt der letzten Putzfrau."
An dieser Viertelmilliarde Euro könnte der ehrgeizige Plan der Theresienstädter noch scheitern. Die Europäische Union hat zwar schon Hilfe signalisiert, allerdings unter einer Bedingung: Ein Viertel des Gesamtbetrags muss vom tschechischen Staat kommen. Die Regierung in Prag lässt sich mit der endgültigen Entscheidung allerdings noch Zeit – viel zu viel Zeit, sagt der Leiter der Gedenkstätte, Jan Munk, denn die Stadt muss dringend jünger werden.
"Ohne die Stadt kann auch die Gedenkstätte nicht existieren. Allein schon, weil wir technisch angebunden sind und außerdem einige unserer Ausstellungen direkt in der heutigen Stadt liegen. Natürlich berührt es uns deswegen, wie es mit der Stadt weitergeht – am wichtigsten ist erstmal, dass sie überhaupt überlebt."
"Theresienstadt ist einfach schon alt. Wir bräuchten mehr jüngere Leute, die etwas Leben in die Stadt bringen und auch die kulturellen Angebote wieder verbessern."
Groß sind die Hoffnungen, die sich in Theresienstadt an das Uni-Projekt knüpfen. Hier, auf dem flachen Land zwischen Dresden und Prag, sollen künftig Jugendliche aus aller Welt studieren. Geplant ist ein groß angelegter Tauschhandel: Die jungen Leute lernen etwas über die europäische Geschichte und schenken der Stadt im Gegenzug ein wenig von ihrer Energie und von ihrer Neugier. Der Mann, der sich das Projekt ausgedacht hat, heißt Radek Vraný. Er ist eine Art kommunaler Entwicklungsminister und residiert im Theresienstädter Rathaus gleich neben dem Bürgermeister:
"Unsere Stadt ist optimal geeignet für internationale Studiengänge, weil wir in der ganzen Welt einmalig sind. Es gibt weltweit nur eine einzige Stadt mit dieser Baugeschichte, mit Zeugnissen aus der Zeit Maria Theresias und auch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs."
Tatsächlich mutet Theresienstadt ein wenig an wie ein großes Freilichtmuseum. 1780 wurde hier eine mächtige Festung aus dem Boden gestampft als österreichisch-ungarische Bastion gegen den befürchteten Angriff der Preußen. Innerhalb der Mauern lag ein Dorf für zweieinhalb Tausend Einwohner und noch einmal so viele Soldaten. Heute ist der Name Theresienstadt ein Synonym für die Greuel der Nazis – eine Gedenkstätte erinnert an die KZ-Vergangenheit. Marcela Karesova führt heute deutsche Touristen durch das ehemalige Durchgangslager.
"In Theresienstadt entstand ein Ghetto für die Juden, die Bevölkerung und die Soldaten mussten die Stadt verlassen. Durch dieses Ghetto sind ungefähr 140.000 bis 150.000 Personen durchgegangen, davon 87.000 wurden mit den Transporten nach Osten transportiert."
Nach dem Krieg kamen tschechische Soldaten in den Kasernen der Festungsstadt unter. Erst zum Ende der neunziger Jahre zogen sie ab und hinterließen in der Stadt ein Vakuum. Heute ziehen die jungen Leute zum Arbeiten ins 60 Kilometer entfernte Prag, in Theresienstadt ist außer einer Kneipe, zwei Kiosken und einem Tante-Emma-Laden nicht mehr viel geblieben. Das größte Kapital sind die Besucher: Etwa 220.000 kommen Jahr für Jahr in die Gedenkstätte. Die meisten von ihnen sind junge Leute. Genau die Generation also, die im Ort so spürbar fehlt. Das brachte den kommunalen Entwicklungsminister Radek Vraný auf seine Idee: Die verlassenen Kasernen sollen saniert und in Studentenwohnheime umgebaut werden, die ehemaligen Mannschaftsräume zu Hörsaal, Bibliothek und Mensa. Die Prager Karls-Universität hat schon Interesse bekundet, hier einen kleinen externen Campus einzurichten. Nur eine entscheidende Kleinigkeit fehlt noch, das Geld. Radek Vraný:
"Wir haben alles genau ausgerechnet. Der Umbau der Kasernen und die Sanierung der Festung kosten 260 Millionen Euro. Da ist dann alles drin bis hin zum Gehalt der letzten Putzfrau."
An dieser Viertelmilliarde Euro könnte der ehrgeizige Plan der Theresienstädter noch scheitern. Die Europäische Union hat zwar schon Hilfe signalisiert, allerdings unter einer Bedingung: Ein Viertel des Gesamtbetrags muss vom tschechischen Staat kommen. Die Regierung in Prag lässt sich mit der endgültigen Entscheidung allerdings noch Zeit – viel zu viel Zeit, sagt der Leiter der Gedenkstätte, Jan Munk, denn die Stadt muss dringend jünger werden.
"Ohne die Stadt kann auch die Gedenkstätte nicht existieren. Allein schon, weil wir technisch angebunden sind und außerdem einige unserer Ausstellungen direkt in der heutigen Stadt liegen. Natürlich berührt es uns deswegen, wie es mit der Stadt weitergeht – am wichtigsten ist erstmal, dass sie überhaupt überlebt."