Donnerstag, 25. April 2024

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Thomas Ruff über Weltraumbilder
Sehen, was nicht zu sehen ist

Bei ihm gebe es „das Fernste und das Naheste“, sagt Thomas Ruff über seine Arbeit. Seit vielen Jahren ist er einer der wichtigsten Fotokünstler der Gegenwart. Zu seinen bekanntesten Serien gehören die Bilder von fernen Sternenwelten - die nicht ohne Hilfe entstanden.

Thomas Ruff im Gespräch mit Michael Köhler | 18.08.2020
"Prothese für das Auge": der Fotokünstler Thomas Ruff bei einer Ausstellung in Toronto 2016
"Prothese für das Auge": der Fotokünstler Thomas Ruff bei einer Ausstellung in Toronto 2016 (imago / ZUMA Press)
Bei ihm gebe es "das Fernste und das Naheste", sagt Thomas Ruff, einer der wichtigsten deutschen Fotokünstler der Gegenwart. Ohne die Betrachter sei jedes Foto aber erst einmal ein totes Ding: "Erst der Betrachter erweckt das Bild zum Leben."
Seine fotografische Beschäftigung mit der unendlichen Ferne des Weltalls habe autobiografische Züge gehabt, so Ruff im Deutschlandfunk:
"Weil ich nach dem Abitur mit dem Gedanken gespielt habe, eventuell Astronomie zu studieren. Ich habe mich riesig gefreut, als dieses Thema wieder in meiner künstlerischen Arbeit aufgetaucht ist."
"Größer als das menschliche Auge"
Bei den Sternenbildern, mit denen er berühmt wurde, sei es ihm um die Geschichte der Fotografie gegangen, sagte der heute 62-Jährige. Die Fotografie sei seit ihrer Erfindung von Wissenschaftlern genutzt worden – als neue Technik, Dinge aufzeichnen zu können. Die Astronomen hätten eine lichtempfindliche Platte hinter das Fernrohr montiert, um sehr lange Belichtungszeiten aufnehmen zu können:
"Und weil das Teleskop natürlich größer war als das menschliche Auge, konnte es sehr viel mehr sehen."
In einer Glaskugel spiegelt sich die Adriaküste, die im Hintergrund nur unscharf zu sehen ist.
Gesprächsreihe - nah und fern
Nähe und Distanz sind keine feststehenden Größen. Wo das eine aufhört und das andere beginnt, empfindet jeder anders. Und jede Disziplin, jede Kunstgattung geht auf ihre Weise damit um.

Ohnehin sei die Fotografie seiner Meinung nach immer als eine Prothese für das Auge genutzt worden:
"Wenn ich näher ranzoomen will, nehme ich ein Mikroskop. Und wenn ich weiter entfernt Dinge anschauen will, nehme ich das Teleskop. Dann kann man fantastische Aufnahmen machen und sehr viel mehr sehen als mit dem bloßen Auge."
"Fotografien, die schon existierten"
In den vergangenen 20 Jahren habe er selbst sich allerdings immer mehr von der Fotografie entfernt und kaum mehr selbst zur Kamera gegriffen:
"Mich haben andere Themen mehr interessiert. Ich habe Fotografien gefunden, die schon existierten, die ich faszinierend fand und bei denen ich mich gefragt habe: Was machen diese Fotografien? Und habe dann damit Serien gemacht. Oder ich habe mit Bildern aus dem Internet gearbeitet und die digitale Struktur untersucht. Das sind alles Dinge, die einen Großteil der Fotografie heutzutage ausmachen. Wobei sich die Menschen aber eben eigentlich gar nicht bewusst sind, dass das alles passiert. Die schauen auch die elektronischen Bilder immer noch an, als wären es echte, authentische Fotografien."
Thomas Ruff, 1958 in Zell am Harmersbach geboren, studierte ab 1977 in der Fotografieklasse von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie. Mit seinen konzeptuellen Serien wurde er zu einem der bedeutendsten deutschen Fotokünstler. Zu Ruffs bekanntesten Folgen zählen die ab 1989 entstandenen Aufnahmen des Sternenhimmels, für die er auf Aufnahmen aus astronomischen Teleskopen zurückgriff. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Ruff, der in Düsseldorf lebt, auch mit den technischen Bedingungen für die Entstehung von Bildern.