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Thermolumineszenz

von Dagmar Röhrlich

    In jeder Handvoll Sand sind nicht nur Quarze drin, sondern auch ein paar Körnchen von besonderen Kristallen: den Zirkons. Sie könnten zu den neuen Stars einer Datierungsmethode werden, die seit einigen Jahren Furore macht: der Thermolumineszenz. Henry den Hartog von der Reichsuniversität Groningen:

    Diese Datierungsmethode beruht auf der Lumineszenzmessung, das heißt auf dem Licht, dass eine erhitzte Probe ausstrahlt. Normalerweise nimmt man für diese Messung Quarz oder Feldspäte. Wir haben sie jetzt auch für Zirkone entwickelt. Bei der Lumineszenzmessung bestimmt man über die Intensität des ausgestrahlten Lichts das Alter der Probe.

    Werden Sandkörnchen zugedeckt, beginnt die im Boden allgegenwärtige radioaktive Strahlung das Kristallgitter zu verändern: In der regelmäßigen Struktur entstehen Immer mehr Fehler. Diese Fehler können jedoch wieder heilen: entweder durch Licht oder durch Hitze. Genau das ist der Trick. Die Forscher nehmen für die Thermolumineszenz Proben, ohne dass auch nur ein einziges Lichtteilchen an sie herankommt. Dann erhitzen sie die zu datierenden Körnchen im Labor und analysieren das Licht, das sie aussenden. Je nach Zustand des Kristallgitters verändert sich das Spektrum– und daraus lässt sich das Alter der Probe berechnen. Nach Quarz und Feldspäten funktioniert die Methode jetzt auch mit Zirkonen.

    Wir haben die Zirkone gewählt, weil sie radioaktive Elemente wie Uran und Thorium enthalten, die die Kristalle sozusagen von innen bestrahlen, und zwar mit einer erheblich höheren Dosis, als dass bei den nur von außen aus dem Boden heraus bestrahlten Kristallen wie Quarzen oder Feldspäten der Fall ist. Zirkone lassen sich deshalb bei der Altersbestimmung viel genauer einsetzen.

    Das Verhältnis von Signal und Rauschen ist sehr viel besser, wodurch die Auflösung um den Faktor zehn steigt – und während bei den Quarzen und Feldspäten die Sedimente mindesten 100 oder 200 Jahre alt sein müssen, reicht bei Zirkonen schon ein Jahr ohne Licht, um mess- und bestimmbare Veränderungen zu bekommen.

    Ehe die Zirkone zur Datierung taugten, mussten die Forscher jedoch einige Hürden überwinden. Denn Zirkone gibt es in einer transparenten und in einer undurchsichtigen Version. Für die Datierung eignen sich nur die durchsichtigen Kristalle, die farbigen oder dunklen Körner haben irreparable Schäden:

    Wir haben also die sehr transparenten Körnchen herausgesucht. Das Problem dabei ist, dass sich durchsichtige und undurchsichtige Zirkone nur unter dem Lichtmikroskop auseinander sortieren ließen. Aber Licht verdirbt die Datierung. Also mussten wir eine neue elektrische Methode entwickeln, um die hellen und transparenten Zirkone auszuwählen.

    Und zwar durch starke elektromagnetische Felder. Die Sortierung war nicht das einzige Hindernis, das die Physiker überwanden. Im Spektrum zeigen Zirkone zwar viele und enge Spitzen, aber für die Datierung eignet sich nur ein einziger Peak – und der musste erst einmal identifiziert werden. Jetzt scheint das Verfahren sehr gut zu funktionieren:

    Wir konnten damit ein 175 Jahre altes Sediment, eine Sandprobe aus den Zwanenwater-Dünen auf der niederländischen Insel Ameland, mit einer Abweichung von zwei Jahren datieren. Normalerweise lassen sich so junge Proben überhaupt nicht datieren, mit den Zirkonen geht es. Aufgrund der Intensität der Signale können wir jetzt schon abschätzen, dass wir noch sehr viel jüngere Ablagerungen datieren können. Wahrscheinlich können wir Proben datieren, die nur ein Jahr alt sind.

    Das öffnet neue Horizonte. Die Zirkon-Thermolumineszenz könnte nicht nur in den Geowissenschaften und der Archäologie eingesetzt werden, sondern auch in der Forensik, etwa um den Zeitpunkt zu bestimmen, wann illegal Schutt abgeladen worden ist.