Thomas Adés: Piano
Schon ein wenig älter, aber auf jeden Fall erwähnenswert ist eine Scheibe, die der britische Komponist Adés für EMI eingespielt. Thomas Adés ist Anfang 30, gilt als hochbegabter Komponist, hat bereits leitende Funktionen in Birmingham und Aldeburgh inne und entpuppt sich auf dieser CD als ein Pianist von Format und von Witz. Er hat dafür weitgehend unbekannte Werke des 20. Jahrhunderts ausgegraben, etwa die raffiniert naive Suite von Niccolò Castiglioni "Come io passo l'estate - Wie ich den Sommer verbringe". Einer der Sätze trägt die Überschrift: "Antonio Ballista schläft in der 'Casa dei Carabinieri'", also auf der Polizeiwache. Nun, er schläft unzweifelhaft den Schlaf jener Gerechten, die jegliche eventuelle Erbsünde zuvor in einigen guten Gläsern Bardolino ertränkt haben. * Musikbeispiel: Niccolò Castiglioni - Antonio Ballista dorme in casa dei carabinieri (Ausschnitt) aus: "Come io passo l'estate"" So versammelt Thomas Adés auf seiner CD ein ganzes Zimmer voll Miniaturen, ob diese nun von Castiglioni oder György Kurtág, von Leos Janacek oder Igor Strawinsky sind. Unter den 37 Titel zappt man sich durch bis zu den drei Kanons für Ursula Oppens von Conlon Nancarrow, die Adés so poetisch spielt, als seien sie von Grieg, der übrigens in dieser Anthologie ebenfalls nicht fehlt. Man lernt den überraschend modernen Russen Alexeij Statschinkij kennen, der keine 30 Jahre alt wurde und schon 1914 starb. Und irgendwann möchte man eben doch wissen, wie Adés Busoni spielt, dessen Sonatina ad usum infantis eben keineswegs so kinderleicht ist, wie der Titel nahelegen soll. Man kann aus dem Stück was machen, sogar aus den lustigen Plattheiten der abschließenden Polonaise. * Musikbeispiel: Ferruccio Busoni - 5. Polonaise (Ausschnitt) aus: Sonatina ad usum infantis Diese CD von Thomas Adés empfiehlt sich für alle, die Freude am geistvollen Spiel mit den Möglichkeiten des Fortepianos haben und die auch auf ihre Kosten kommen, wenn die eine oder andere der vielen Ideen nur eine halbe Minute währt und die Pointe schneller kommt, als man zur Fernbedienung greifen kann. Und das war's auch schon in der Neuen Platte im Deutschlandfunk. Heute ging es um zwei CDs. Die eine ist bei Tacet erschienen und bietet alle drei Schumann-Quartette mit dem Auryn-Quartett. Die andere kommt von der EMI, und darauf spielt, wie soeben noch gehört, Thomas Adés Klavierminiaturen vorzugsweise aus dem 20. Jahrhundert.