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Thüringen
Kultur und Kultus werden getrennt

In Thüringen findet Kultur politisch künftig nicht mehr statt wie bisher: In der Staatskanzlei sollen sich der Ministerpräsident, der Staatskanzleiminister und die Kulturstaatssekretärin alternierend und ergänzend um die Kultur kümmern. Nicht alle begrüßen das.

Von Henry Bernhard | 13.12.2014
    Die Thüringer Linke machte im Wahlkampf zur Landtagswahl im September damit Werbung, dass man nicht alles anders, aber vieles besser machen wolle. Mit dem Koalitionsvertrag und der Regierungserklärung ist nun klar:
    "Für die neue Landesregierung ist Kultur Chefsache. Die Kulturpolitik ist ein besonderer Schwerpunkt meiner Regierungsarbeit. Aus diesem Grunde haben wir sie in der Staatskanzlei verortet."
    Das klingt erst mal gut, beinhaltet aber auch im Umkehrschluss, dass die Kultur in Thüringen nicht mehr im Kultusministerium stattfindet wie bisher. In der Staatskanzlei sollen der Ministerpräsident, der Staatskanzleiminister und die Kulturstaatssekretärin alternierend und sich ergänzend um die Kultur kümmern. Ein Zustand, der in der Thüringer Kulturszene nicht überall mit Begeisterung aufgenommen wird. Auch nicht im Museumsverband. Der Präsident, Günter Schuchardt:
    "Ja, zunächst war es nicht so glücklich, dass Kultur und Kultus getrennt werden, weil das ja unser kultureller Bildungsauftrag ist als Museum, auch eng mit dem Kultusbereich zusammenzuarbeiten. Andererseits sind wir froh, dass wir überhaupt einen Kulturminister haben mit Herrn Prof. Hoff."
    Praktische Kulturarbeit macht Staatssekretärin
    Der Chef der Staatskanzlei, Prof. Benjamin-Immanuel Hoff, ein 38jähriger Sozialwissenschaftler, ist nebenbei auch Minister für Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten. Er wird vor allem damit beschäftigt sein, die Rot-Rot-Grüne Regierungsarbeit zu koordinieren. Die praktische Kulturarbeit wird an der Staatssekretärin hängen. Dies könnte Probleme mit sich bringen, meint der Vizepräsident des Thüringer Kulturrates, Lutz Unbehaun:
    "Es ist im Kulturrat kritisch diskutiert worden, einfach aus dem Grund heraus, dass natürlich der Freistaat Thüringen sich auch über die Kultur definiert. Und da war es für uns natürlich wichtig zu sagen, dass ein Minister natürlich auch eine ganz andere Stellung innerhalb eines Kabinetts hat bzw. auch in der Außenwirkung oder in der Kultusministerkonferenz entsprechend auftritt."
    Das Modell, die Kultur beim Ministerpräsident anzusiedeln, ist nicht neu. Es wird auch in Berlin so gehandhabt. Doch Thüringen mit seiner reichen, kleinteiligen Kulturlandschaft, mit der wohl höchsten Theater- und Orchesterdichte in der Welt, könnte anders funktionieren. Volkhard Knigge, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald, will der neuen Regierung erst mal eine Chance geben zu handeln.
    "Auf den ersten Blick wirkt es nicht besonders überzeugend. Also, hier würde ich dazu raten, zunächst mal abzuwarten, wie sich die Kulturpolitik konkret in diesem Land darstellen wird. Dass es sich bisher bewährt hat, dass man die Dinge in einer Hand zusammenhält, das ist die eine Erfahrung; aber ich würde jetzt nicht dazu neigen, schon mit Unkenrufen den Horizont zukünftiger Kulturpolitik in Thüringen zu verdunkeln."
    Kritik macht sich aber auch an der Person der Kulturstaatssekretärin fest. Babette Winter, SPD, ist promovierte Chemikerin, hat lange als Pressesprecherin und in der Umweltbürokratie gearbeitet, ein Jahr davon in Brüssel. Zuletzt leitete sie das Referat "Umweltpolitik" im Thüringer Umweltministerium. Woher soll die kulturelle Kompetenz also kommen, fragen sich viele in der Kulturlandschaft, die Kompetenz, um im Kulturland Thüringen bestehen zu können - nach außen, aber auch nach innen. Ministerpräsident Bodo Ramelow hat eine einfache Antwort darauf, was Babette Winter qualifiziert.
    "Frau Dr. Winter ist ja von der SPD vorgeschlagen worden. Und ich denke, dass die SPD sich genau überlegt hat, dass es eine Person ist, die in der Lage ist, mit all den Herausforderungen umzugehen, die in Thüringen als Kulturland von uns zu leisten ist."
    Umstrittene Kompetenz
    Von der SPD hört man, dass sie eine nette, kluge Frau sei, die beim Thema Europa, für das sie auch zuständig ist, wirklich fit sei. Babette Winter selbst hat keinen Zweifel, dass sie den Job als Kulturstaatssekretärin gut machen wird.
    "Die Unsicherheit verstehe ich, die Kritik nehme ich zur Kenntnis. Ich finde es manchmal etwas spannend zu sehen, dass man immer erwartet, dass die Leute, die an der Spitze sind, müssen alles schon können. Ich freue mich auf diese Aufgabe, und man sollte mich nicht unterschätzen: Ich bin ziemlich schnell im Kopf, bin sehr interessiert. Und es ist nicht so, als würde ich jetzt das erste Mal ins Theater gehen oder das erste Mal ins Museum oder in eine Gedenkstätte."
    Wie die ganze neue Landesregierung muss auch die neue Kulturstaatssekretärin erst mal ihren Weg finden. Auch den zu ihren Mitarbeitern, die noch drei Kilometer entfernt im alten Kultusministerium sitzen. Volkhard Knigge ist jedenfalls bereit, sie zu unterstützen.
    "Also ich bekenne, die Entscheidung hat mich überrascht. Jetzt ist sie so gefällt, und das betrachte ich als Aufforderung dazu, ihr mächtig unter die Arme zu greifen. Sie wird ihren Weg finden müssen. Und wenn man dann sieht, dass den jemand nicht findet, dann muss man sehr laut öffentlich die Stimme erheben. Zur Vorverurteilung neige ich eher nicht, sondern dann zur konkreten Intervention, wenn es brennt."