
"Wir haben das Problem, dass seit einigen Jahren das Schulfach Islam in Thrakien gesetzlich als Pflichtfach durchgesetzt worden ist, aber wir haben keine Lehrer in Griechenland, die wir dafür einstellen können. Das kann so nicht weitergehen. Die griechischen Bürger sollen endlich auch bei uns die Möglichkeit erhalten, Islamwissenschaften zu studieren, wenn sie das wollen",
betont Chrisostomos Stamoulis, Dozent an der Theologischen Fakultät der Universität in Thessaloniki. Stamoulis kann zufrieden sein. Was er in den letzten Wochen erreicht hat, dafür mussten mehr als 200 Jahre in Griechenland vergehen. In Thessaloniki, der griechisch-orthodoxen Stadt schlechthin mit ihren unzähligen byzantinischen Kirchen, wäre die Diskussion über die Einführung eines islamischen Studienfachs noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Der Religionswissenschaftler aber sah großen Bedarf. Und reagierte. Trotz aller Widerstände, die ihm von der eigenen Diözese, allen voran dem Metropoliten Anthimos entgegengebracht wurden. Anthimos trieb allein der Gedanke an den Islam den Schweiß auf die Stirn, weswegen er kräftig gegen das Vorhaben wetterte.
Immer wieder forderte der orthodoxe Kirchenmann seine Gläubigen auf, nicht zuzulassen, dass die Islamwissenschaften in Thessaloniki Einzug hielten. Chriostomos Stamoulis dagegen hebt immer wieder hervor, dass die Theologischen Fakultäten an den Unis nicht der orthodoxen Kirche unterstellt sind. Ein akademischer Raum müsse frei von entsprechenden Vereinnahmungsversuchen bleiben. Die Möglichkeit, Islamwissenschaften zu studieren, so Stamoulis Argument, würde nicht allein die moslemische Bevölkerung Thrakiens honorieren. Auch für die vielen Migranten aus islamischen Staaten, die sich mehr und mehr in Griechenland niederlassen, sei ein solches Studienfach sinnvoll.
"Alle in meiner Abteilung haben es als Herausforderung angesehen. Denn die gesetzliche Grundlage war ja schon vorhanden, Lehrer islamisch auszubilden. Aber wer sich für islamische Wissenschaften interessierte, der konnte bisher keinen Abschluss darin machen. Das Fach wurde nur innerhalb der theologischen Ausbildung gelehrt. Mit dem neuen Fach können unsere Studenten selbst entscheiden, ob sie in Theologie oder in Islamwissenschaft ihren Abschluss machen wollen."
"Kampf ist vorprogrammiert"
Kritische Stimmen kamen allerdings auch aus der Universität selbst. Der Leiter des theologischen Dekanats, Michalis Tritos, fürchtet Auseinandersetzungen:
"Der Grundgedanke ist gut: Die muslimischen Muftis Ostthrakiens könnten bei uns im Land ausgebildet werden und bräuchten dafür nicht mehr an ausländische Unis, nach Ankara, Saudi-Arabien oder Andreanopoli, von wo sie zumeist sehr fanatisiert zurückkehren. Der griechische Staat hätte so ein besseres Auge auf sie, das ist sinnvoll. Und trotzdem habe ich Bedenken. Das Zusammentreffen mit strikt orthodoxen Studenten könnte zu Auseinandersetzungen führen. Da braucht nur ein Orthodoxer irgendeinen dummen Spruch gegen Allah zu machen und schon ist der Kampf vorprogrammiert."
Der Dekan plädiert deshalb dafür, einen islamischen Fachbereich außerhalb der theologischen Fakultät anzusiedeln. Auch sollten Zeugnisse keinen Hinweis auf die theologische Fakultät enthalten und nur ganz allgemeinen einen Abschluss an der Universität von Thessaloniki bestätigen. Ganz anders sieht das Chrisostomos Stamoulis. Er glaubt, dass Konflikte zwischen verschiedenen Religionen nur langfristig und unter einem akademischen Dach überwunden werden können:
"Sehen sie, wir haben christliche Dozenten aus Syrien und dem Libanon, die ausgezeichnete Islamexperten sind. Diese könnten auf beide Seiten sehr professionell eingehen. Wir befinden uns in einem akademischen Raum. Wir lehren nicht nach unserem Glauben. Wir vermitteln Wissen und Bildung. Das ist die Freiheit der Wissenschaft. Den Skeptikern stelle ich immer eine Gegenfrage: Ist es, wenn man Homer lehrt, eine Voraussetzung, dass man dessen Ansichten teilt? Und muss man hundertprozentig von Platons Ideen überzeugt sein, um sie zu lehren?"